Seewölfe - Piraten der Weltmeere 412 - Hexenkessel Havanna

von: Roy Palmer

Pabel eBooks, 2018

ISBN: 9783954398201 , 115 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 2,49 EUR

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Seewölfe - Piraten der Weltmeere 412 - Hexenkessel Havanna


 

2.


Die Fleute lag seit über einer Woche im Hafen von Havanna. Sie stammte aus Holland, wie Jussuf wußte. Und Arne von Manteuffel hatte ihm erklärt, was das für ein Schiffstyp war und welche Besonderheiten er aufwies. Arne war solchen Fleuten in den letzten Jahren häufig in der Ostsee begegnet.

Die „Zeehond“ bestach durch ihre gediegene schiffbauliche Verarbeitung, ganz abgesehen davon, daß sie bestens in Schuß war und vor Sauberkeit blitzte. Sie war ein Handelsfahrer, auch das war Jussuf bekannt, aber als ein solcher war sie bemerkenswert gut bestückt: Acht Culverinen hatte sie auf jeder Seite, und je drei Drehbassen vorn und achtern. Ein wirklich schmuckes Schiff, das hatte auch Jörgen Bruhn gesagt, als sie in den Hafen eingelaufen war.

Jussuf hatte den Eindruck, daß sich die schwarze Frau ganz besonders für die Armierung interessierte. Sie schritt auf der Pier entlang, verharrte, schaute zu den Drehbassen des Achterdecks auf, drehte sich wieder um und ging zurück, verhielt dann aber erneut ihre Schritte. Ihr Blick wanderte über die geschlossenen Stückpforten. Ihm entging auch nicht, wie sie den Kopf ein wenig anhob, als versuche sie, etwas mehr von den Siebzehnpfündern zu erkennen.

So stand sie wohl etwas zu lange bei dem Schiff, denn jetzt trat etwas ein, mit dem sie bestimmt nicht gerechnet hatte. Eine Stelling war von der „Zeehond“ zur Pier ausgebracht – wohl wegen des gewölbten Rumpfes, um Deck und Pier zu überbrücken. Eine Fleute, so hatte Arne Jussuf auseinandergesetzt, war wegen dieses Bauches, der zu ihren Merkmalen gehörte, schlecht zu entern. Dennoch wirkte sie schlank und auf besondere Weise sogar elegant.

Am Ende der Stelling auf der Pier stand ein etwas rotgesichtiger, blonder und recht derber Seemann als Hafenposten. Er grinste die Black Queen an. Ihr sonderbares Interesse an dem Schiff war ihm natürlich sofort aufgefallen, aber eben nicht nur ihr Interesse, sondern auch ihre Erscheinung.

Unter dem Kleid der Negerin zeichnete sich ja auch deutlich genug alles das ab, was sie zu bieten hatte und was ein Seemannsherz zum Klopfen zu bringen verstand. Die Ausstrahlung, die von dieser Frau ausging, war stark, kaum jemand vermochte sich ihr zu entziehen. Dieser Art von Sinnlichkeit war auch Don Antonio de Quintanilla inzwischen verfallen, und das war bezeichnend, denn er erlag sonst nur dem Reiz des Reichtums und der Macht.

Escobar, Grillo und Mantilla, die nach wie vor an dem Kneipenfenster standen, stießen sich untereinander mit den Ellenbogen an.

„Seht euch den Kerl an“, sagte Escobar. „Der hat’s gut. Sie geht ganz dicht an ihm vorbei, und, holla, jetzt bleibt sie wieder stehen. Er braucht nur die Hand auszustrecken, dann hat er sie.“

„Läßt sie sich denn mit jedem ein?“ fragte Mantilla grinsend.

„Das glaube ich nicht“, sagte Libero hinter ihnen.

„Was weißt du schon, Kleiner!“ sagte Grillo. „Mit mir würde sie jeden Sturm abreiten, das schwöre ich dir.“

Sie lachten und verfolgten, was weiter geschah.

Der Mann an der Stelling nahm seinen Blick nicht mehr von der Queen und musterte sie ungeniert von oben bis unten. Er ahnte nicht, daß ihr Interesse dem Schiff galt – nicht ihm. So zog er einen verkehrten Schluß.

„Hallo!“ sagte er grinsend. „Edle Tulpe von Havanna! Wie wär’s mit uns beiden?“

Die Queen ignorierte ihn. Sie verstand nicht, was er sagte, aber sie konnte aus seiner Miene leicht schließen, was er wollte. Sie schickte sich an, an ihm vorbeizugehen.

Aber er verstellte ihr den Weg.

„Warum hast du’s so eilig?“ fragte er. „Bleib doch ein bißchen. Erzähl mal, was du zu bieten hast, wir werden uns bestimmt handelseinig.“

„Er denkt, sie sei eine, die nach einem Freier Ausschau hält“, sagte Grillo in diesem Moment zu seinen Kumpanen. „Er hält sie für eine Hafenhure.“

„Genau das“, pflichtete Mantilla ihm bei. „Und zwar für eine Hure von der ganz tollen Sorte.“

Libero trank noch rasch einen Schluck Bier, dann wandte er sich wieder dem Tresen zu. „Er verbrennt sich die Finger an ihr.“

„Kann sein“, sagte Grillo lachend. „Aber er rechnet nicht damit. Er fängt an zu balzen.“

Die Gestik des Holländers war so eindeutig, daß auch Jussuf begriff, was er von der Frau wollte. Jussufs Augen wurden schmal. Täuschte er sich, oder ging der Mann bereits auf Tuchfühlung? Nein, er irrte sich nicht. Wie würde die Queen darauf reagieren? Ließ sie sich das gefallen?

