Dr. Daniel 110 - Arztroman - ... und diesmal sind es Freudentränen

von: Marie Francoise

Martin Kelter Verlag, 2017

ISBN: 9783740919436 , 100 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 1,99 EUR

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Dr. Daniel 110 - Arztroman - ... und diesmal sind es Freudentränen


 

»I’m dreaming of a white Christmas«, sang Bing Crosby mit seiner sanften, einschmeichelnden Stimme, während draußen vor dem Fenster dicke, flaumige Schneeflocken zu Boden taumelten. Hier in Steinhausen brauchte man von der weißen Weihnacht nicht nur zu träumen – man hatte sie schon direkt vor der Haustür.

Auch Dr. Robert Daniel stand nachdenklich am Fenster und schaute in den herrlichen Wintertag, der eigentlich Freude auf das bevorstehende Weihnachtsfest hätte wecken sollen.

»Ich fürchte, auf uns wartet morgen ein schwerer Tag«, meinte seine Frau Manon, die von hinten an ihn herangetreten war und nun beide Hände auf seine Schultern legte.

Dr. Daniel drehte sich zu ihr um und nickte. »Es wird sicher ein trauriger Heiligabend.«

Prüfend sah Manon ihn an. »Du denkst hoffentlich nicht, daß es ein Fehler war, Steffi und die Kinder einzuladen.«

»Nein, natürlich nicht«, bekräftigte ihr Mann sofort. »Es wäre vielmehr barbarisch, Steffi an diesem schweren Tag sich selbst zu überlassen – abgesehen davon, daß Stefan das ja ohnehin nicht getan hätte, aber ich denke, auch ihm wird es gut tun, im Kreis der Familie zu sein… sich geborgen zu fühlen.« Er schwieg einen Moment. »Aber das allein ist es gar nicht…« Sein Blick ging wieder hinaus in den Wintertag, und obwohl er den angefangenen Satz nicht beendete, konnte Manon leicht erraten, was in ihm vorging.

Vertrauensvoll lehnte sie sich an ihn. »Ich weiß schon, Liebling, da werden auch in dir traurige Erinnerungen wach.«

»Ja und nein«, entgegnete Dr. Daniel. Er sah sie wieder an und dabei lagen in seinem Blick Zärtlichkeit und Liebe. »Du weißt, wieviel du mir bedeutest, also wirst du mich auch bestimmt nicht falsch verstehen, wenn ich sage, daß jedes Jahr an Weihnachten in mir eine gewisse Melancholie aufkommt.«

Sanft streichelte Manon über seine Wange. »Christine war einmal der wichtigste Mensch in deinem Leben und sie wird immer in einem Teil deines Herzens bleiben. Immerhin war sie deine erste Frau, sie hat dir zwei Kinder geschenkt und ich kann sehr gut nachempfinden, wie schrecklich ihr Tod für dich gewesen ist.«

Liebevoll nahm Dr. Daniel seine Frau in die Arme.

»Ich liebe dich, Manon«, gestand er leise. »Du hast die Sonne in mein Leben zurückgebracht. Ich weiß nicht, was ich ohne dich täte.«

»Papa! Wann kommt denn endlich das Christkind?« fragte Tessa ungeduldig.

Lächelnd drehte sich Dr. Daniel um und nahm sein kleines Töchterchen auf den Arm. »Morgen ist Heiliger Abend, Mäuschen.«

»So lange noch?« entgegnete Tessa entsetzt.

Schmunzelnd betrachtete Dr. Daniel sie. »Ach komm, Prinzessin, die paar Stunden wirst du bestimmt aushalten. Du mußt ja wirklich nur noch ein ganz klein wenig Geduld haben.«

Tessa seufzte abgrundtief. »Ach, Papa, das verstehst du nicht. Ihr Erwachsenen kauft eure Geschenke ja selbst und meistens wißt ihr schon vorher, was ihr bekommt. Wir Kinder dagegen…«

Da mußte Dr. Daniel lachen. »Woher hast du denn diese Weisheit?«

Tessa fand das gar nicht lustig. Mit sehr ernstem Gesichtsausdruck sah sie ihren Vater an.

