G. F. Unger Sonder-Edition 133 - Sie war keine Lady

von: G. F. Unger

Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG, 2018

ISBN: 9783732559558 , 80 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 1,99 EUR

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G. F. Unger Sonder-Edition 133 - Sie war keine Lady


 

2

Eine halbe Stunde später war ich mit Joyce Palatine allein. Wir saßen uns in Pierces Wohnzimmer, das man vom Office aus ebenfalls betreten konnte – also nicht nur über die Veranda von draußen – gegenüber und betrachteten uns im Lampenlicht. Wir hielten noch halbvolle Whiskeygläser in den Händen.

»Und wieso waren Sie von Anfang an so sicher, mich zum Partner bekommen zu können, Joyce?« So fragte ich.

Sie lächelte. Es war ein weises, wissendes und vielleicht auch ein wenig nachsichtiges Lächeln. Sie hob die geraden Schultern und ließ sie wieder sinken, senkte den Blick und starrte auf die bernsteinfarbene Flüssigkeit im Glas, so als könnte sie darin lesen wie eine Wahrsagerin im Kaffeesatz.

Dann sah sie mich wieder an mit ihren schwarzen Augen.

»Instinkt«, sprach sie. »Intuition. Und meine Erfahrung mit Männern einer gewissen Sorte.«

»Welcher Sorte?« Ich fragte es knapp und beugte mich vor.

Wieder lächelte sie.

»Adam, Sie sind ein zweibeiniger Tiger«, sprach sie dann. »Und Sie hatten einen wohlgefüllten Geldgürtel auf dem bloßen Leib. Ich hoffte, dass Sie zu der Sorte gehören, die stets bereit zu einem hohen Einsatz in einem riskanten Spiel ist, wenn der mögliche Gewinn hoch genug ist. Und es kam jetzt zuletzt noch hinzu, dass Sie ein Mann sind, der Burschen wie diesen Ringo nicht mag und jeder Frau seinen Schutz anbieten würde – jeder Frau, ganz gleich von welcher Sorte. Nun sind wir Partner.«

Ich nickte, leerte mein Glas mit einem Ruck und stand auf.

Sie sah zu mir empor.

Und ich fragte auf sie nieder: »Joyce, gehst du mit deinem Partner auch ins Bett oder ist das von Fall zu Fall verschieden?«

»Es ist verschieden«, sagte sie, und in ihrer Stimme war ein herber Klang. Sie sprach dann weiter: »Und wenn du wissen möchtest, ob ich mit dir ins Bett gehen würde, dann kann ich dir nur sagen: Wir werden es herausfinden. Es wird sich ergeben oder nicht, wenn wir uns länger oder besser kennen. Auf jeden Fall sind wir jetzt Partner und voneinander abhängig. Wir werden uns aufeinander verlassen müssen.«

»Richtig«, sagte ich. »Und morgen kommen die Wagen aus Sundown City, um das Bauholz zu holen. Dann werden wir herausfinden, wie gut wir als Partner sind.«

Sie nickte. Dann leerte auch sie das Glas und erhob sich.

»Ich werde dir in einer halben Stunde beweisen, wie gut ich als Köchin bin, wenn dieser Pierce in seiner Küche auch nur einigermaßen mit Lebensmitteln eingedeckt war.«

»Gut«, sagte ich, und dann ging ich hinaus, um eine Runde zu drehen um unseren Besitz.

Manchmal hielt ich inne und blickte zum geröteten Himmel im Westen.

Doch hinter der Hügelkette lag Sundown City. Es brannte immer noch.

Man würde es in Windeseile aufbauen wollen.

Und wir würden um unser Holz kämpfen müssen.

Konnte ich mich gegen die rauen Burschen von Sundown City überhaupt behaupten?

Und lohnte sich ein Kampf für ein paar tausend Dollar Gewinn überhaupt, wenn Blut floss und es vielleicht sogar Tote gab? Ja, das war eine verdammte Frage.

Wie hart war die so schöne, reizvolle und begehrenswerte Joyce, dass sie dies alles für ein paar tausend Dollar auf sich zu nehmen bereit war?

Ich umrundete den Holzplatz. Es war gewaltig viel Holz, hohe Bretterstapel, aber auch Balken jeder Größe und Stärke.

Ja, mit diesem Holz hier konnte man die ganze Stadt neu aufbauen, und wir konnten unseren Einsatz von achttausend Dollar leicht verdoppeln, wenn nicht gar verdreifachen, wenn wir die Holzpreise verdoppelten oder verdreifachten.

Würden die rauen Burschen von Sundown City sich das bieten lassen?

Als ich meine Runde beendet hatte und noch unten bei der Furt war, da rief mich Joyce zum Nachtessen.

Es gab Fisch. Pierce hatte am Nachmittag offenbar ein paar Forellen aus dem Creek gefangen. Sie hatte die Forellen wunderbar gebraten und mit Mandeln und irgendwelchen Kräutern gewürzt. Auch die Bratkartoffeln waren prächtig. Sie hatte nicht mit Zwiebeln, Kräutern und Speck gespart.

Ja, sie konnte kochen.

Wir sprachen nicht viel. Als wir fertig waren, sagte ich: »Kochen kannst du. Ich glaube, du bist in allen Dingen gut. Vielleicht finde ich das auch noch in anderen Bereichen bestätigt.«

»Vielleicht.« Sie nickte.

Ich erhob mich und ging zur Tür. »Ich schlafe drüben in der Baracke, wo früher Pierces Arbeiter wohnten, als er noch welche beschäftigte«, sagte ich und ging hinaus.

Nein, ich versuchte nichts mit Joyce.

