G. F. Unger Tom Prox & Pete -71 - Männer im Goldrausch

von: G. F. Unger

Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG, 2018

ISBN: 9783732568000 , 64 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 1,99 EUR

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Mehr zum Inhalt

G. F. Unger Tom Prox & Pete -71 - Männer im Goldrausch


 

Den Vorzug, im Ranchhaus schlafen zu dürfen, kann man doch nicht so ausnutzen. So denkt Jim, der mit einem stark ausgeprägten Gerechtigkeitssinn gesegnet ist. Er blickt wieder zu Dick hinüber und sieht sich dann sein Kopfkissen an.

Jims Kissen hat eine starke Anziehungskraft, denn es ist mit Federn gefüllt. An einer Ecke ist es zwar beschädigt, aber es ist weich und lädt zum Weiterschlafen ein. Jim zieht aus der Ecke einige Flaumfedern heraus. Er nimmt sie vorsichtig zwischen zwei Finger, steht auf und geht zu Dicks Bett hinüber. Hier beugt er sich über den Freund und legt ihm behutsam ein Federchen zwischen Nase und Lippen.

Dick schnarcht immer noch gewaltig mit weit geöffnetem Mund. Er, der draußen in der Wildnis beim leisesten Geräusch sofort munter wird, hat seine »Warnsinne« hier zu Hause ganz abgestellt.

Die Feder wird durch Dicks Atemstoß hochgeblasen, dreht sich im Luftwirbel und schwebt davon. Die nächste Feder fällt von den Lippen und gerät auf Dicks Zunge. Es folgt nun ein gewaltiges Krächzen und Räuspern. Im Halbschlaf spuckt Dick die Feder aus und schnarcht weiter.

Jim wiederholt das Spiel noch zweimal, dann springt Dick mit Geheul in die Höhe und stürzt sich auf seinen Freund. Der flieht lachend in sein Bett zurück, doch schon ist Dick da.

Jims Bett bricht unter dem Anprall von Dicks Körper zusammen. In dem Wirrwarr von Kissen und Wolldecken wälzen sich die Männer. Dann hat Jim als Waffe sein Federkissen gepackt. Er schlägt es Dick einige Mal um die Ohren, bis es der Athlet mit seinen gewaltigen Händen erwischt hat. Ein knirschendes Reißen und schon wirbeln Federn im Zimmer umher.

Dick, der wieder mächtig Luft holt, um seinen Siegesschrei ausstoßen zu können, bekommt noch einige Federn in den Mund. Er spuckt und hustet. Jim schlägt ihm das beschädigte Kissen so lange um die Ohren, bis alle Federn durch den kleinen Raum wirbeln.

Dick revanchiert sich, indem er den lachenden Freund unter den Decken begräbt und den verzweifelt Kämpfenden gehörig schwitzen lässt.

Plötzlich geht die Tür auf.

Billy Jenkins stutzt, als er die wirbelnden Federn sieht. Dann klatscht er lachend dem auf Jim hockenden Dick ein paar kräftige Hiebe auf den Hintern. »Überfall! Hoiho! Überfall, Jim!«, brüllt Dick da. »Eeeeh, Jim, hilf mir, diesen feigen Kojoten zu fassen!«

Nun schält sich Jim aus den Decken, und dann stürzen sie sich gemeinsam auf den lachenden Billy. Der aber weicht langsam zurück, verteidigt sich nur mit einer Hand. In der anderen hält er einen Brief, den er krampfhaft vor der Vernichtung zu bewahren sucht. »Hört auf, ihr übermütigen Kuhschwänze!«, brüllt Billy lachend. »Stopp, boys! Ich hab ’ne wichtige Nachricht!«

Sofort herrscht Ruhe. Auf dem Trümmerhaufen des zusammengebrochenen Holzbettes sitzend, von Federn umwirbelt, hocken die drei Freunde dann dicht beieinander, starren auf den Brief, und Billy erklärt: »In Montana ist ’n Goldrun ausgebrochen! Die Bergpolizei wird nicht mehr allein fertig. Jetzt sollen wir drei sofort hinreisen und Ordnung schaffen. Allerlei böse Kunden scheinen sich dort getroffen zu haben. Die Zentrale der Special-Police vermutet, dass da einige Großgangster ’n Riesengeschäft machen wollen …«

