Deep Danger (3) - Roman

von: J. Kenner

Diana Verlag, 2018

ISBN: 9783641222413 , 320 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: frei

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Preis: 8,99 EUR

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Deep Danger (3) - Roman


 

1

Anscheinend war sie geradezu besessen von Sektquirls.

Noah versuchte, sich auf die Worte seines Dates zu konzentrieren, aber das war gar nicht so einfach. Unaufhörlich drehte sie das Plastikstäbchen zwischen den Fingern, hob es dann an ihre kirschroten Lippen und leckte mit der Zungenspitze kleine Tröpfchen der Flüssigkeit davon ab.

Wahrscheinlich hielt sie das für sexy. Glaubte, ihn hart zu machen, indem sie die Zunge an dem dünnen Stab entlanggleiten ließ.

Aber weit gefehlt.

Und wahrscheinlich war das auch gut so. Immerhin hatte er heute Abend eigentlich gar nicht ausgehen wollen.

Oder – Korrektur – er hatte kein richtiges Date haben wollen. Er hatte lediglich jemanden aufreißen wollen. Einen One-Night-Stand, durch den er sämtliche Dämonen austreiben konnte, die immer mehr wurden und immer heftiger in ihm wüteten. Denn auch seine Arbeit konnte die Erinnerungen oder die Schuldgefühle nicht länger in Schach halten.

Er wünschte sich ein heißes, schnelles intimes Erlebnis ohne Verpflichtungen und absolut ohne Ziel außer der gegenseitigen Befriedigung der Teilnehmenden. Ihrer Befriedigung in Form des explosiven Orgasmus, den er ihr mit Freuden verschaffen wollte. Seiner Befriedigung, die im Vergessen bestand und darin, den Geistern und Erinnerungen zu entkommen. Er wollte sich in erotischen Empfindungen verlieren und in der tröstlichen Gewissheit, dass er zwar zwei Frauen vollkommen zerstört hatte, aber dieser Frau zumindest Lust bereiten konnte.

Korrektur. Drei Frauen. Er hatte drei Frauen zerstört.

Die Stimme in seinem Kopf war barsch. Erbarmungslos. Und er zuckte zusammen, als habe man ihm einen Schlag versetzt.

Drei Frauen, ja. Aber nicht wirklich. Zwei Frauen und ein Kind.

Darla, seine Ehefrau.

Kiki, seine Geliebte.

Und die kleine Diana, die nicht einmal ihren ersten Geburtstag hatte erleben dürfen. O Gott.

Sein Magen rebellierte, und er kämpfte gegen den Drang an, die Augen zu schließen, um die Erinnerungen, die nun auf ihn einstürmten, in Schach zu halten. Der leblose Körper seiner süßen Diana, ein Bild so scharf, klar und schrecklich wie die Wirklichkeit vor all den Jahren.

Er würde es nie vergessen – zum Teufel, er wollte es nie vergessen.

Aber jetzt war es fast neun Jahre her, seit Darla und Diana in Mexico City gekidnappt worden waren, und seine Freunde hatten recht – er musste das alles hinter sich lassen. Seine Frau und seine Tochter gab es nicht mehr, er aber war noch hier. Lebendig und gesund, und er tat verdammt noch mal alles, um sich aus dem Morast aus Schuld und Verlust zu befreien und seine Gefühle in Schach zu halten. Indem er zahllose Überstunden machte und sich heimliche Augenblicke sexueller Befriedigung gönnte, die eigentlich nie wirkliche Erleichterung brachten, außer der beständigen Illusion, dass sie irgendwann vielleicht doch helfen würden.

Und das führte seine Gedanken wieder zurück zu Evie und ihrem Sektquirl.

»Sie ist Anwältin in L. A., verbringt aber die meiste Zeit in Austin«, hatte sein Freund Lyle ihm erklärt und darauf bestanden, dass Noah mit Evie etwas trinken gehen sollte. »Sie ist hübsch, klug und witzig. Und wenn es zwischen euch nicht funkt, dann hattest du zumindest einen netten Abend. Also Augen zu und durch, okay?«

Noah hatte eigentlich Nein sagen wollen. Aber er wusste auch, dass er langsam anfangen musste, wieder ins Leben zurückzukehren.

Also machte er seinen Anfang mit Evie. Und Lyle hatte recht. Sie war klug, und sie war hübsch.

Sie war zwar nicht wie die anderen namenlosen Frauen, die er sonst aufgabelte, aber sie war wahrscheinlich gut im Bett, und bei Gott: Heute Abend brauchte er irgendjemanden. Er brauchte diese wenigen Augenblicke vollkommenen Vergessens.

Die vergangene Woche war schlimmer gewesen als die meisten, und wenn Evie ihm ein wenig Erleichterung verschaffte, umso besser …

Noah lehnte sich in seinem Ledersessel zurück und musterte sie. Sie saßen verborgen in einer dunklen Nische der Bar, ein kleiner Cocktailtisch zwischen ihnen. Sie hatte aufgehört, an dem Sektquirl zu nuckeln, und benutzte ihn nun als Zeigestock.

»Ich habe dieses Hotel immer schon geliebt«, sagte sie und deutete auf die Bar, die im Texas-Country-Stil eingerichtet war. Der ausgestopfte Kopf eines Longhorn-Rinds ragte über dem Kamin hervor. Die Ölgemälde zeigten Szenen auf einer Ranch. Die Sofas waren mit Kuhfellen und Leder überzogen.

Bevor er vor sechs Monaten nach Austin gezogen war, hatte er sich eingebildet, dass es in ganz Texas so aussah wie in dieser Bar. Er war ziemlich erleichtert gewesen, als er merkte, dass er sich geirrt hatte.

