G. F. Unger 1950 - Das schwöre ich dir!

von: G. F. Unger

Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG, 2018

ISBN: 9783732562589 , 64 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 1,99 EUR

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G. F. Unger 1950 - Das schwöre ich dir!


 

Verdammt, ich konnte es kaum noch erwarten, den letzten Hügel zu überqueren und freie Sicht zu haben auf unsere kleine Ranch am hübschen See, der von niemals versiegenden Quellen gespeist wurde und dessen Abfluss einen Creek bildete.

Ich sah da und dort Rinder auf der Weide. Es waren viele Rudel. Diese Rinder mussten sich in den vergangenen Jahren wie Kaninchen vermehrt haben.

Als ich durch eine Hügelkette ritt, tauchten vor mir zwei Reiter auf. Sie hielten auf dem schmalen Pfad an, versperrten mir also den Weg. Auch ich hielt an und betrachtete sie. Ich kannte diese Sorte. Das waren harte Burschen. Nur auf den ersten Blick konnte man sie für Cowboys halten. Aber sie gehörten zu der Sorte, die man Revolverreiter nannte. Denn sie konnten mit dem Revolver besser umgehen als mit dem Lasso.

Sie hatten auf mich gewartet. Wahrscheinlich sahen sie mich schon vor einer Weile vom Hügel aus kommen. Einer fragte: »He, was reitest du hier herum? Wer bist du? Und wohin willst du?« Es waren barsche Fragen.

In mir stieg ein kalter Zorn hoch. »Ihr versperrt mir den Weg«, sagte ich. »Macht Platz da! Wer seid ihr?«

Aber sie grinsten nur und hatten ihre Hände an den Coltkolben, stellten sich in den Steigbügeln auf, um besser ziehen zu können.

»Auf dieser Weide«, sagte einer, »stellen wir die Fragen. Und hier reitet auch niemand ohne unsere Erlaubnis herum.«

Ich war kein Bursche, der viele Worte machte oder eine Drohung ausstieß. Das Pferd unter mir war ein altes Kriegspferd, was Kampferfahrung betraf. Sonst war es im besten Pferdealter. Und so ließ ich es anspringen. Die beiden Kerle zauberten ihre Revolver heraus, aber mein Pferd war schneller. Denn als sie ihre Waffen auf mich richten wollten, war ich schon zwischen innen. Mein Pferd rammte ihre Tiere. Ich stieß den Rebellenschrei aus, um sie noch mehr zu erschrecken, und breitete beide Arme aus, bekam die Kerle zu fassen und riss sie von den Pferden.

Es war ein wilder, explosiver Ausbruch.

Über meinem Sattelhorn knallte ich die strampelnden Figuren mit den Köpfen zusammen und ließ sie dann fallen. Ich riss mein Tier auf der Hinterhand herum – aber es gab nichts mehr zu tun.

Die beiden eben noch so stolzen und großspurigen Revolverschwinger lagen am Boden und rührten sich vorerst nicht. Ich wartete, bis sie wieder zu sich kamen, aufsetzten und sich die anschwellenden Beulen vorsichtig mit zitternden Fingerspitzen betasteten. Dann richteten sie ihre Blicke auf mich.

»Das brummt jetzt wohl ein wenig in euren Bumsköpfen, ja?« So fragte ich nicht unfreundlich. Und dann tröstete ich sie mit den Worten: »Nun, das wird wieder vergehen. Nichts bleibt ewig. Wollt ihr Revanche? Ich gebe sie euch!«

Sie erwiderten nichts – vorerst nichts. Aber sie tasteten sitzend nach den Colts. Diese steckten nicht mehr in ihren Holstern. Denn als sie mir den Weg versperrten, waren sie bereit zum Ziehen, und deshalb hatten sie die Halteschlaufen gelöst. Als ich sie aus den Sätteln riss, verloren sie die Waffen. Doch sie lagen beide in ihrer Reichweite. Sie brauchten nur die Hände auszustrecken und zuzugreifen. Dies war auch fast zur gleichen Zeit einen Sekundenbruchteil lang ihr wilder, böser Impuls. Doch im nächsten Moment holte ihr Verstand sie wieder ein. Und so ließen sie es und atmeten zitternd aus.

