Meine Schuld 5 - Romanzeitschrift - Was Frauen Berichten: Schonungslos - Indiskret

von: Martin Kelter Verlag

Martin Kelter Verlag, 2017

ISBN: 9783740914318 , 120 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 1,99 EUR

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Meine Schuld 5 - Romanzeitschrift - Was Frauen Berichten: Schonungslos - Indiskret


 

»Nach der Geburt unseres Sohnes wurde mein Mann immer trauriger.«

Christian war immer ein stiller Mensch gewesen. Bald nach der Geburt unseres Sohnes wurde seine grausame Sehnsucht nach dem Tod offenbar. Unaufhaltsam entglitt er jedem Hilfeversuch.

Und pass auf, wenn du fährst. So eine weite Strecke!«, ermahnte mich meine Schwiegermutter zum dritten Mal.

»Beate, meine Tochter wird nächstes Jahr dreißig Jahre alt. Sie kann Auto fahren!«, Meine Mutter richtete den Blick genervt gen Himmel.

»Ach, Josy, ich meine es doch nur gut«, beharrte Beate. »Immerhin ist sie im sechsten Monat. Da muss man doch ein bisschen vorsichtig sein.«

»Mama!«, mischte mein Mann Christian sich jetzt ein. »Nun ist es aber gut. Wir passen schon auf. Und es sind ja auch nur zwei Wochen.«

»Ja, die zwei Wochen Südfrankreich meine ich ja auch gar nicht. Nur der lange Weg…«

»Du hast ja recht«, beruhigte ich sie. »Aber wir haben genug Pausen eingeplant. Und wenn es zu anstrengend wird, nehmen wir ein Hotel.«

»Versprochen?«

»Versprochen!«, gaben Christian und ich unser Wort wie aus einem Munde.

Endlich verabschiedeten sich unsere beiden Mütter.

*

Wow«, seufzte ich, als die beiden an der Straße in den Wagen meiner Mutter stiegen. »Seit deine Mutter auch Witwe ist, ist ihre Sorge um uns kaum noch zu ertragen.«

Christian nickte. Dann drehte er sich um und ging in sein Arbeitszimmer. Das machte er in der letzten Zeit immer öfter. Irgendwie schien er das zu brauchen, seit ich schwanger war. »Es bringt ja auch eine Menge Veränderungen mit sich«, hatte unser Hausarzt gesagt, als ich ihm davon erzählte. »Und ein Alleinunterhalter war er ja noch nie.«

Da konnte ich ihm nur zustimmen. Christian und ich kannten uns seit dem Kindergarten. Dort hatten sich auch unsere Mütter kennen gelernt und waren unzertrennliche Freundinnen geworden. Wir Kinder dagegen hatten uns nach der Grundschule aus den Augen verloren. Erst nach dem Tod von Christians Vater drei Jahre zuvor hatten wir uns einander wieder angenähert – und lieben gelernt. Aber während ich mich auf meinem Weg ins Erwachsenwerden stark verändert hatte, war er immer der stille Mensch geblieben, der er schon als Kind gewesen war. Immer war er der, der sich zurückzog, wenn sich irgendetwas um uns herum veränderte.

Die Erklärung unseres Hausarztes schien mir einleuchtend. Er brauchte einfach etwas Zeit. Wenn das Baby erst da war und er sich daran gewöhnt hatte, würde er wieder der Alte werden. Dessen war ich mir ganz sicher.

*

Nun, wir verbrachten einen wunderschönen Urlaub zu zweit in Südfrankreich. Danach arbeitete ich noch einige Wochen, und schon war die Zeit da, die Wohnung auf unseren kleinen Felix vorzubereiten. Schließlich setzten die Wehen ein. Die Geburt verlief wie nach dem Lehrbuch.

»Ein braves Kind«, lobte die Hebamme lachend und legte mir unser kleines Wunder auf den Bauch.

