Sword Art Online - Fairy Dance - Light Novel 04

von: Reki Kawahara

Tokyopop Verlag, 2018

ISBN: 9783842050969 , 320 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

Mac OSX,Windows PC für alle DRM-fähigen eReader Apple iPad, Android Tablet PC's Apple iPod touch, iPhone und Android Smartphones

Preis: 7,99 EUR

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Sword Art Online - Fairy Dance - Light Novel 04


 

4


»Hatschiii!«

Ein undamenhaft kräftiger Nieser entfuhr der Sylphen- Schwertkämpferin Leafa, und sie bedeckte hastig ihren Mund mit beiden Händen.

Schnell sah sie zum Eingang des Schreins. Sie stellte sich schon vor, wie dort das riesige Gesicht einer bösen Gottheit hereinlugte, die von dem Geräusch angelockt worden war. Doch glücklicherweise tanzten dort nur Schneeflocken. Sobald sie sich dem Feuerchen auf dem Boden des Schreins näherten, schmolzen sie noch in der Luft und verdampften.

Während sie den Kragen ihres dicken Umhangs zurechtrückte, kauerte Leafa sich wieder an die hintere Wand des Schreins und stieß einen tiefen Seufzer aus. Kaum spürte sie die Wärme des flackernden Feuers, als sich schon die Schläfrigkeit heranschlich. Leafa blinzelte mehrmals, um sie zu vertreiben.

Es war ein kleiner steinerner Schrein mit etwa vier Metern Länge, Breite und Höhe. Die Wände und Decke waren geschmückt mit Reliefs von schrecklichen Monstern, die sich im flackernden Licht der Flammen zu bewegen schienen. Nicht gerade das, was man ein lauschiges Plätzchen nennen würde. Dennoch war Leafas Begleiter, der neben ihr im Schneidersitz an der Wand lehnte, mit einem friedlichen – oder eher dümmlichen – Gesichtsausdruck eingenickt.

»Hey, wach auf!«, flüsterte sie und zog an seinem spitzen Ohr, doch er murmelte nur etwas Unverständliches. Auf seinem Knie hatte sich ein weiteres Mitglied ihrer Gruppe, eine kleine Fee, zusammengerollt. Sie atmete ruhig im Schlaf.

»Hör mal, wenn du schläfst, wirst du ausgeloggt!«

Noch einmal zog sie an seinem Ohr. Daraufhin ließ er einfach seinen Kopf auf ihren Schoß fallen und bewegte sich dann auch noch ein wenig hin und her, wie um eine bequeme Position zu finden.

Mit einem frustrierten Aufschrei streckte sie ihren Rücken und ballte ihre Fäuste in der Luft, während sie überlegte, wie sie ihren Begleiter wecken sollte.

Allerdings war es kein Wunder, dass er eingeschlafen war. Schließlich ging es schon auf zwei  Uhr morgens zu, wie ihr ein Blick auf die Zeitanzeige in der unteren rechten Ecke ihres Blickfelds verriet. Um diese Zeit lag Leafa sonst schon längst im Bett und schlief tief und fest.

Natürlich war Jötunheimr, wie auch Alfheim darüber, keine echte Welt. Es war eine virtuelle Welt auf einem Server, der irgendwo im wirklichen Tokyo, Japan stand. Leafa und ihr Begleiter befanden sich gerade im Full Dive in dieser Welt mithilfe des »AmuSphere«-Interface.

Diese Welt zu verlassen, war tatsächlich ganz einfach. Ein Wisch nach unten mit Zeige- und Mittelfinger öffnete ein Fenster für das Hauptmenü, wo man nur noch den Log-out- Button drücken musste. Oder man konnte sich einfach schlafen legen, woraufhin das Gerät die Änderung der Gehirnwellen registrierte und die Verbindung automatisch trennte. Am nächsten Morgen wachte man in seinem Bett in der wirklichen Welt auf.

Doch jetzt gab es einen Grund, warum sie der heftigen Müdigkeit zum Trotz wach bleiben mussten.

Also blieb sie hart und ballte ihre linke Hand zur Faust, die sie mitten auf sein stacheliges, schwarzes Haar hinabsausenließ.

Mit einem satten Sound blitzte der gelbe Lichteffekt eines physischen Angriffs auf, und ihr Begleiter schnellte mit einem merkwürdigen Laut hoch. Er hielt seinen Kopf mit beiden Händen und sah sich nervös um, bis er Leafa erblickte, die ihn anlächelte.

»Guten Morgen, Kirito.«

»Gu… Guten Morgen.«

Ihr Begleiter war der Schwertkämpfer Kirito, ein Spriggan mit dunkler Haut und schwarzen Haaren. Der niedergeschlagene Gesichtsausdruck passte nicht zu seiner schelmischen Erscheinung, die an den Protagonisten eines Shonen-Mangas erinnerte.

»Habe ich etwa geschlafen …?«

»Auf meinem Schoß. Sei froh, dass du mit einem kleinen Klaps davongekommen bist.«

»Das tut mir leid. Als Wiedergutmachung darfst du auch auf meinem Schoß …«

»Nein, danke!« Sie wandte sich ab und sah Kirito aus den Augenwinkeln scharf an. »Red nicht so einen Stuss, erzähl mir lieber von dem genialen Fluchtplan, der dir im Traum eingefallen ist.«

»Im Traum … Da fällt mir nur ein, beinahe hätte ich den gigantischen Pudding à la mode essen können …«

Es war dumm von mir zu fragen, dachte Leafa und ließ die Schultern hängen. Noch einmal sah sie zum Eingang des Schreins. Inmitten der tiefen Dunkelheit tanzten dort immer noch nur die Schneeflocken, die der Wind herumwirbelte. Ansonsten bewegte sich überhaupt nichts.