»Das weiß doch jedes Kind«, entgegnete sie altklug. »Außerdem habe ich ja gehört, wie Mama gesagt hat, daß sie sich eine süße Perlenkette wünscht und vor ein paar Tagen warst du mit mir…«

»Wirst du wohl ruhig sein!« fiel Dr. Daniel ihr hastig ins Wort. »Ich habe dir ausdrücklich gesagt, daß das eine Überraschung für Mama werden soll.«

Manon schmunzelte. »Ich habe ja auch gar nicht zugehört.« Sie küßte ihren Mann, streichelte Tessa über die langen tiefschwarzen Locken und ließ Vater und Tochter dann allein, um nicht noch mehr Geheimnisse zu erfahren.

»Ich glaube, ich hätte dich besser nicht ins Schmuckgeschäft mitnehmen sollen«, meinte Dr. Daniel, während er Tessa wieder auf den Boden stellte. »Im übrigen wünscht sich Mama keine süße Perlenkette, sondern eine Süßwasserperlenkette. Das ist ein kleiner Unterschied, Prinzessin.«

»Bei euch Erwachsenen ist ja immer alles kompliziert«, urteilte Tessa im Brustton der Überzeugung, dann neigte sie den Kopf ein wenig schräg und sah zu ihrem Vater auf. »Gehst du mit mir zum Schlittenfahren?«

Bedauernd schüttelte Dr. Daniel den Kopf. »Tut mir leid, Tessalein, ich muß in einer Viertelstunde wieder in die Praxis hinunter.«

Die Kleine zog ein beleidigtes Schmollmündchen. »Nie hast du Zeit für mich.«

»Das ist überhaupt nicht wahr«, verteidigte sich Dr. Daniel. »Ab morgen habe ich zwei Wochen Urlaub…«

»Und dafür bin ich heute den ganzen Tag für dich da«, fiel Dr. Jeff Parker seinem Schwiegervater ins Wort.

Erstaunt zog Dr. Daniel die Augenbrauen hoch. »Dein gestrenger Chefarzt gewährt dir tatsächlich vor Weihnachten schon einen freien Tag?«

»Mein lieber Robert, du solltest Professor Thierschs feinen Sinn für Humor eigentlich am besten kennen«, erwiderte Dr. Parker in unüberhörbar sarkastischem Tonfall. »Er hat mich heute und morgen beurlaubt, damit er mich für beide Weihnachtsfeiertage zum Dienst einteilen konnte.«

»Das ist bitter«, stimmte Dr. Daniel zu. »Konntest du ihn nicht dazu bewegen, dir wenigstens einen der Feiertage freizugeben.«

»Das war ein guter Witz«, urteilte Dr. Parker. »Seit wann kann man den Professor umstimmen, wenn er einen Entschluß gefaßt hat?«

»Da hast du auch wieder recht«, meinte Dr. Daniel.

»Ich bin auch noch da!« meldete sich nun Tessa zu Wort, dann schmeichelte sie sich an den Ehemann ihrer großen Schwester heran. »Gehst du mit mir Schlittenfahren? Papa hat nämlich keine Zeit und Stefano ist auch schon wieder in der Praxis unten.«

»Natürlich gehe ich mit dir Schlittenfahren«, versprach Dr. Parker und nahm seine kleine Schwägerin auf den Arm. »Mich haben nämlich auch alle alleingelassen. Karina hat Dienst und mein Bruder Perry ist mit Wuschel unterwegs.«

Tessa zog ein trauriges Gesichtchen, weil der kleine Hund, den sie über alles liebte, nicht mit von der Partie sein würde.

»Ich muß jetzt schnellstens in die Praxis hinunter«, erklärte Dr. Daniel, bevor Tessa ihrer Enttäuschung Ausdruck geben konnte. Er gab seinem Töchterchen einen Kuß. »Viel Spaß beim Schlittenfahren.« Dann sah er Dr. Parker sehr ernst an. »Eines noch, Jeff. Ich verlasse mich darauf, daß du mit Tessa nicht wieder zur Kreuzbergschneise gehst.«

Dr. Daniel wußte nämlich, daß Tessa dieses steile Bergstück liebte, er selbst erachtete es jedoch als viel zu gefährlich, um mit dem Schlitten herunterzufahren.