Einer sagte: »Na schön, wir haben dich unterschätzt. Du bist wahrscheinlich eine Nummer zu groß für uns. Wir sind keine Narren. Aber in diesem Land macht man sich die Reiter der Rankin-Mannschaft nicht zu Feinden.«

»Rankin-Mannschaft?« So fragte ich.

Nun staunten sie. »Er ist offenbar total fremd hier«, sagte der andere Mann. »Der weiß nicht, was hier los ist. Und weil das so ist, wird er sich bald wünschen, niemals in dieses Land gekommen zu sein. Hau ab!« Die letzten Worte waren an mich gerichtet.

Ich sah zu ihren Pferden hinüber, welche ein Stück zur Seite gesprungen waren und nun an den Gräsern rupften. An beiden Tieren erkannte ich ein verschnörkeltes R als Brandzeichen. R, das bedeutete wohl Rankin. Aber wer war Rankin? Es hatte früher in unserem Land im großen Rio-Grande-Knie keinen Rankin gegeben.

Sollte ich die beiden Kerle nochmals fragen? Ich ließ es sein, denn ich würde bald andere Leute treffen, welche mir gewiss genaue Auskunft geben würden, meinen Bruder Jubal zum Beispiel.

Wortlos ritt ich weiter. Es waren ja nur noch wenige Meilen zu unserer Ranch in den Antelope-Hügeln.

Unsere kleine Ranch lag wie verlassen da. Nur in den Corrals regten sich dann und wann einige Tiere, wenn sie zum Wassertrog wollten oder ihre Stellung veränderten. Menschen waren nicht zu sehen. Die Ranch wirkte noch so, wie ich sie einst verließ, was die Größe der Gebäude, Stallungen und Corrals betraf. Aber alles sah älter und verwitterter aus.

Mein Bruder hatte also keine Erweiterungen vorgenommen. Nicht einmal ans Ausbessern gedacht. Wahrscheinlich hatte ihm das Geld für Arbeitskräfte gefehlt. Die Zeiten nach dem Krieg waren schlecht hier im Südwesten. Niemand hatte Bargeld. Und für die Rinder gab es keine Absatzmärkte. Wer wollte schon Rinder kaufen? Nur die Armee brauchte manchmal etwas Fleisch für sich oder die Indianer in den Reservaten. Und auch die Minen-Camps mussten dann und wann Fleisch kaufen. Doch das alles war wie ein Tropfen auf einen heißen Stein für alle Rinderzüchter.

Ich wusste das längst, denn ich war ja von Osten her durch ganz Texas geritten. Vorgestern hatte ich den Pecos durchfurtet.

Ich hielt an und sah mich um, hoffte, irgendwo in der weiten Runde vielleicht jemanden zu entdecken. Ich fragte mich, ob ich meinen Bruder Jubal überhaupt wiedererkennen würde. Ein Junge, der zum Mann wird, kann sich in fünf Jahren sehr verändern.

Ich sah also in die Runde. Und da entdeckte ich das primitive Holzkreuz über einem Grabbügel. Es steckte schon ein wenig schief im Boden. Rechts davon war ein alter Baum. Sein Schatten reichte aber nicht mehr bis zum Kreuz. An den Baum konnte ich mich noch gut erinnern. Diese steinharte Burreiche hat weit ausladende Äste. An einem der Äste hatte mein Bruder – als er noch kleiner war und nicht mithelfen musste bei der Arbeit – seine Schaukel hängen.

