Das Bourne Enigma - Thriller

von: Robert Ludlum, Eric Van Lustbader

Heyne, 2018

ISBN: 9783641195618 , 544 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: frei

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Preis: 9,99 EUR

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Mehr zum Inhalt

Das Bourne Enigma - Thriller


 

PROLOG

Frankfurt, Deutschland

Als Jason Bourne das Hotel »Royal Broweiser« betrat, waren die Angestellten sofort zur Stelle. Sie waren zwar alle beschäftigt – Direktor Hummel duldete es nicht, dass auch nur einer untätig herumstand –, doch Herr Bourne war ein Gast, dem sie besondere Aufmerksamkeit zuteilwerden ließen. Er gab immer großzügig Trinkgeld, und so beeilten sie sich, ihm die drei luxuriösen Koffer abzunehmen. Sie selbst hätten für so ein teures Stück vermutlich sechs Monatsgehälter hinlegen müssen.

Bourne, ein breitschultriger, makellos gekleideter und offensichtlich wohlhabender Gentleman, hatte in den letzten drei, vier Monaten wiederholt in diesem Hotel eingecheckt. Er war Geschäftsmann und, nach seiner Statur zu schließen, regelmäßiger Gast im Fitnessstudio. Mit seiner freundlichen, leutseligen Art und seinen leicht schlüpfrigen Witzen war er bei den Pagen überaus beliebt, die sich alle Mühe gaben, ihm jeden Wunsch von den Augen abzulesen.

An diesem Vormittag wurde Bourne zu seiner gewohnten Suite geleitet, und Direktor Hummel ließ ihm eine Spezialitätenplatte aufs Zimmer bringen. Sobald er allein war, trat er ans Fenster, von dem er den Thurn-und-Taxis-Platz in der Altstadt überblickte, und zog sein Handy hervor. Er wählte eine Kurzwahlnummer, und Augenblicke später meldete sich eine weibliche Stimme.

»Ich bin im Hotel«, berichtete er. »Wie lange muss ich warten?«

»Nur ein paar Tage.« Ihre Stimme wärmte ihn innerlich. »Wir überwachen ihn, er wird sich bald auf den Weg machen.«

»Ein paar Tage …«

»Jetzt werd nicht ungeduldig«, beschwichtigte sie ihn. »Hast du eine Ahnung, wie aufwendig es war, eine vertrauliche Mitteilung des FSB abzufangen und stattdessen unsere eigene weiterzuleiten, damit Wanow sich mit dir trifft, und nicht mit Bourne?«

»Keiner weiß das besser als ich, Irina.« Der Mann, der sich als Jason Bourne ausgab, spürte ein Ziehen in den Lenden. »Trotzdem. Was soll ich hier so lange machen?«

»Ich weiß, dass du Frankfurt nicht magst, Jason.«

»Ich mag es, wenn du mich Jason nennst.«

»Kann ich mir vorstellen«, lachte Irina. »Du bist zu verkrampft. Such dir irgendwas zur Entspannung.«

»Da wüsste ich nur dich«, erwiderte er fast sehnsüchtig.

»Jetzt komm schon, mein Tierchen«, flüsterte sie. »Du kannst doch sicher …«

Er unterdrückte ein Stöhnen, doch sie schien es gehört zu haben.

»Was tust du da, Jason?«

»Das weißt du genau.« Er hatte den Hosenschlitz geöffnet und massierte mit der rechten Hand seine Erektion. »Entspannen.«

»Dann lass mich dir wenigstens helfen«, gurrte Irina zärtlich.

Hinterher wischte er das Fenster mit einem feuchten Waschlappen ab. Er schlüpfte in den weichen Bademantel und die Pantoffeln, die zur Ausstattung der Suite gehörten, schlurfte auf den Flur hinaus und fuhr mit dem Aufzug in den Wellnessbereich hinunter. Unter einer heißen Regenwalddusche reinigte er Körper und Geist.

Zurück in der Suite, zog er frische Kleider an und verließ das Hotel. Unter dem grau verhangenen Himmel spazierte er zu einem Café am Römerberg, wo er etwas zu üppig zu Mittag aß. Danach besichtigte er den Kaiserdom und die Paulskirche. Den folgenden Tag verbrachte er im Zoo und sah einem männlichen Löwen in die Augen, der irgendwie nach Tod roch. Bourne konnte Zoos noch weniger ausstehen als die Stadt Frankfurt und die Deutschen ganz allgemein. Dass man so prächtige Geschöpfe einsperrte, erschien ihm als eine Sünde, die sich die ewige Verdammnis verdient hatte, an die er als Pragmatiker und Atheist natürlich nicht glaubte.

Er dankte den Göttern und Dämonen, als Irina am nächsten Tag anrief.

»Er ist soeben gelandet«, meldete sie. »Er sollte in einer Stunde im Hotel sein.«

Der Morgen war genauso grau und hässlich wie an den Tagen zuvor. Zu allem Überfluss regnete es auch noch. Diese Stadt würde mich krankmachen, dachte er, als er die Verbindung trennte. Aber jetzt würde er es gleich hinter sich haben. Er spürte das Adrenalin in den Adern pulsieren.

Endlich ging es los.

Hauptmann Maksim Wanow vom russischen Inlandsgeheimdienst FSB war innerlich aufgewühlt, als er in der offiziellen Funktion eines Kulturattachés im Hotel eintraf. Er war zum ersten Mal in Deutschland, dem einstigen Feind seiner russischen Heimat. Sein Großvater war in der heldenhaften Schlacht um Stalingrad gefallen. Wanow hatte von klein auf gelernt, dass die von den Vorfahren erbrachten Opfer nie in Vergessenheit geraten durften. Als ihm der Page die Tür zu seinem Hotelzimmer öffnete, schüttelte er den Regen von seinem Trenchcoat. Der Angestellte hängte seinen Mantel auf, erklärte ihm die Ausstattung des Zimmers und wartete, bis ihm Wanow ein paar Euro in die feuchte Hand gedrückt hatte.

