Die Macht der Rhetorik - Besser reden - mehr erreichen

von: Roman Braun

Redline Verlag, 2018

ISBN: 9783962670115 , 320 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 15,99 EUR

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Mehr zum Inhalt

Die Macht der Rhetorik - Besser reden - mehr erreichen


 

2. Typus – Ihre drei Rollen als Redner


Am Anfang schon das Ende im Sinn haben oder – die drei Grundtypen einer Rede
Alles hat heute seinen Gipfel erreicht, aber die Kunst, sich geltend zu machen, den höchsten.
(Balthasar Gracián)
Chancen nutzen. Wolfgang ist Verkaufsdirektor eines großen Direktvertriebs. Selbstständige Verkaufsleiter betreuen kleine Gruppen von Verkäufern. Die Zielgruppe für ihre Finanzdienstleistungen sind Familien. Die Verkaufsleiter haben viel zu tun, die Verkäufer mit Kontaktmöglichkeiten zu Kunden zu versorgen, die Produktunterlagen und Kundenverträge aktuell zu halten und daneben auch selbst zu verkaufen. Darüber hinaus suchen Verkäufer permanent mentale Unterstützung. Würde sich jeder Verkaufsleiter für eine dieser Aufgaben spezialisieren, könnten Sie den Betreuungsaufwand insgesamt erheblich senken.
Wolfgang hatte bereits einige Anläufe versucht, die Verkaufsleiter wollten dieser Veränderung jedoch nicht. Einige aus Bequemlichkeit, andere weil sie sich nicht in die Karten schauen lassen wollen. Im Rahmen eines groß angelegten Meetings in einem teuren Hotel erläutert Wolfgang erneut die Vorteile einer intensiven Kooperation. Der Zeitpunkt ist günstig, eine Reihe junger Verkaufsleiter hat die Riege ergänzt. Sie sind unvoreingenommen und offen für Neues.
Wolfgang hat sich eine Liste aller Vorteile zurechtgelegt und erläutert sie nun anhand praktischer Beispiele. Doch je mehr er in das Thema eindringt, desto häufiger kommt er auf gegenwärtige Missstände zu sprechen:
„Es reicht doch, wenn sich einer unter Ihnen um die Kundenverträge kümmert. Es ist wirklich nicht notwendig, dass jeder Verkaufsleiter seine eigenen Vertragsformulare hortet. Wenn neue Verträge einzuführen sind, sitzen Sie in Gruppen zu fünf oder acht Leuten beisammen und sprechen darüber. Das ist extrem unproduktiv. So können wir nicht weiterarbeiten. Sie wissen, ich habe Sie schon oft genug gebeten, das in Angriff zu nehmen.“
Nach einer Stunde des Tadelns sitzen die Verkaufsleiter wie begossene Pudel da, sie fühlen sich wie festgenagelt auf einer Anklagebank. Insbesondere die Jungen finden das ungerecht, sie haben eingefahrene Abläufe übernommen. Trotzdem müssen sie sich diese Tirade anhören. Wolfgang hat mit seiner Rede eine weitere Chance vertan, die Abläufe in seiner Abteilung sinnvoll zu verändern.
Wolfgang war sich offensichtlich vorher nicht klar: Soll das ein Scherbengericht werden oder Motivation für Neues? Beides zugleich geht nicht, ihre Energien heben sich auf. Wenn Sie sich vor einer Rede nicht Ihre Absichten klarmachen, werden Sie sie auch nicht erreichen. Sie handeln wie der Pilot eines Flugzeuges, der seine Maschine einfach startet, ohne zu wissen wohin. Wenn er sich während des Fluges entschließt, einen bestimmten Flughafen anzusteuern, kann es sein, dass er dafür zu wenig Treibstoff hat, er dort nicht landen darf oder das Wetter die Landung nicht erlaubt.
Klare Rollen. Stellen Sie sich vor jeder Rede folgende Frage: Was will ich erreichen? Was soll während der Rede geschehen? Was soll in den Köpfen und Herzen des Publikums passieren? Was sollen die Zuhörer nach einer Rede wissen, wollen und tun? Was soll sich in ihnen verändert haben, wenn Sie erfolgreich waren? Um diese Fragen leichter zu beantworten, lassen wir sie jetzt an den neuesten Erkenntnissen zu diesem Thema teilhaben – auch wenn diese Erkenntnisse eigentlich schon sehr alt sind und bloß zwischenzeitig in Vergessenheit gerieten: Vor mehr als 2.300 Jahren entwickelte ein Mann in Griechenland ein umfassendes und detailliertes Modell der Redegewandtheit. Der Mann hieß Aristoteles, das Werk heißt „Rhetorik“.
... daher wird man wohl von
drei Redegattungen sprechen müssen,
der Beratungs-, Gerichts- und Festrede.
(Aristoteles)
Alle Reden, Vorträge, Gespräche lassen sich diesen drei Gattungen zuordnen. Vom Typ der Rede hängt auch die Rolle und die Qualität unserer Energie als Vortragender ab. Wir unterscheiden die Energien von
Mentor(für den Redner in der Beratungsrede),
Macher(für den Redner in der Gerichtsrede) und
Muse(für den Redner in der Festrede).
Diese drei Rollen sind von Aristoteles abgeleitet und machen Rhetorikschülern die zu den einzelnen Redetypen passenden Energien klarer. Auch die Unterscheidungen der drei Absichten innerhalb der einzelnen Redetypen sind Ergänzungen von uns, die sich aus der Arbeit mit Sprachmagiern ergaben und in der Redepraxis bewährt haben.
Was das Typische an den drei Rollen und Energien des Redners ist, welche die daraus resultierenden neun Absichten sein können und wie Sie von Ihnen erfolgreich eingesetzt werden können, darum geht es in diesem Kapitel.

