Ich dachte, du liebst mich!

von: Alexandra Sellers

CORA Verlag, 2018

ISBN: 9783733759056 , 130 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 2,49 EUR

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Ich dachte, du liebst mich!


 

1. KAPITEL

Hope hatte Cain Daniels schon verabscheut, ehe sie ihn zum ersten Mal persönlich kennenlernte. Sie hatte sich gerade in einer Schweizer Klinik von ihrer schweren Operation erholt, als ihr Vater sie mit der Mitteilung schockierte, dass er Cain eine Partnerschaft in seinem Unternehmen anbieten würde.

Hope verstand nicht, wie sich ihr Vater von diesem arroganten Menschen blenden lassen konnte. Cain erschlich sich den Platz, der eigentlich ihr zustand.

Dass Hope selbst ihren Vater zu dieser Entscheidung gezwungen hatte, sah sie nicht. Zu lange hatte sie gezögert, in die Firma einzutreten, weil die Aufgabe sie eigentlich gar nicht reizte. Ihr Vater hatte dies erkannt und entsprechend gehandelt.

Doch für sie war Cain der Eindringling, der sich wie ein Kuckuck ins gemachte Nest setzte.

Hope war zwölf Jahre alt, als ihre Mutter bei einem Autounfall ums Leben kam. Hope selbst wurde dabei schwer verletzt. Ihr Vater hatte ihr zunächst verschwiegen, dass sie von nun an nur unter Schmerzen und mit einem deutlichen Hinken würde gehen können.

Der Verlust der Mutter und ihr körperliches Handicap erklärten, warum Hope ein so enges Verhältnis zu ihrem Vater entwickelte. Wenn sie gefragt wurde, welchen Beruf sie ergreifen wollte, sagte sie immer: „Architektin, wie mein Dad.“ Und er nannte sie liebevoll: „meine kleine Partnerin.“

Als sie sich dann fünf Jahre später für eine berufliche Laufbahn entscheiden musste, kam nur ein Architekturstudium in Frage. Während ihrer Schulzeit war sie immer wegen ihrer künstlerischen Begabung aufgefallen. Was lag also näher, als dieses Talent in einen praktischen Beruf einzubringen?

Hope war immer eine intelligente Schülerin mit guten Noten gewesen. Doch zum Erstaunen ihres Vaters fielen ihre Prüfungsergebnisse am Ende des ersten Studienjahres auf der Universität von Toronto nicht gut aus. „Ich hatte zu viel Stress“, erklärte sie. „Jetzt brauche ich erst einmal Ferien. Nächstes Jahr bin ich bestimmt besser.“

Einige Kommilitonen planten eine Europareise, um Architekturbeispiele vor Ort zu studieren. Hope schloss sich ihnen an. Drei Wochen lang standen Schlösser und Kirchen auf dem Programm. Doch als die Gruppe nach Hause zurückkehrte, blieben Hope und eine Freundin in Frankreich, um an einem Malkurs teilzunehmen.

„Petrovsky ist der Leiter des Kurses“, berichtete sie ihrem Vater aufgeregt am Telefon. Vaclac Petrovsky war ein russischer Maler, den Hope sehr bewunderte.

Hopes Bilder gefielen dem Künstler. Durch seine Empfehlung wurde sie an einer exklusiven Schule in Paris aufgenommen. „Es ist nur für ein Jahr“, erklärte sie ihrem Vater. „Danach setze ich mein Architekturstudium fort.“

Ihr Vater hatte nichts dagegen. Er protestierte auch nicht, als sie um ein Jahr verlängerte und sich danach entschloss, Ferien zu machen. „Dann komme ich im August erholt nach Hause“, meinte sie.

Auf ihrer Ferienreise durch Südfrankreich hatte sie ihre Malutensilien dabei. In Cannes malte sie eine Yacht, die sich gegen starken Wind in den Hafen hereinkämpfte. Das Bild war eine überzeugende Darstellung der Naturgewalten.

Durch Zufall erfuhren die Besitzer der Yacht davon. Ehe Hope es so richtig begriff, hatte sie ihr erstes Bild verkauft und neue Aufträge bekommen. Sie malte Boote und Yachten und genoss den sonnigen Süden.

Eines Abends lernte sie bei einer Cocktailparty Raoul Spitzen kennen, einen Schweizer Arzt. Er fragte sie nach der Ursache ihres Hinkens und bot an, ihn einmal in der Praxis aufzusuchen. „Seit wann haben Sie das Gebrechen?“, fragte er während der Untersuchung.

„Seit meinem zwölften Lebensjahr.“

„War es ein Autounfall?“

„Ja, meine Mutter kam dabei ums Leben.“

„Haben Sie Schmerzen in der Hüfte?“

Hope nickte nur.

„Können Sie Geschlechtsverkehr haben?“

„Ich … ich dachte immer, das wäre unmöglich“, flüsterte sie. Sie hatte sich schon längst damit abgefunden, dass sie kein normales Leben führen konnte.

„Es mag schon Positionen geben, bei denen Sie keine Schmerzen haben, aber ich kann mir vorstellen, dass es für eine junge Frau nicht so einfach ist, ihrem Liebhaber erst einmal genaue Anweisungen zu geben“, meinte Raoul Spitzen verständnisvoll. „Ich denke, selbst wenn wir das Hinken nicht völlig beseitigen können, so können wir Ihnen doch wenigstens ein normales Leben ermöglichen. Sie werden schmerzfrei sein.“

Damit erfuhr Hopes Leben plötzlich eine Wendung. Die Operation in der Schweiz war nur der erste Schritt. Danach folgten Monate der Therapie, in denen sie lernen musste, sich zu bewegen. Der herrliche Blick aus ihrem Zimmerfenster in der Rehabilitationsklinik auf die Alpen inspirierte Hope zu immer neuen Bildern, sodass sie keine Langeweile kannte.