Wanow zog die alte Bronzemünze hervor, die er an einer Halskette trug, seit General Karpow sie ihm gegeben hatte. Er hielt sie in der Hand, bis sie warm wurde, und ließ sie widerstrebend los.

Er konnte nicht länger warten, griff nach dem Telefon und erkundigte sich nach Jason Bourne.

»Ist er im Hotel?«, fragte Wanow in annehmbarem Deutsch.

»Ich glaube, Herr Bourne frühstückt heute auf seinem Zimmer. Soll ich Sie ankündigen?«

»Nicht nötig«, antwortete Wanow. »Ich bin ein alter Freund und möchte ihn überraschen.«

Das schien den Mann an der Rezeption zu überzeugen. »Alles klar, Herr Wanow. Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Tag.«

»Auch Ihnen einen angenehmen Tag«, gab der Russe höflich zurück.

Er verließ sein Zimmer und fuhr mit dem Aufzug ins oberste Stockwerk. An der Tür zu Jason Bournes Suite ergriff ihn eine ungewohnte Nervosität, und er zögerte einen Augenblick. General Karpow hatte ihn für diese streng geheime und überaus wichtige Mission ausgewählt. Der große General verließ sich auf ihn, und er wollte es nicht vermasseln. Alles musste so laufen, wie es der General geplant hatte.

Auf sein zögerliches Klopfen hin wurde die Tür geöffnet, und da stand er: Jason Bourne persönlich. Bekleidet mit Polohemd, Jeans und Slippern ohne Socken. Statur und Gesicht entsprachen in etwa der Beschreibung, die er erhalten hatte.

»Jason«, begann Wanow, wie ihn der General angewiesen hatte, »ich arbeite mit Ihrem alten Freund Boris zusammen.«

Bourne zog die Stirn in Falten. »Boris?«

»Karpow«, präzisierte Wanow. »Boris Karpow.«

»Ah, ja. Bitte.« Bourne ließ ihn eintreten und deutete auf ein Sideboard. »Einen Drink?«

Wanow hob abwehrend die Hand. »Nicht heute.«

»Und Sie sind?«

»Hauptmann Wanow.« Der Russe checkte mit einem kurzen Blick, ob noch jemand im Zimmer war – eine Frau vielleicht –, doch er sah niemanden. »Wir haben wichtige Dinge zu besprechen.«

»Ja?« Bourne hob neugierig eine Augenbraue. »Dann sollten wir das tun.« Er trat zum Sofa im Wohnbereich der Suite. »Machen wir es uns bequem.«

»Wenn es Ihnen nichts ausmacht, stehe ich lieber.«

Bourne musterte ihn leicht erstaunt, nickte aber. »Wie Sie möchten.« Er ging zu Wanow zurück. »Warum ist Boris nicht selbst gekommen?«

Wanow lachte. »Das meinen Sie wohl nicht im Ernst. Er hat mit seiner bevorstehenden Hochzeit alle Hände voll zu tun.«

Bourne ärgerte sich im Stillen über den Lapsus.

Wanow zog die Bronzemünze an der Kette hervor und zeigte sie Bourne. »Der General hat mich geschickt, damit ich Ihnen das hier gebe.« Er griff sich in den Nacken, öffnete den Verschluss der Kette und legte sie mit der Münze in Bournes aufgehaltene Hand. »Er hat gesagt, Sie wüssten Bescheid.«

Bourne betrachtete die Münze frustriert. »Leider nicht.« Er blickte zu Wanow auf. »Erklären Sie es mir doch bitte.«

Wanow öffnete den Mund, um zu antworten, zögerte dann aber. Irgendetwas stimmte hier nicht, das hatte er gleich gespürt, als Bourne ihm die Tür geöffnet hatte. Die Frage war, was.

»Wanow?« Bourne trat auf ihn zu. »Ist irgendwas? Sie sind auf einmal so blass.«

»Nitschewo. Ya prosto tschuwstwowal, cholod«, antwortete der Russe. Es ist nichts. Mir ist nur ein bisschen kalt.

»Prostite menja za to chto y tak goworu«, gab Bourne zurück, »no eto ne meloche.« Verzeihen Sie, wenn ich das sage, aber es hat nicht so ausgesehen, als wäre es nichts.

Wanow trat abrupt zurück und stieß gegen das Sofa. »Sie sind nicht Jason Bourne«, behauptete er. »Der General hat mich eingehend informiert. Bourne spricht den typischen Moskauer Dialekt. Ihrer klingt nach Tschertanowo.«

Bourne lächelte breit. »Ich war in den letzten Jahren viel in den Moskauer Slums unterwegs, auch in Tschertanowo. Natürlich hat sich mein Akzent ein bisschen verändert.«

Wanow schüttelte den Kopf. »Sie können mich nicht täuschen – wer immer Sie sind.«

Er griff nach der Münze in Bournes Hand, doch dieser war schneller. Bourne hämmerte dem Russen die Fingerknöchel in die Kehle. Wanow stürzte würgend zu Boden und fasste sich an den Hals. Mit Tränen in den Augen rang er nach Luft.

Bourne ging neben ihm in die Hocke. »Ich will nicht lange darüber diskutieren, ob ich nun Jason Bourne bin oder nicht.«

Er öffnete die Faust, und die Münze wurde sichtbar. In diesem Moment ließ Wanow sein Bein hervorschnellen und brachte Bourne mit einem Tritt gegen das Knie zu Fall. Wanow setzte mit drei Handkantenschlägen nach, bis...