Es war Mittwochabend, aber trotzdem war das Lokal brechend voll. Das Driskill Hotel galt seit dem 19. Jahrhundert als Wahrzeichen Austins, und Noah hatte Restaurant, Bar und Räumlichkeiten schon während seiner ersten Wochen in Austin kennengelernt. Damals wurde seine Wohnung noch renoviert, weshalb er zehn Tage in einer der Suiten gewohnt hatte, bis sie fertig war.

»Hier spukt es, musst du wissen«, sagte er zu ihr.

»Ja, das erzählt man sich, aber ich wohne trotzdem immer hier, wenn ich aus L. A. herüberkomme, und ich habe noch nie einen Geist gesehen. Ich sage ihnen immer, ich will eines dieser Spukzimmer, aber das Glück hatte ich nie.«

»Glück«, wiederholte er. Er selbst bemühte sich nach Kräften, die Geister in seinem Leben zu meiden, deshalb war er sich nicht so sicher, ob er ihre Einschätzung teilte. »In der Theorie klingt das faszinierend, aber hättest du denn keine Angst? Oder bist du kein ängstlicher Typ?« Die letzte Frage ließ er fast neckend klingen. Denn er mochte sie. Es war nicht ihre Schuld, dass sie sich mit einem Mann verabredet hatte, der ein Deluxe-Problempaket mit sich herumtrug. Und es wurde tatsächlich langsam Zeit; er musste wieder anfangen, sich zu verabreden, nicht nur herumzuvögeln. Er musste wieder am Leben teilnehmen.

»Ängstlich? Ach, ich bitte dich.« Sie winkte ab. »Ich bin schließlich Anwältin, wie du weißt. Das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum ich noch nie einen gesehen habe. Die Geister haben eher Angst vor mir

Er lachte, und sie grinste. Ihr Lächeln erhellte die dunkle Bar. Einen Augenblick lang trafen sich ihre Blicke, und ihm schoss der Gedanke durch den Kopf – vielleicht.

»Möchtest du noch einen?« Mit einem Kopfnicken deutete er auf ihren Frucht-Cocktail. Er hatte schon ausgetrunken – zwei Shots Bourbon, ohne alles – und wollte keinen weiteren Drink. Aber plötzlich war die Luft voller Verheißung, und er brauchte Zeit, um sich darüber klar zu werden, was er jetzt tun wollte. Sich hineinstürzen … oder eine Ausrede erfinden und den Abend beenden.

»Ich würde gern noch etwas trinken«, sagte sie. »Und mich weiter mit dir zu unterhalten wäre sogar noch besser. Aber man kann sich hier gar nicht richtig verstehen, und langsam glaube ich, dass mein Stuhl auf irgendeine Weise zur Geisterwelt gehört. Ich werde bestimmt gleich in dieses Polster hineingesogen und komme in einer anderen Dimension wieder heraus.«

Ihre Augen blitzten, und er wusste, worauf sie hinauswollte. Was er allerdings immer noch nicht wusste, war, ob er ihr dorthin folgen wollte.

»Meine Suite ist nur ein paar Stockwerke entfernt«, sagte sie. »Eindeutig leiser. Allerdings unordentlich – ich habe meine Akten auf dem ganzen Couchtisch verteilt. Aber das Sofa ist gemütlich, und die Hausbar ist gut ausgestattet …«

Sie verstummte mit einem winzigen einladenden Schulterzucken.

»Und morgen hast du keine Termine«, fuhr er für sie fort, denn das hatte sie ihm heute Nachmittag schon erzählt. Ihr Fall war in der Mittagspause abgeschlossen worden, als ihr Mandant seine Klage zurückgezogen hatte. Plötzlich hatte sie nicht nur den ganzen Abend, sondern auch einen Großteil des darauffolgenden Tages frei, denn sie hatte ihren abendlichen Flug zurück nach Los Angeles nicht mehr umbuchen können.

»Stimmt«, sagte sie und hob ihre Tasche auf den Schoß, als wolle sie die Bar verlassen. »Wir können uns die ganze Nacht unterhalten. Oder auch nicht«, fügte sie kühn hinzu, als ob er die Richtung, in die diese Unterhaltung ging, hätte fehlinterpretieren können.

»Schweigen ist oftmals Gold.« Er schlug einen leichten Ton an. Flirtete. Aber innerlich war er immer noch nicht mit sich im Reinen.

Im Geiste hörte er Lyles Stimme. »Ich sage ja nicht, dass du sie gleich heiraten musst. Aber geh mal wieder aus. Lass dich auf die Welt da draußen mal wieder ein. Fang wieder an zu atmen, Mann. Vertrau mir. Das ist es wert.«

Kein Wunder, dass Lyle so dachte. Genau wie Noah hatte er sich früher von allem ferngehalten, was einer richtigen Beziehung ähnelte. Aber dann war Sugar Laine in sein Leben getreten. Jetzt war Lyle glücklicher denn je, und Noah wusste, dass das Sugars Verdienst war.

Noah war nicht wie Lyle, aber vielleicht hatte sein Freund trotzdem recht. Und ehrlich gesagt wusste Noah schon seit Monaten – zum Teufel, eigentlich seit Jahren –, dass es höchste Zeit für einen Neubeginn war. Zeit, mit den schnellen, kleinen, schmutzigen One-Night-Stands aufzuhören, die seinen Schmerz sowieso nicht lindern konnten.

Zeit, seine Wunden heilen zu lassen.

Doch irgendwie brachte er dazu nie die nötige Begeisterung auf. Oder vielleicht war auch das nur eine Ausrede. Wieder eine Möglichkeit, sich selbst zu bestrafen, weil er die Frau, die er liebte,...