Christian und ich betrachteten unseren kleinen Felix. Ich war selig. Auch Christian lächelte. Doch schon an diesem Tag sah ich in seinen Augen neben seinem Lächeln noch etwas anderes. Es schien, als zeichnete sich in seinen Gesichtszügen immer eine Art sehnsüchtiger Schatten ab. Zu diesem Zeitpunkt ahnte ich noch nicht, was sich dahinter verbarg.

So friedlich Felix in meinem Bauch gewesen war, so lebhaft war er nun, als er auf der Welt war. Das kleine Kerlchen verlangte ständig nach meiner Brust und wuchs, dass es eine wahre Freude war zuzusehen. Bald schon war er so weit, dass seine Aktivitäten am Tag ihn so müde machten, dass er nachts durchschlief.

»Was für ein braves Baby«, seufzte meine Mutter versonnen, als sie uns mit meiner Schwiegermutter zusammen besuchte.

»Genau wie Christian!«, himmelte auch diese ihren kleinen Enkel an.

Tatsächlich war unser Felix seinem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten. Es gab nur einen Unterschied: Während unser Sohn unverhohlen seine Lebensfreude in die Welt hinausstrahlte, verfinsterte ein merkwürdig trauriger Zug immer öfter die Miene seines Vaters. Immer öfter zog er sich in sein Arbeitszimmer zurück. Meistens schloss er schon um sieben Uhr abends die Tür hinter sich. Ins Bett kam er erst, wenn ich längst schlief.

»Ja, ich habe es auch bemerkt. Er benimmt sich irgendwie merkwürdig«, sagte meine Mutter am Telefon zustimmend. Ich hatte sie angerufen, weil ich ihren Rat brauchte.

»Wir verbringen am Tag höchstens noch zwei Stunden zusammen. Da stimmt doch etwas nicht«, erzählte ich ihr von meiner Sorge.

»Hm, von Depressionen nach der Schwangerschaft habe ich bisher eigentlich nur bei Frauen gehört. Hast du mal Dr. Schmied darauf angesprochen?«

»Ja, er meinte, Christian bräuchte wahrscheinlich nur etwas Zeit. Aber Felix ist jetzt schon vier Monate alt, und Christian zieht sich sogar noch mehr zurück als vorher.«

»Hast du denn schon mal mit deinem Mann selbst darüber gesprochen?«, wollte sie nun wissen.

»Ja, habe ich«, setzte ich an, doch dann korrigierte ich mich: »Oder vielmehr, ich habe es versucht. Er hat genickt, dann etwas von viel Arbeit erzählt und ist statt um sieben sofort in sein Arbeitszimmer verschwunden.«

»Vielleicht hat er wirklich so viel Arbeit?«, sagte meine Mutter.

»Zwischenzeitlich habe ich seine Kollegin Bärbel in der Stadt getroffen. Sie sagt, in der Firma sei nicht mehr und nicht weniger als sonst zu tun.«

»Na, dann weiß ich auch keinen Rat. Aber halt, vielleicht doch. Was hältst du davon, wenn du noch einmal mit Doktor Schmied sprichst und ihm von deiner Sorge erzählst. Und wenn du Christian dann zu einem Gesundheits-Check überreden könntest, könnte Doktor Schmied ihn einmal unauffällig genauer ansehen.«

»Das ist eine gute Idee!«, stimmte ich ihr zu. Genau so hatte ich es vor.

Und unser Hausarzt willigte ein. »Wenn er von selbst nicht auf die Idee kommt, dass etwas nicht stimmt, dann locken wir ihn eben so hierher«, lächelte er.

So hatte mein Mann schon vier Tage später einen Termin zum Gesundheits-Check.

»Und? Was hat Doktor Schmied gesagt?«, fragte ich Christian, als er danach nach Hause kam.

»Alles in Ordnung. Wegen der Blutwerte soll ich in den nächsten Tagen nachfragen.«

»Und hat er sonst noch etwas gesagt?«, hakte ich nach.

