Mit diesem Ring ...

von: Arlene James

CORA Verlag, 2018

ISBN: 9783733759070 , 130 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 1,99 EUR

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Mit diesem Ring ...


 

1. KAPITEL

Zwei Scheiben Kartoffelbrot, leicht getoastet und mit süßem Senf bestrichen. Hauchdünn geschnittene geräucherte Truthahnbrust und eine Scheibe mageres Roastbeef. Eisbergsalat, leicht gesalzene Tomatenscheiben, kein Käse. Relish aus Schalotten, Gürkchen und Jalapeño-Chilis. Zuletzt über alles in feine Ringe geschnittene schwarze Oliven und ein Schuss roter Weinessig verteilt.

Jillian drückte die zweite Brotscheibe sorgfältig auf das riesige Sandwich und umwickelte es mit Butterbrotpapier, das sie mit einem Zahnstocher feststeckte. Sie packte es noch einmal ein und steckte es in eine braune Papiertüte mit der Aufschrift Downtown Deli. Außerdem schob sie eine kleine Tüte Kartoffelchips, einen roten Delicious-Apfel und ein Stückchen Schokolade mit Pfefferminzfüllung hinein. Danach goss sie starken schwarzen Kaffee in einen großen Becher, verschloss ihn mit einem Deckel und stellte Tüte und Becher auf ein Tablett.

Jetzt konnte sie endlich an sich selbst denken. Sie wusch die Hände an der Spüle, nahm die beschmutzte weiße Schürze ab und strich den Rock der hellgrauen Uniform glatt. Nachdem sie die Brille auf der Nase hochgeschoben hatte, rückte sie das Stirnband mit dem Firmennamen, das ihr hellbraunes Haar festhielt, zurecht und seufzte über ihr Aussehen. Mit einsfünfundsiebzig und hundertzwanzig Pfund war sie zu dünn. Die hellblauen Augen waren für das schmale Gesicht viel zu groß. Aber Zachary Keller von der Threat Management Inc. fiel das alles bestimmt nicht auf.

In den sieben Wochen, die sie nun hinter der Theke des Deli in seinem Bürogebäude arbeitete, hatte er sie kaum wahrgenommen. Dabei hatte sie ihm mindestens ein Dutzend Mal das gleiche Sandwich zubereitet. Jetzt brauchte sie seine Hilfe. Von einem anonymen Gesicht hinter der Ladentheke verwandelte sie sich in eine Bittstellerin und danach in eine Vermittlerin. Danach wurde sie nicht mehr gebraucht. Wichtig war nur, Zachary Kellers Interesse für Camille zu wecken, und das gelang ihr bestimmt.

Was spielte es da schon für eine Rolle, wenn sie bei seinem Anblick jedes Mal weiche Knie bekam? So erging es ihr doch bei jedem großen, kräftigen Mann mit dunklem Haar, grünen Augen und einem gut geschnittenen Gesicht. Wenn ihr kein bestimmter Mann in Erinnerung geblieben war, hatte das nichts zu bedeuten. Sie selbst war sicher auch keinem aufgefallen. Die zierliche, hübsche, blonde und erfolgreiche Camille wurde stets beachtet. Camille war ihre einzige Verwandte, ihre geliebte und bewunderte ältere Schwester.

Der kahlköpfige Geschäftsführer nickte Jillian zu, worauf sie mit dem Tablett in der Hand hinter der Kühltheke hervorkam und zwischen den wenigen Tischen und Stühlen zu den Aufzügen auf der anderen Seite der Halle ging.

Ihre Kollegin Tess wischte soeben über die Glasplatte eines winzigen schmiedeeisernen Tisches, an dem zwei Sekretärinnen die Kaffeepause verbracht hatten. „Vorwärts, Mädchen!“, rief sie Jillian aufmunternd zu. „Schnapp dir den tollen Kerl!“

Lachend hielt Jilly die überkreuzten Finger hoch. Jede Frau im Haus schwärmte von dem Mann. Mit dem offenen Lächeln, den rätselhaften grünen Augen und der muskulösen Figur löste er Träume aus. Laut Lois, seiner ungefähr fünfzigjährigen Sekretärin, geschieden, tüchtig und redselig, traf er sich jedoch nur selten mit einer Frau. Einige der Mädchen tippten auf ein gebrochenes Herz.

Jillian betrat den Aufzug und drückte den Knopf für den siebenten Stock.

Zach unterbrach das Diktat, als es klopfte, und schaltete den Recorder ab. „Ja!“

Seine Sekretärin öffnete die Tür. Lois steckte den Kopf mit dem hoch aufgetürmten dunklen Haar herein. „Mittagessen!“, verkündete sie fröhlich.

Zach warf einen Blick auf die Armbanduhr mit dem Zifferblatt aus Onyx. „Ziemlich früh, nicht wahr?“

Wie üblich hörte Lois gar nicht hin, sondern gab jemandem hinter ihr ein Zeichen. Zach lehnte sich zurück und legte die Beine auf die Ecke des Schreibtisches.

Eine hoch gewachsene, schlanke Frau in einer schlecht sitzenden grauen und weißen Uniform und mit einer großen, rechteckigen Brille erschien in der Tür. In der Hand hielt sie ein Tablett.

Es dauerte einen Moment, bis er die Frau einordnen konnte. Der Deli im Haus. Sie war größer, als er gedacht hatte, und mager. Das interessante Gesicht wurde von dieser scheußlichen Brille fast vollständig verdeckt.

„Ich habe heute kein Mittagessen bestellt“, sagte er freundlich.

„Ich weiß“, erwiderte sie atemlos.

