Transösophageale Echokardiografie - Lehrbuch und Atlas zur Untersuchungstechnik und Befundinterpretation

von: Heinz Lambertz, Harald Lethen

Georg Thieme Verlag KG, 2018

ISBN: 9783132422568 , 468 Seiten

4. Auflage

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 199,99 EUR

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Mehr zum Inhalt

Transösophageale Echokardiografie - Lehrbuch und Atlas zur Untersuchungstechnik und Befundinterpretation


 

1 Entwicklung der transösophagealen Echokardiografie, technische Fortschritte


H. Lambertz

1.1 Geschichtliche Entwicklung


„Ultraschall-Kardiografie“ Nach Entdeckung des piezoelektrischen Effektes durch die Brüder Curie im Jahre 1880 wurde der diagnostische Ultraschall im Rahmen der Hirnforschung 1941 durch K. Dussik eingesetzt. D. Howry konnte erstmals 1952 mithilfe des Ultraschalls Weichteile des menschlichen Körpers im Schnittbild (Tomogramm) sichtbar machen. Die erste kardiologische Anwendung erfolgte 1950 durch den Physiologen W. D. Keidel ▶ [24]. Er versuchte, die Ultraschall-Absorptionsänderungen, die durch Volumenschwankungen des Herzens hervorgerufen werden, zu registrieren ( ▶ Abb. 1.1). Die AbsorptionUltraschallabsorption des von dorsal in den Thorax eingebrachten Ultraschalls ist umso größer, je geringer das Herzvolumen ist, weil zur Zeit des kleinsten Herzvolumens mehr lufthaltige Lunge als Herzmuskel und Blut vom Ultraschall durchlaufen werden. Auf der Suche nach einer nicht invasiven Methode zur quantitativen Diagnostik der Mitralklappenfehler haben der Kardiologe I. Edler und der Physiker C. H. Hertz 1954 erstmals das Ultraschall-Laufzeitverfahren eingesetzt und ihm den Namen „Ultraschall-Kardiografie“ gegeben ▶ [14]. Sämtliche heutigen Verfahren basieren auf der grundlegenden Arbeit von Edler und Hertz aus dem Jahre 1954. Im Rahmen von Patentgesprächen mit der Firma Siemens (s. Aktennotiz Siemens vom 18.12.1953, ▶ Abb. 1.2) wurde damals bereits der Bau eines „Speiseröhren-Schallkopfs“ ins Auge gefasst.

Abb. 1.1 Abb. 1.1 Erste kardiologische Anwendung des Ultraschalls durch Keidel im Jahre 1950 (Originalabbildung aus dem Kongressbericht der Erlanger Ultraschalltagung 1949) ▶ [24].

(Quellenangaben: (Originalabbildung aus dem Kongressbericht der Erlanger Ultraschalltagung 1949) [Eingeschränkte Nutzungsrechte])

Abb. 1.2 Abb. 1.2 Auszug aus dem Gesprächsprotokoll des Entwicklungsgespräches der Firma Siemens mit I. Edler und C. H. Herz vom 18. Dezember 1953 in Erlangen. Edler wünschte sich schon damals einen „Speiseröhren-Schallkopf“, von dem er sich einen besseren Zugang zum Herzen erhoffte. Zwei Muster konnten ihm bereits 1953 in Erlangen übergeben werden (Quelle: Siemens Archiv).

(Quellenangaben: (Quelle: Siemens Archiv) [Eingeschränkte Nutzungsrechte])

Mitralklappenfehler Nach Einführung der Methode stand die Diagnostik der Mitralklappenfehler ganz im Vordergrund des klinischen Einsatzes, weil die Mitralklappenbeweglichkeit auch bei geringer Auflösung der damaligen Geräte relativ leicht erfasst werden konnte. Die echokardiografische Reflexion der Mitralis wurde in der ersten Zeit als Bewegung der vorderen Wand des linken Vorhofes aufgefasst. Nach entsprechenden Untersuchungen von Edler mithilfe von Durchstechungsversuchen an der Leiche und von Effert durch Aufsetzen des Ultraschallkopfes unmittelbar auf die Vorhofwand während der Mitralklappenoperation musste diese Auffassung revidiert werden.

Vorhoftumoren und -thromben 1954 erfolgte die erste echokardiografische Deskription eines Perikardergusses und 1959 wurden die ersten Echokardiogramme intraatrialer Tumoren und großer Thromben vor sowie nach operativer Entfernung erstmals von Effert publiziert ▶ [467]. Seit 1959 konnte das Echokardiogramm auf Direktschreibern und somit synchron mit anderen kardiologischen Funktionsparametern registriert werden. Feigenbaum ist es zu verdanken, dass mit der Verbesserung der Apparaturen unter Einführung sog. Sektor-Scanner, bei denen durch Schwenken des Schallgebers Schnittbilder des Herzens entstehen, die Methode über die Diagnostik der Mitralstenose und der Vorhoftumore hinaus auch bei der Quantifizierung der linksventrikulären Funktion eingesetzt werden konnte ▶ [18], ▶ [19].