Ihr Vater reiste mehrmals zu ihr in die Schweiz. Bei einem seiner Besuche teilte er ihr mit, dass seine Partnerschaft mit Cain Daniels beschlossene Sache wäre. „Ich werde alt, Hope. Ich brauche einen Partner.“

Hope war verzweifelt. „Aber warum ausgerechnet er?“

Natürlich wusste sie, um wen es sich handelte. Wer in der Branche hatte noch nicht von dem jungen, aufstrebenden Cain Daniels mit seinen eigenwilligen Ideen gehört? Er hatte schon viele Kollegen mit seiner unverblümten Kritik vor den Kopf gestoßen.

„Weil er ein sehr guter Architekt ist“, erklärte Hal Thompson. „Er hebt sich wohltuend von der Masse ab und erinnert mich an meine eigenen wilden Jahre. Allerdings besaß ich damals nicht so viel Mut.“

Während seiner ganzen beruflichen Laufbahn hatte Hal Thompson eine Partnerschaft stets abgelehnt; selbst große Firmen hatten ihn nicht überzeugen können. Natürlich hatte Hope deshalb angenommen, er wollte keinen Partner, weil er ja eine Tochter hatte, die diesen Platz eines Tages einnehmen würde. Und nun war sie bitter enttäuscht worden.

Cain Daniels hatte ihren Platz eingenommen!

Es dauerte fast ein Jahr, bis Hope nach ihrem Schweizaufenthalt wieder nach Toronto zurückkehrte. Die erfolgreiche Operation hatte aus ihr einen neuen Menschen gemacht. Ohne Schmerzen und Hinken ging sie mit einem nie gekannten Selbstbewusstsein durchs Leben. Und nun – mit vierundzwanzig Jahren – lernte sie auch, ihre weiblichen Reize bewusst einzusetzen.

Was sie bisher nur aus der Beobachtung kannte, erlebte sie plötzlich persönlich. Mitten in einer lebhaften Unterhaltung fiel es ihr manchmal auf, wie ihre Beine bewundernd betrachtet wurden. Am Anfang war ihr das fast peinlich, doch dann brauchte sie nur an die Zeit vor der Operation zu denken.

Ich bin wie andere Frauen, freute sie sich dann, meine Beine werden angeschaut, weil sie schön sind, und nicht, weil ich hinke.

Für das Wochenende nach Hopes Heimkehr hatte ihr Vater eine Party geplant, zu der auch Cain eingeladen war. „Es ist Zeit, dass ihr euch kennenlernt“, meinte Hal Thompson. Der skeptische Blick seiner Tochter entging ihm nicht, doch er schwieg dazu.

Unter den Gästen waren viele Freunde und Bekannte aus früheren Tagen, die sich alle freuten, Hope wiederzusehen. Sie hatte sich sorgfältig zurechtgemacht, sodass sie der Bewunderung der Anwesenden gewiss sein konnte. Ein kurzes, enges Cocktailkleid aus schimmerndem schwarzen Satin betonte ihre Figur und brachte ihre schlanken Beine vorteilhaft zur Geltung.

Das rötlich-braune, perfekt geschnittene Haar fiel ihr in sanften Locken auf die nackten Schultern. Wie herrlich war es doch, eine attraktive Frau zu sein, die von allen bewundert wurde! Lange genug hatte sie mitleidige Blicke hinnehmen müssen; jetzt genoss sie es, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen.

Doch dann wandten sich plötzlich alle Blicke von ihr ab und zur Tür. Aufgeregtes Getuschel erklang. Cain Daniels war erschienen.

Um Hopes Lippen stahl sich ein bitterer Zug. Das war also der viel gepriesene Wunderarchitekt! Da trat auch schon ihr Vater zu Cain, um ihn seiner Tochter vorzustellen. Hope musterte den Mann neugierig. Er war groß und schlank, mit dunkelbraunem Haar, das ihm vorwitzig in die Stirn fiel. Eine kaum zu zügelnde Energie schien von ihm auszugehen. Sein leichter Akzent, den sie nicht einordnen konnte, überraschte sie.

Während des Essens saßen sie sich gegenüber. „Wenn ich richtig informiert bin, Hope, dann waren Sie in einer Klinik in der Schweiz“, richtete Cain das Wort an sie.

„Ja.“

„Waren Sie schwer krank? Immerhin dauerte Ihr Aufenthalt mehrere Monate.“

„Ich habe mich von einer Operation erholt“, antwortete sie feindselig.

„Sie sehen ausgezeichnet aus. Die Erholung scheint Ihnen sehr gut getan zu haben.“

„In der Tat.“

„Aber für Ihre Karriere war so ein langer Auslandsaufenthalt bestimmt nicht förderlich.“ Er lehnte sich zurück und beobachtete Hope aus zusammengekniffenen, schwarzen Augen. Hope verstand nur zu gut, was er eigentlich ausdrücken wollte: dass er sie für ein verwöhntes reiches Mädchen hielt. „Womit haben Sie sich vor dem Krankenhausaufenthalt beschäftigt?“, fragte er weiter.

„Ich war auf Reisen und habe gemalt.“

„Oh, Sie sind Künstlerin?“ Nun machte er sich ganz offen über sie lustig. „Und, haben Sie schon eines Ihrer Werke verkauft?“

Sie lachte gezwungen, ignorierte ihn und wandte sich an die anderen Tischnachbarn. „Jeder, und wenn er nicht einmal weiß, wer Picasso war, maßt sich an, einen Künstler allein durch den materiellen Wert seiner verkauften Bilder beurteilen zu können.“

Nachdem...