Weil sie so ernst wirkte, verkniff er sich das Lachen. „Polizisten kann man bestechen, aber ich bin keiner mehr, Miss …?“

„Waltham“, warf Lois ein. „Das ist Jillian Waltham. Jilly, das ist mein Chef, Zachary Keller. Jilly hat ein Problem, Boss, und ich habe ihr versprochen, dass Sie ihr helfen.“

Also wieder einmal eine Gefälligkeit! Sonst ärgerte er sich nie darüber, jetzt schon. Nie wies er Leute ab, die wirklich Hilfe brauchten, meistens Frauen, die von ihren Lebensgefährten misshandelt wurden.

Seine zahlenden Klienten waren vorwiegend Berühmtheiten, die Schutz oder einfach jemanden brauchten, der sie in der Öffentlichkeit abschirmte. War gerade nicht viel zu tun, arbeitete Zach auch für Firmen und Organisationen und sorgte für Sicherheit bei Seminaren oder Banketten.

Am liebsten half er Einzelpersonen, die in Gefahr waren oder im Leben nicht mehr weiter kamen. Aus einem unerfindlichen Grund wollte er jedoch mit dieser Frau nichts zu tun haben, konnte aber trotzdem nicht ablehnen.

Er stellte die Füße auf den Boden und griff lächelnd nach der Tüte. „Setzen Sie sich, Jillian Waltham, und verraten Sie mir, wie ich Ihnen helfen kann.“

Sie reichte ihm das Tablett und ließ sich auf den Stuhl vor dem Schreibtisch sinken. „Ich hätte einen Termin vereinbaren sollen, aber ich fürchtete, dass es dann Wochen dauern könnte, bis Sie Zeit für mich haben.“

Das Geschäft lief gut, doch er winkte ab. „Kein Problem. Das schaffen wir schon.“

„Es ist so, wie Sie es immer bestellen“, sagte sie mit einem Blick auf das Sandwich.

Er griff nach dem Kaffeebecher, warf den Deckel in den Papierkorb, nahm einen Schluck und betrachtete die Frau genauer. Das Gesicht hinter der scheußlichen Brille und unter dem albernen Stirnband war erstaunlich hübsch. Die unglaublich großen Augen stachen besonders hervor. Er sah genauer hin. Vielleicht brauchte sie die Brille gar nicht. Die Gläser wirkten dünn und flach. Wovor wollte sie sich verstecken?

Zach wusste aus trauriger Erfahrung, dass gewalttätige Männer ihre Frauen so lange herabsetzten, bis diese sich selbst hassten. Die Männer schienen nicht zu ertragen, dass jemand sah, was sie attraktiv fanden. Derartig bedrängte Frauen fanden sich unattraktiv, sogar hässlich, und richteten sich auch dementsprechend her. Wer hatte Jillian Waltham davon überzeugt, dass sie unattraktiv war?

„Sind Sie verheiratet?“, fragte er mit einem Blick auf ihre Hand, an der er keinen Ring fand.

„Nein“, erwiderte sie überrascht.

„Waren Sie jemals verheiratet?“

„Nein.“

„Dann ist es also Ihr Freund“, vermutete er. „Er sagt, dass Sie ihn gar nicht verdienen, aber er lässt Sie auch nicht gehen. Das kenne ich zur Genüge.“

Sie schob die Brille auf der kleinen Nase hoch, und lachte plötzlich. In diesem Moment war sie nicht einfach hübsch, sondern atemberaubend schön. Zach stellte den Becher hart auf den Tisch und wusste schlagartig, was ihn an dieser Frau störte.

Serena.

Jillian Waltham erinnerte ihn an Serena.

Sofort unterdrückte er alle Gefühle, die durch den Gedanken an Serena ausgelöst wurden. Ihr sinnloser Tod machte ihn noch heute wütend.

„Es geht nicht um meinen Freund, sondern um den meiner Schwester“, erklärte sie.

„Ihrer Schwester“, wiederholte er.

„Vielleicht haben Sie von ihr gehört. Camille Waltham, Nachrichten auf Channel 3.“

Camille Waltham, Channel 3. Ja, er kannte sie, eine hübsche Blondine mit schicker Frisur und perfektem Make-up. Also handelte es sich nicht um eine Gefälligkeit, und es ging auch nicht um Jillian Waltham, die ihn an Serena erinnerte. Zach holte erleichtert aus der Schublade einen Block und einen Stift.

„Also, jemand bedroht Ihre Schwester“, stellte er fest.

„Eigentlich kann man nicht von Bedrohung sprechen“, erwiderte Jillian nachdenklich. „Er bedrängt sie.“

„Wann hat das begonnen?“

„Als sie mit ihm Schluss machte. Das ist typisch für ihn. Janzen konnte noch nie eine Abfuhr einstecken. Das ist für ihn wie ein rotes Tuch. Sagt man ihm, dass ein gemeinsamer Abend nicht infrage kommt, will er einen haben, selbst wenn er eigentlich gar nicht daran interessiert ist.“

Zach zwang sich zu Geduld. „Ich brauche unbedingt einen gemeinsamen Abend.“

„Einen gemeinsamen Abend?“

Ihr fassungsloser Ton wunderte ihn. „Ja, bitte.“

„Na gut“, meinte sie, „aber zuerst müssen wir uns um meine Schwester kümmern. Sie ist meine einzige Verwandte.“

Er sah sie sekundenlang an, ehe er begriff. Dann wusste er nicht, ob er sich amüsieren oder ärgern sollte. „Sie haben mich falsch verstanden. Ich brauche das Datum des letzten gemeinsamen Abends, den Ihre Schwester mit ihrem Freund verbracht hat.“

„Ach so!“ Sie lachte, wurde jedoch rot. „Und ich dachte … aber ich hätte es besser wissen...