Der Holländer trat dicht vor die Queen hin und grinste sie frech an.

„Zier dich nicht so“, sagte er. „Ich weiß schon, was du willst. Meine Wache dauert noch zwei Stunden, dann habe ich frei. Ich gebe dir einen Silberling, und wir verholen uns in die nächste Kneipe, wo’s ein paar hübsche Hinterzimmer gibt.“

„Aus dem Weg“, sagte sie kalt.

„Ich versteh’ kein Spanisch“, sagte er. „Aber es gibt ’ne Sprache, die jeder kapiert.“ Er hob die Hände und berührte ihre Brüste. Sein Gesicht verzog sich zu einem Ausdruck der Überraschung und des Staunens. „Hoppla, das sind ja tolle Möpse! Ist der Rest auch so gut? Du …“

Weiter gelangte er nicht. Die Black Queen fegte seine Hände mit einem heftigen Schlag zur Seite und trat ihm gleichzeitig mit voller Wucht gegen das Schienbein. Er riß den Mund auf, stieß einen japsenden Laut aus und geriet ins Taumeln. Sie setzte nach und schmetterte ihm die Faust unters Kinn, und zwar mit einer solchen Kraft, daß er gegen die Stelling prallte, über sie stolperte und zusammenbrach. Er blieb reglos auf der Pier liegen.

Jussuf hatte unwillkürlich den Atem angehalten.

„Bei Allah“, murmelte er. „Sie ist explodiert wie ein Pulverfaß.“

„Seht euch das an“, sagte Escobar im selben Augenblick. „Den Knaben hat es glatt aus den Stiefeln gehauen. Hölle, hat die eine Handschrift! Wer hätte das gedacht?“

„Ich“, sagte Libero.

Aber er verstummte gleich wieder, denn Lopez, der Schankwirt, tauchte vor ihm auf, stemmte die Fäuste in die Seiten und fragte drohend: „Was hast du dir gedacht? Was geht hier vor? Du säufst wohl selber mit und vergißt, die Zeche zu kassieren, was?“ Sein Blick hatte die vier Humpen erfaßt, die auf dem Tisch standen.

Aber Grillo drehte sich zu ihnen um und sagte: „He, laß den Jungen in Ruhe, du alter Meckerbeutel. Der tut seine Arbeit, wie es sich gehört. Komm lieber her und schau dir an, wie die Schwarze den Holländer vertrimmt.“

„Die Schwarze?“ Lopez schüttelte den Kopf. „Nein, danke. Mein Bedarf an Schwarzen ist lange gedeckt, und ich will nicht wissen, was im Hafen vorgeht. Neger kriegen bei mir kein Bier, und ich halte meinen Laden sauber.“

Grillo zuckte mit den Schultern. Escobar und Mantilla hörten nicht auf, die Queen durch das Fenster zu betrachten, und Mantilla brummte: „Der Kerl ist wie ein gefällter Baum auf die Pier gekracht. Das war vielleicht ein Schlag.“

„Und jetzt wird es an Bord der Fleute lebendig“, sagte Escobar. „Mal sehen, was die Kameraden des Balzhahns von der Sache halten.“

Tatsächlich war man an Bord der „Zeehond“ auf das Geschehen aufmerksam geworden, denn am Schanzkleid tauchten Gestalten auf. Aber die Queen hatte sich inzwischen bereits in Bewegung gesetzt und war hinter einem Schuppen verschwunden. Sie entzog sich somit dem Blickfeld der Holländer, und auch Escobar, Mantilla und Grillo konnten sie nicht mehr sehen.

Nur Jussuf hatte sie nicht aus den Augen verloren. Er beobachtete, wie sie sich in der Deckung des Schuppens zu dem Anderthalbmaster zurückbegab. Gemächlich folgte er ihr mit seinem Karren, und auch jetzt schöpfte sie keinerlei Verdacht.

Ein Teil der holländischen Mannschaft hatte unterdessen die „Zeehond“ verlassen und kümmerte sich um den bewußtlosen Posten. Jussuf sah noch, wie auch der Kapitän auf dem Achterdeck auftauchte. Wim de Bruijn hieß dieser Mann, so hatte er von Arne vernommen, und er schien ein guter Seemann und Schiffsführer zu sein, ehrlich und korrekt.

Verdutzt blickte dieser Wim de Bruijn auf das Bild, das sich seinen Augen bot, und seine Miene verfinsterte sich.

„Was wird hier gespielt?“ fragte er ärgerlich.

„Hendrik ist hingefallen“, erwiderte einer der Männer auf der Pier.

Hendrik, der Hafenposten, erlangte in diesem Moment wieder die Besinnung. Einer seiner Kameraden hatte aber doch eine Pütz mit Seewasser gefüllt und klatschte ihm...