Ösophagoatriogramm Die umständliche Registriertechnik mit der Notwendigkeit der Entwicklung eines 35-Millimeter-Films und streng maßstabsgetreuer fotografischer Vergrößerung zu Original-Echokardiogrammen führte 1959 zur Entwicklung eines elektronischen Verfahrens zur direkten Registrierung der Bewegungskurven einzelner Echos mit den Elektrokardiografen. Damit wurde es möglich, die Echokardiografie synchron mit dem Phonokardiogramm, den intrakardialen Druckkurven und dem Ösophagoatriogramm zu registrieren und die zeitlichen Beziehungen der einzelnen Kurvenpunkte zur mechanischen Herzaktion darzustellen ( ▶ Abb. 1.3). Dies veranschaulicht, dass die durch die Vorhofaktion bedingten Druckschwankungen im Ösophagus bereits damals diagnostisch herangezogen wurden.

Abb. 1.3 Abb. 1.3 Ösophagoatriogramm (Oes. A.) und Ultraschall-Kardiogramm (UKG) synchron registriert mit dem EKG bei einem Patienten mit Mitralstenose. Im Ösophagoatriogramm ist die Vorhofsystolenwelle 1 erhöht, im UKG erniedrigt. Die Ventrikelzacke im Ösophagoatriogramm und Punkt 2 im UKG fallen zeitlich zusammen. Ebenso entsprechen sich die beiden mit 3 bezeichneten Umkehrpunkte. Im Augenblick des Höhepunkts 4 im UKG zeigt das Ösophagoatriogramm einen scharfen Knick im abfallenden Schenkel mit anschließender Plateau-Bildung. Es handelt sich um den Zeitpunkt der maximalen Klappenöffnung mit Einfall des Mitralöffnungstons ▶ [16].

Ultraschall-Kathetersysteme Während der Anfänge der Echokardiografie war die transthorakal registrierte Bildqualität naturgemäß häufig deutlich eingeschränkt, was mehrere Arbeitsgruppen dazu bewegte, nach alternativen Anlotmöglichkeiten zu suchen. Interessanterweise richteten die meisten Untersucher ihr Augenmerk auf Systeme zur intravaskulären Darstellung kardialer Strukturen. Bereits im Jahre 1960 stellt Cieszynski ein Kathetersystem vor, das in die V. jugularis eingebracht werden konnte und auf dessen Spitze ein einzelnes piezoelektrisches Element montiert war ▶ [8]. Im Tierversuch wurden hiermit Amplitudenechos der kardialen Strukturen beim Hund aufgezeichnet. Drei Jahre später registrierte die Arbeitsgruppe um Omoto ▶ [37] statische Schnittbilder beim Menschen unter Verwendung eines langsam rotierenden Einzelkristallkatheters, der über einen transfemoralen oder transjugulären Zugang im rechten Vorhof platziert wurde. Ein steuerbarer Einzelkristallschallkopf auf der Spitze eines steuerbaren Katheters, der intrakardial entsprechend rotiert werden konnte und als dynamisches Monitorsystem gedacht war, wurde 1968 durch Carleton und Clark ▶ [6] vorgestellt. Im Jahre 1970 entwickelte Eggleton ▶ [17] ein Kathetersystem mit vier Ultraschallelementen an dessen Spitze, das eine entsprechende Schnittbilddarstellung der intrakardialen Strukturen erlaubte. Zwei Jahre später entwickelte Bom ein elektronisches zirkuläres Phased-Array-System, basierend auf 32 piezoelektrischen Elementen auf der Spitze eines 9F-Kathetersystems, mit dem erstmals intrakardiale Echtzeitaufnahmen möglich waren.

Die initialen technischen Schwierigkeiten bei der Herstellung von Kathetersystemen zur Echtzeitwiedergabe von hochauflösenden Ultraschallbildern des Herzens hatten einen Rückgang der Forschungsaktivitäten in diesem Bereich zur Folge. Alternative Anlotverfahren wurden entwickelt.

Seit einigen Jahren verfügen wir wieder über die intrakardiale Bildgebung durch hochfrequenten Ultraschall mittels eigens hierfür entwickelter Kathetersysteme (AcuNav-Katheter/Acuson-Siemens) mit guter Steuerbarkeit von außen. In ▶ 18 wird im Detail auf dieses Verfahren eingegangen, die aktuellen klinischen Anwendungsgebiete werden dargestellt.

Ultraschalluntersuchungen vom Ösophagus aus Im Jahre 1968 wurde erstmals eine neue Generation von Gastroskopen vorgestellt, deren distales Ende steuerbar war und auf deren Spitze Ultraschallkristalle montiert waren. Dies ermöglichte einen direkten Kontakt des Ultraschallgebers mit der Ösophaguswand. Side und Gosling ▶ [47] berichteten im Jahre 1971 erstmals über die Darstellung kardialer Strukturen mittels Ultraschall vom Ösophagus aus. Die Autoren verwendeten ein auf der Spitze eines Standardgastroskops montiertes sonografisches Doppelelement-System zur Erfassung der kardialen Blutflussgeschwindigkeit mit einem kontinuierlichen Dopplerverfahren. Im Jahre 1972 führten Olson und Shelton transösophageale Dimensionsbestimmungen der thorakalen Aorta und der Pulmonalarterie durch. Die erste gepulste Doppleruntersuchung vom Ösophagus aus wurde 1975 von der Arbeitsgruppe um Daigle beschrieben ▶ [10].

Transösophageale Echokardiografie. Die transösophageale Echokardiografie (TEE) wurde im Jahre 1976 durch L. Frazin et al. eingeführt ▶ [20] ( ▶ Abb. 1.4). Die Methodik beschränkte sich damals jedoch auf die Aufzeichnung von M-Mode-Echokardiogrammen mit der entsprechenden Limitierung fehlender räumlicher Zuordnung....