»Mensch, dann soll’n sie doch ’ne ganze Abteilung Bergpolizei oder Militär da raufjagen in die Berge!«, mault Dick. »Was sollen wir in den Rocky Mountains? Hab wenig Lust, da …«

»So einfach ist das nicht, Dick«, belehrt Billy. »Unter den Goldgräbern scheinen Gangster zu sein, die gemeinsam nach bestimmten Plänen handeln. Es sind schon mehrere Polizisten und Goldsucher ermordet worden. Da ist aber mit Gewalt und Militärmacht nicht viel zu wollen, Dick. Wir geh’n als Goldsucher getarnt hin …«

»Wann fahren wir?«, will Jim wissen.

»Morgen früh. Es wäre ’ne umständliche Reiserei mit der Bahn. Deshalb schickt uns die Zentrale morgen ein Flugzeug …«

»Das is gut!«, knurrt Dick begeistert. »Hab schon lange Sehnsucht, wieder mal in ’nem Flugzeug zu sitzen! Mensch, das is’ sehr gut! Ich bin mächtig dabei!«

»Das Flugzeug bringt uns direkt nach Montana, sodass wir mehrere Reisetage sparen. Da man vermutet, dass die Gangster unter der Montana-Polizei Freunde haben, darf niemand von unserer Mission erfahren. Ich habe hier ’nen Scheck auf ’ne Bank in Helena. Dort werden wir uns auch die Ausrüstung, Maultiere und so weiter beschaffen. In den Bergnestern würde das alles zu teuer sein. Mit der Bahn müssen wir dann bis Dillon fahren und dann mit den Maultieren weiterziehen bis Minerstown, ’n kleines Goldgräbernest. Von da aus geht’s ins neuentdeckte Goldgebiet!«

Minerstown war ein kleines Goldgräberdorf hoch oben im Felsengebirge. Es bestand nur aus Blockhütten und rasch zusammengeschlagenen Bretterhäusern. Natürlich gab es hier eine Anzahl Kneipen, Stores und Spiel- und Tanzhallen. Nur einige wirklich ertragreiche Minen waren in der Gegend; die meisten Gruben und Minenstollen brachten ihren Besitzern nicht viel ein. Trotzdem hoffte jeder, eines Tages auf die sagenhafte Goldader zu stoßen.

Männer aus allen Teilen der Staaten hatten sich hier zusammengefunden: Bergleute, bärtige Prospektoren, ehemalige Fallensteller, Cowboys, verkrachte Kaufleute und Abenteurer.

In Minerstown überwinterten auch diejenigen Goldgräber, die das Jahr über draußen irgendwo in der Felswildnis gearbeitet hatten. Hier warteten sie auf den Frühling. Die in schwerer Arbeit gewonnenen Goldkörner rieselten wieder davon, denn jeder Tag in Minerstown war teuer, sehr teuer. Für das primitivste Quartier zahlte man mehr als in einem Hotel der Großstadt. Auch das »tägliche Brot« war teuer. Na, und dann die Tanzmädchen!

Brummend befühlten die Goldgräber jeden Tag ihre immer dünner werdenden Beutel. Aber waren sie nicht Goldgräber? Ho, sie wollten etwas haben vom Leben, ehe sie wieder für lange Zeit hinaus in die Wildnis gingen, wo sie schwerer schuften mussten als irgendein Arbeiter in der Großstadt.

Noch herrschte der Winter, leider. Aber von Tag zu Tag wurde es milder. Bald würde der Frühling da sein.