Mit treuherzigem Blick hob Dr. Parker die rechte Hand. »Großes Indianerehrenwort.«

»Kindskopf«, urteilte Dr. Daniel schmunzelnd, dann mußte er wirklich zusehen, daß er in seine Praxis hinunterkam. Die Nachmittagssprechstunde hätte eigentlich schon vor zehn Minuten angefangen.

In der Zwischenzeit war Tessa in ihr Zimmer gewieselt und hatte den Schneeanzug geholt, den sie nun in Windeseile anzog.

»Gehen wir wieder zur Kreuzbergschneise?« fragte sie dabei.

Dr. Parker schüttelte den Kopf. »Du hast selbst gehört, daß dein Vater es mir strikt verboten hat, mit dir dorthin zu gehen. Wir werden…«

»Bitte, Jeff«, bettelte Tessa und setzte dabei den Blick auf, bei dem normalerweise sämtliche Männer der Familie Daniel zu Wachs in ihren Händen wurden, aber diesmal schien er nicht zu ziehen, denn Dr. Parker blieb hart.

»Kommt nicht in Frage, Tessa.«

So schnell gab die Kleine allerdings nicht auf. »Ich werde Papa ganz bestimmt nichts verraten.«

Dr. Parker seufzte. »Du hast es wirklich faustdick hinter den Ohren, Prinzessin, aber auch wenn du mich noch so sehr bearbeitest – ich werde mich hier nicht in die Nesseln setzen. Dein Vater hat es mir verboten und ich halte mich daran. Andernfalls würde er mir nämlich die Ohren langziehen und gerade an Weihnachten will ich nicht aussehen wie ein Osterhase.«

Tessa kicherte, während sie in ihre Winterstiefel schlüpfte und zum Schluß noch die dicken Lammfellhandschuhe anzog. Über die Kreuzbergschneise verlor sie kein Wort mehr, weil sie spürte, daß Jeff heute nicht um den Finger zu wickeln war. Im übrigen war sie ja froh, daß sie überhaupt zum Schlittenfahren gehen konnte. Allein durfte sie nämlich noch nicht zum Berg hinüber und mußte mit dem kleinen Hügel hinter der Daniel-Villa vorliebnehmen.

Als Tessa dann auch noch ihre beste Freundin Julia traf, die sich mit ihrer Stiefmutter hier am Schlittenberg aufhielt, war ihre kleine Welt ohnehin in Ordnung. Der Nachmittag verging wie im Flug, und als Jeff die Kleine gegen Abend wieder nach Hause brachte, schlief sie schon fast im Stehen ein.

Dr. Daniel, dessen Sprechstunde ausnahmsweise einmal pünktlich zu Ende gewesen war, brachte sein Töchterchen dann gleich zu Bett, obwohl für Tessa eigentlich noch nicht Schlafenszeit gewesen wäre. Aber die Kleine protestierte auch gar nicht.

Die untergehende Sonne färbte den Himmel blutrot, und unwillkürlich mußte Dr. Daniel an die Geschichte denken, die seine Mutter ihm immer erzählt hatte, als er noch ein kleiner Junge gewesen war.

»Schau mal, Tessa.« Er deutete auf das herrliche Abendrot, das sein Töchterchen sogar vom Bett aus sehen konnte. »Die Englein backen jetzt Plätzchen.«

Mit großen Augen sah Tessa ihn an. Sekundenlang war ihre Müdigkeit wie weggeblasen. »Ehrlich?«

Dr. Daniel nickte ernsthaft. »Morgen ist Heiligabend, da müssen sie sich mächtig ranhalten.«

Tessa setzte sich im Bett auf und schmiegte sich an ihren Vater. Sie liebte es, wenn er abendsZeit hatte, um ihr Geschichten zu erzählen....