Ich wusste, ich würde sie bekommen, wenn sich herausstellen würde, dass wir von der gleichen Sorte waren und das gleiche Format hatten. Dann würden wir ein Paar werden wie jedes Raubtierpärchen, das gemeinsam jagt.

Ja, ich wollte sie haben.

Aber ich konnte warten.

Doch vielleicht jagten sie uns morgen schon zum Teufel. Und vielleicht überlebte ich nicht einmal den kommenden Tag.

Wir hatten schon gefrühstückt und in Pierces Büchern nach den bisherigen Preisen geschaut, und wir waren zu dem Entschluss gekommen, den dreifachen Preis zu verlangen, als die ersten Wagen von Sundown City her durch die Furt kamen.

Schon den ersten Fahrer kannte ich. Es war Shorty Traft vom Mietstall. Er arbeitete für Jack Sloane, dem außer dem Mietstall fast ein Drittel von Sundown City gehörte, unter anderem auch zwei Freudenhäuser mit mehr als zwei Dutzend Mädchen darinnen.

Shorty hielt an, wischte sich über die Glatze und fragte: »He, wo ist Ringo Spokane? Hast du ihn gesehen, Adam Wade?«

»Gestern«, erwiderte ich. »Und er ist fort mit den beiden Begleitern. Sie konnten das Holz nicht kaufen. Denn Pierce hatte es schon verkauft. Jemand war schneller als ihr Leute von Sundown City.«

Shorty staunte mich vom Fahrersitz aus an, als wäre ich ein Kalb mit zwei Köpfen. Dann schüttelte er staunend den Kopf.

»Oooh, dieser Ringo …«, begann er. Doch dann fiel ihm endlich die Frage ein: »Und wer hat das ganze Holz gekauft?«

»Ich«, sagte ich, »und diese Lady da. Wir haben es gekauft. Und wenn ihr welches haben wollt, dann müsst ihr bares Geld auf den Tisch legen. Dieses Holz ist kostbar.«

Nun staunte er noch mehr.

Inzwischen kamen noch andere Wagen herangefahren, deren Fahrer absprangen und sich zu uns gesellten. Ich kannte die meisten. Es waren alles Männer, die in Sundown City Lohnarbeit verrichteten.

Sie starrten auf mich, dann auf die schöne Joyce und wieder auf mich.

Shorty, der sich unablässig die Glatze rieb und noch auf dem Wagen saß, sagte endlich: »Oh, Adam Wade, ich hielt dich stets für einen schlauen Burschen, der genau seine Grenzen kennt und deshalb mit den Bossen von Sundown City einigermaßen auskam. Sie werden mehr als ärgerlich sein auf dich, denke ich. Und der schönen Lady wird ihre ganze Schönheit nichts nützen. Denn ich denke mir, dass ihr ein Schweinegeld für das Holz kassieren wollt.«

»Richtig, Shorty«, nickte ich.

Er seufzte bitter.

»Eigentlich mochte ich dich immer, Adam. Und dein Pferd in unserem Stall habe ich stets besonders gut versorgt. Aber jetzt müssen wir wohl einen von uns nach Sundown City schicken, der dort alles den ›Big Three‹ meldet.«

Ich nickte. Er meinte die »Großen Drei«, und das waren die Big Bosse Jack Sloane, Orwin Lacoda und Bret McTaggert.

»Sicher, Shorty, das müsst ihr tun«, sagte ich. »Und euer Bote muss den Big Three sagen, dass der Holzpreis verdreifacht wurde und in bar bezahlt werden muss.«

Nun wackelten sie alle vor Staunen mit den Köpfen. Sie waren einfache Burschen, Lohnarbeiter, die mit der Politik und den Machtkämpfen in der Stadt nichts zu tun hatten und froh waren, wenn sie jeden Tag ihre vier Dollar verdienten. Denn dann brauchten sie nicht in die Berge zu den Minen zu gehen und sich dort zu verdingen. Ich tat ihnen leid.

Dennoch schickten sie einen Reiter – er spannte ein Pferd aus – nach Sundown City.

Ich setzte mich auf die Veranda und steckte mir eine von Pierces Zigarren an, die er in der Eile mitzunehmen vergaß.

Das Warten begann.

Die Frage war: Wen würden die drei Bosse schicken?

Sie hatten gefährlichere Burschen auf ihren Lohnlisten als Ringo Spokane. Und sie wussten jetzt, mit wem sie es zu tun hatten. Sie kannten mich. Ich hatte als Spieler in ihren Spielhallen abwechselnd einen Tisch gemietet und ihnen von meinem Gewinn stets ein Drittel Miete bezahlt.

Da ich fast immer gewann und nur mit Leuten spielte, denen es auf tausend Dollar nicht ankam, verdienten sie gut an mir. Ich brachte ihnen mehr Gewinn als die von ihnen angestellten Spieler und Kartenausteiler.

Bisher kamen wir gut miteinander aus.

Doch jetzt mussten sie mich als ihren Gegner betrachten.

Wen also würden sie schicken?

Joyce traf neben mich.

»Du wirst kämpfen müssen, nicht wahr?« So fragte sie leise.

Ich nickte.

»Sie wissen nicht, was mit Ringo geschah – und mit seinen Begleitern. Doch sie werden es sich denken. So werden sie besserer Männer schicken, und sicher mehr als drei.«

Sie nickte. »Dann bleib nur hier vor dem Haus«, sagte sie. »Pierce ließ zwei Gewehre und eine Schrotflinte zurück. Ich schieße von oben durch das Fenster. Du kannst dich auf mich verlassen.«

Nun staunte ich.

»Du bist aber keine Lady«, murmelte ich schließlich.

»Nein«, erwiderte sie. »Aber was ist falsch daran, wenn wir...