»Er meint, wir sollten mal wieder etwas gemeinsam unternehmen, damit ich mal auf andere Gedanken komme.«

»Aha?« Ich wunderte mich. »Na, dann lass uns doch mal wieder zusammen in die Sauna gehen«, schlug ich vor.

Nun huschte kurz ein Lächeln über sein Gesicht. Er nickte – und ging wieder in sein Arbeitszimmer. So leicht wollte ich mich aber nicht abschütteln lassen. Ich rief meine Mutter an. Sie würde am Freitagnachmittag Felix übernehmen, sodass Christian und ich einige Stunden Zeit für einen ausgiebigen Saunabesuch hätten.

*

Am nächsten Tag pappte ich einen Klebezettel auf sein Frühstücksbrettchen. Ich hatte ein lächelndes Gesicht darauf gemalt und die Saunazeiten für Freitag darauf notiert. Er stutzte, als er den Zettel sah.

»Und der Kleine?«, wollte er wissen.

»Felix übernimmt meine Mutter. Diese Stunden sind mal nur für uns beide«, lächelte ich.

»Ja«, sagte er nachdenklich, »vielleicht ist das gar nicht mal so schlecht.«

Später am Vormittag ging ich zu Dr. Schmied. So hatte ich es mit ihm verabredet. Ich erzählte ihm von dem geplanten Saunabesuch. Unser Hausarzt machte ein ernstes Gesicht.

»Hat er sonst nichts erzählt?«, fragte er nach.

»Nein. Wieso? Was hätte er erzählen sollen?«

Dr. Schmied räusperte sich: »Ihr Mann hat mir erzählt, dass er sich schon seit Monaten mehr und mehr in finsteren Gedanken wie gefangen fühlt. Ihm ist klar, dass er eigentlich mit Ihnen und dem Baby allen Grund zur Freude hätte. Aber er kann sie nicht empfinden.«

Völlig baff starrte ich ihn an. »Was soll das heißen, er kann sie nicht empfinden?«

»Er kann die Freude nicht empfinden, die Sie und ihr Kind ausstrahlen. Ich fürchte, Ihre Mutter liegt richtig: Wir haben es mit einer handfesten Depression zu tun.«

»O nein! Und was machen wir jetzt?«

»Ich habe ihm zu einer Therapie geraten, aber er hat abgelehnt. Ich sage es Ihnen ganz offen: Es wäre gut, wenn er bald Hilfe bekäme. Sie sollten versuchen, ihn davon zu überzeugen.«

Ich wusste nicht, was ich dazu sagen sollte. Schließlich wusste Christian nicht einmal, dass Dr. Schmied und ich uns schon wegen dieser Untersuchung verschworen hatten. Wie sollte ich ein Gespräch also unauffällig genau auf dieses Thema lenken? Zumal mein Mann kaum noch mit mir sprach. Er verkroch sich mittlerweile gleich nach Feierabend ins Arbeitszimmer.

Ich dankte dem Arzt und schob den Kinderwagen aus der Praxis. Ein langer Spaziergang würde mir jetzt guttun. Während ich durch die warme Frühlingssonne schlenderte, zerbrach ich mir den Kopf.

Warum redete mein Mann nicht mit mir, wenn es ihm doch so schlecht ging? Und wie sollte ich ihn davon überzeugen, Hilfe anzunehmen? Ich beschloss, während unseres Saunabesuchs einen günstigen Zeitpunkt abzupassen, um das Thema anzuschneiden.

*

Endlich war das Wochenende da, und Christian und ich standen in der Umkleide der Thermen. Mein Mann verzog keine Miene.

»Hach«, schwärmte ich, »ich freue mich auf das türkische Dampfbad.«

»Ist bestimmt nicht schlecht«, antwortete er höflich.

Doch in seiner Stimme schwang wieder dieser monotone Unterton mit, der mir sagte, dass es ihm schlecht ging.

Während ich mich in der Sauna beim Orangenaufguss entspannte, betrachtete ich Christians Gesicht....