Im Tanzpalast »El Dorado« ging es hoch her. Zu den Klängen der kleinen Kapelle wurde getanzt. Die Tanzmädchen machten gute Geschäfte. Jeder Tanz von drei Minuten kostete drei ganze Dollar, und dabei durfte niemand den Mädchen gegenüber zudringlich werden. Hier oben in der Wildnis, wo auf hundert Männer noch nicht mal eine Frau kam, bedeutete ein weibliches Wesen eben etwas ganz Besonderes. Auch diese rauen Männer mussten sich den Wünschen und Befehlen der Frauen fügen. Manch einer, der das nicht einsehen wollte, wurde durch kräftige Fäuste eines Besseren belehrt.

Klotzige Männer in Fellhosen und dicken Flanellhemden stampften mit ihren Tänzerinnen über den Boden. Am Schanktisch drängten sich die Durstigen, verlangten nach Whisky, Gin, Highball oder Korn. Der Wirt und die beiden Barmänner hatten alle Hände voll zu tun.

Plötzlich flog die Tür auf. Dann erschien ein zottiger großer Hund mit hechelnder Zunge. »Wuff!«, knurrte er, und von draußen gellte eine heisere Stimme: »Eeeh, Bello! Kannst es nicht abwarten, he?«

Die Musik brach ab. Neugierig drängten die Männer zur Theke und starrten auf den Mann, der jetzt hereinkam. »Hallo! Alaska-Joe! Wo kommst du denn her?«, riefen sie dann, als sie den Ankömmling erkannten. Sie betrachteten ihn mit forschenden Blicken. Vor einem Jahr war er mit seinem Maultier von Minerstown aufgebrochen, um in den Bergen nach Gold zu suchen. Es war mehr als seltsam, dass er jetzt zurückkam.

»Aaaah! Wirt! Einen Dreistöckigen!«, krächzte Alaska-Joe. »Ist noch verdammt kalt draußen, Jungs! Aber immerhin … es macht sich, Leute! In acht Tagen könnt ihr aufbrechen, schätze ich … Hm, ich war eingeschneit da draußen. Habe den Winter in ’ner Höhle verbracht. Ha, was glaubt ihr?« Gierig stürzte er den Schnaps hinunter. Dann brüllte er plötzlich los: »Hooooo! Eeeeeeeh! Heute gehört der Laden hier dem Alaska-Joe! Sauft, Leute! Trinkt, Mädchen! Seid alle meine Gäste! Trinkt auf Alaska-Joe, der euer Glücksbringer ist!«

»He, Joe! Hast du ’ne Goldader entdeckt?«, rief einer der Männer.

Alaska-Joe lachte wild auf. Dann zog er unter seinem Pelz einen schweren Beutel hervor, knallte ihn auf den Schanktisch. Eine Naht platzte auseinander und Goldkörner quollen hervor.

Der Wirt, die Barmänner, die Gäste und Tanzmädchen: alle bekamen sie große Augen. Dann gellte eine Stimme: »Gold! Nuggets! Woher? Spuck’s aus, Joe! Woher?«

Das Brüllen und Schreien der aufgeregten Menschen vermischte sich mit dem Bellen und Knurren des erschreckten Hundes.

Alaska-Joe ließ sich erst noch einen großen Schnaps geben, dann schwang er sich auf den Schanktisch und gebot Ruhe. »Seid nicht so aufgeregt, Männer! In acht Tagen können wir aufbrechen. Ich muss ausruhen und Vorräte kaufen. Ich will zurück nach der Stelle, wo ich schon meinen Claim abgesteckt habe. Nachher lasse ich ihn eintragen. Hört, Männer! Es ist noch genug Gold dort! Ungeheuer viel Gold für euch alle und noch mehr! Ihr braucht’s nur aufzuheben. Große Nuggets habe ich dabei. Ho, was glaubt ihr! Ich werde euch hinführen!«

Alle versuchten nun auf Alaska-Joe einzureden. Jeder wollte die Goldfundstelle wissen, aber Joe lachte nur, trank Schnaps, prostete den Mädchen zu und hörte überhaupt nicht mehr auf die Fragen.

Plötzlich war er mit dem Wirt und den Mädchen allein. Die Männer waren alle davongestürzt, um ihre Vorbereitungen für den Ausmarsch zu treffen....