Ich ritt auf das Kreuz zu und hielt davor an. Vom Sattel aus blickte ich darauf nieder. Das Kreuz bestand aus zwei zusammengebundenen Holzstücken. Aber davor war ein flacher Stein in der Erde, bündig mit der Oberfläche des Erdbodens.

In diesen flachen Stein war eingemeißelt:

Jubal Savage

1845-1866

Es war das Grab meines Bruders, meines kleinen Bruders. Er war einundzwanzig Jahre alt geworden. Und er war erst dieses Jahr gestorben. Das Holzkreuz sah deshalb so alt und verwittert aus, weil man zwei alte Holzstücke dafür nahm.

Vielleicht war mein kleiner Bruder noch gar nicht lange tot. Und wenn er eines gewaltsamen Todes gestorben sein sollte, dann wäre das vielleicht nicht geschehen, wenn ich mit meiner Heimkehr nicht so lange gewartet hätte.

Ich dachte an meinen Zusammenstoß mit den beiden Rankin-Reitern. Und da konnte ich mir leicht vorstellen, dass mein kleiner Bruder Jube Verdruss bekommen hatte und keines natürlichen Todes gestorben war.

Ich saß bewegungslos im Sattel, starrte auf das Grab und murmelte: »Hey, Jube, solltest du umgebracht worden sein – aus welchen Gründen auch immer –, so werden alle, die damit etwas zu tun haben, dafür bezahlen. Das schwöre ich dir. Oh, verdammt, das schwöre ich dir. Jube, Bruder Jed ist hier. Sollte ich zu spät gekommen sein, um dir beizustehen, dann vergib mir. Ich konnte ja nicht wissen, dass alles hier anders wurde.«

Ich zog mein Pferd ein Stück herum und wollte zur Ranch hinüber reiten. Da aber sah ich noch etwas. An dem ausladenden Ast der Burreiche hing ein Stück Seil. Es war etwa so dick wie mein kleiner Finger. Es war kein Lasso.

Ich ritt unter den Ast und hatte nun das Seil dicht vor meiner Nase. Unten zwischen den Luftwurzeln des Baumriesen lag das andere Stück. Es war eine Henkerschlinge mit einem Henkerknoten. Jemand hatte das Stück abgeschnitten, wahrscheinlich, um den Gehängten herunterzuholen. Man hatte dann die Schlinge abgenommen und achtlos weggeworfen.

Sollte es mein Bruder gewesen sein, den man hier henkte?

In mir stieg es heiß auf. Ich musste mühsam schlucken. Aber ich weigerte mich, weiter in diese Richtung zu denken. Und so ritt ich zur Ranch hinüber.

Als ich um das Haupthaus herum ritt, sah ich auf der Veranda einen Mann sitzen. Er saß in dem bequemen Schaukelstuhl, den mein Vater einst für unsere Mom gekauft hatte. Sie hatte manchmal darin gesessen, um sich auszuruhen, und dabei gestrickt. Immer hatte sie für uns – ihre Männer, wie sie sagte – die Strümpfe gestrickt.

Nun saß dieser Bursche in ihrem Schaukelstuhl. Er hatte ein Bein auf einem Hocker liegen und neben sich in Reichweite einen selbst gefertigten Krückstock an der Hauswand lehnen. Er war also offenbar verletzt.

Als ich vor der Veranda mein Pferd anhielt, fragte er: »Bist du ein Neuer – und schickt Jo Callagher dich?«

Ich nickte nur.

Da sagte er: »Ich wollte diesen Mistbock zureiten, mit dem sie es alle schon versuchten. Auch mich hat er geschafft. Ich glaube nicht, dass mein Bein gebrochen ist. Aber mein Knie wurde irgendwie verdreht. Ich hab es schon mit der Salbe eingerieben, welche auch für Pferde so gut ist. Du musst also meine Arbeit machen. Am besten wäre, du kochst erst mal ein anständiges Essen für uns beide.«

Ich nickte und saß langsam ab,...