Der Mentor


Die Rede an der Berliner Mauer von John F. Kennedy
Das Bild auf der Vorderseite des Buches: 26. Juni 1963, Westberlin, an der Mauer. John F. Kennedy spricht zu den Westberlinern. (Es folgt eine deutsche Übersetzung eines Teils der Rede. Unterstrichenes hat Kennedy auf Deutsch gesagt.)
Tosender Applaus. Die Menge skandiert „Ken-ne-dy! Ken-ne-dy! Ken-ne-dy! ... “
Vor zweitausend Jahren – [Kennedy wird durch Applaus unterbrochen] – Vor zweitausend Jahren war der stolzeste Ausruf: „Civis Romanus sum!“ Heute in der freien Welt ist der stolzeste Ausruf: „Ich bin ein Berliner!“ [Tosender Applaus der Menge]
Es gibt viele Menschen auf der Welt, die wirklich nicht verstehen – oder sagen, dass sie nicht verstehen –, was das größte Thema ist zwischen der freien Welt und der kommunistischen Welt. Lasst sie nach Berlin kommen! [Applaus]
Es gibt einige, die sagen: „Kommunismus ist die Welle der Zukunft.“ Lasst sie nach Berlin kommen! [Applaus]
Und da sind einige, die in Europa und anderswo sagen: „Wir können mit den Kommunisten arbeiten.“ Lasst sie nach Berlin kommen! [Applaus und Jubelrufe]
Und es gibt sogar einige, die sagen: „Ja, es stimmt, dass der Kommunismus ein böses System ist, aber es ermöglicht uns wirtschaftlichen Fortschritt“. Lass’ sie nach Berlin kommen! Lasst sie nach Berlin kommen!
Freiheit hat viele Schwierigkeiten, und Demokratie ist nicht perfekt. Aber wir mussten niemals eine Mauer errichten, um unser Volk drinnen zu halten, um sie am Gehen zu hindern.
[Die Menge jubelt.]
...
Alle freien Menschen, wo immer sie leben mögen, sind Bürger von Berlin. Und deshalb, als freier Mann, sage ich mit stolz: „Ich bin ein Berliner!“ [Die Menge applaudiert und jubelt noch lange. Kennedy geht ab.]
Viele Erkenntnisse dieses Buches basieren auf unseren Untersuchungen der Reden John F. Kennedys. Egal wie man politisch zu ihm steht, er war der bedeutendste Redner der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Schon dieser Auszug aus der „Rede an der Berliner Mauer“ macht klar, warum. Verwenden Sie dieses und die anderen Beispiele, um Ihre zunehmende rhetorische Kompetenz am Erkennen der verwendeten Techniken zu prüfen. Unter anderem sehen wir hier Kennedys gekonnten Umgang mit rhetorischen Figuren wie der Epipher und dem Kyklos (siehe Kapitel 9). Darüber hinaus zeigt er in dieser Rede alle Merkmale des Mentors. Zu einer Zeit und in einer Situation, in der sein Publikum, die Westberliner, Mentoren wirklich nötig hatten. Sie waren vom sowjetisch besetzten Ostdeutschland eingeschlossen und man hatte ihre Heimatstadt gerade erst mit einer Mauer geteilt. Er zeigte, dass er ihnen zustimmt, beriet sie, mit dieser Situation umzugehen, und ermutigte sie durchzuhalten.
Die drei Absichten des Mentors:
•Zustimmen
•Beraten
•Ermutigen
Zustimmen
Das Verborgene. 1996 fragte ein amerikanisches Magazin: „Wer kommt in den Himmel?“ Weit vorne lag Mutter Teresa mit 91%, gefolgt von der Talkshowmasterin Oprah Winfrey mit 80%, dem Basketballspieler Michael Jordan mit 72%, Hillary Clinton 55%, Bill Clinton 45% und dem freigesprochenen O. J. Simpson 22%. Noch interessanter wurden die Ergebnisse dadurch, dass eine weitere Person mit 97% vor Mutter Teresa rangierte, nämlich jeweils der Befragte selbst. Das heißt, dass der durchschnittliche Amerikaner sich als würdiger für himmlische Ehren erachtet als Mutter Teresa! Was wir daraus ablesen können ist, wie sehr jeder Einzelne um seine eigenen guten Absichten weiß. Wir wissen auch, dass wir diese guten Absichten oft genug ungeschickt verwirklichen. Manchmal wird daraus sogar das Gegenteil von dem, was wir wollen.
Lob der Zustimmung. Als Redner zeigen wir höchste Kompetenz, wenn wir erkennen lassen, dass wir darüber Bescheid wissen, dass wir hinter die Fassade unserer Handlungen schauen und die guten Absichten dahinter erkennen...