Der Grund, aus dem sie sich nicht ausloggen konnten, war folgender: Leafa, Kirito und die kleine Fee Yui, die auf seinem Knie schlief, waren derzeit in den Tiefen von Jötunheimr eingeschlossen und konnten nicht zur Oberfläche entkommen.

Natürlich wäre es möglich gewesen, das Spiel einfach zu verlassen. Doch dieser Schrein war weder ein Gasthaus noch eine sichere Zone, daher wären ihre Avatare für eine gewisse Zeit leblos zurückgeblieben, nachdem ihr Bewusstsein in die Realität zurückgekehrt war.

Ein zurückgelassener Avatar schien Monster förmlich anzuziehen. Bei einem Angriff würden ihre HP ohne Gegenwehr dezimiert werden, und sie wären im Nu tot, woraufhin sie zum letzten Speicherpunkt in der Sylphen-Hauptstadt »Swilvane« zurückgebracht werden würden. Und wofür hätten sie dann die weite Reise vom Sylphen-Territorium hierher unternommen?

Leafas und Kiritos Ziel war »Alne«, die Hauptstadt im Zentrum von Alfheim.

Sie waren heute Abend aus Swilvane aufgebrochen – genauer gesagt, war das mittlerweile gestern gewesen. Sie waren über ein ausgedehntes Waldgebiet geflogen, hatten lange Minentunnel durchquert und dann auch noch einen Angriff der feindlichen Salamander zurückgeschlagen. Als die Gruppe um die Sylphen-Fürstin Sakuya ihnen gedankt und sich von ihnen verabschiedet hatte, war es nach ein Uhr morgens gewesen.

Auch wenn sie unterwegs einige Toilettenpausen eingelegt hatten, hatte ihr Dive zu diesem Zeitpunkt schon acht Stunden angedauert. Alne war immer noch in dunstiger Ferne gewesen, und es hatte nicht gewirkt, als würden sie die Stadt so bald erreichen können. Daher hatten sie sich entschieden, ihr Abenteuer an dieser Stelle erst einmal zu beenden und sich in einem Gasthaus in der Nähe auszuloggen. Sie waren in einem kleinen Dorf gelandet, das sie glücklicherweise im Wald entdeckt hatten.

Sie hätten sich bei der Gelegenheit die Mühe machen sollen, die Map zu öffnen, um nach dem Namen des Dorfes und dem Vorhandensein eines Gasthauses zu sehen. Wer hätte auch ahnen können …

»Wer hätte auch ahnen können, dass das ganze Dorf ein getarntes Monster ist …?«, fragte Kirito mit einem Seufzen, als hätte er sich gerade an das Gleiche erinnert.

Auch Leafa seufzte und nickte: »Aber wirklich … Wer hat eigentlich behauptet, dass es in den Alne-Hochebenen keine Monster gibt?«

»Das warst du.«

»Daran kann ich mich nicht erinnern.«

Nach diesem Wortwechsel seufzten sie beide erneut.

Bei ihrer Ankunft in dem rätselhaften Dorf waren Leafa und Kirito verwirrt gewesen, keinen einzigen Bewohner oder NPC zu sehen. In der Erwartung, dort zumindest den Inhaber eines Gasthauses vorzufinden, wollten sie gerade das größte Gebäude betreten, als es geschah.

Die drei Gebäude des Dorfes stürzten gleichzeitig ein. Ihnen blieb nicht einmal mehr die Zeit, mit weit aufgerissenem Mund über die schleimig glänzende,  fleischige  Geschwulst zu staunen, in die sich das vermeintliche Gasthaus verwandelt hatte, als sich auch schon der Boden unter ihren Füßen auftat. Im Inneren klaffte eine dunkelrote Höhle, die sich wellenförmig zusammenzog. Was ausgesehen hatte wie ein Dorf, war das Lockmittel eines entsetzlich riesigen Wurm- Monsters gewesen, das die Fortsätze um sein Maul in Gebäude verwandelt hatte.

Leafa, Kirito und Yui in seiner Brusttasche wurden einfach eingesogen und verschluckt. Während sie durch den glitschigen Verdauungstrakt befördert wurden, überlegte Leafa, ob sie nun einfach in der Magensäure aufgelöst werden würden. Sie war überzeugt, dass das ohne Zweifel die schlimmste Todesart ihrer einjährigen Spielerfahrung in ALO sein würde.

Glücklicherweise schienen Leafa und die anderen dem Wurm nicht zu munden, und so wurde sie am Ende einer etwa dreiminütigen Reise durch seinen Verdauungstrakt wieder ausgespien. Das Gefühl von Schleim, der an ihrem ganzen Körper klebte, verursachte ihr Gänsehaut. Sogleich  wollte  sie ihren Fall mit den Flügeln an ihrem Rücken stoppen und schauderte erneut.

Siekonntenicht fliegen. Sosehr sie auch ihre Schulterblätter anspannte, um mit den Flügeln zu schlagen, sie bekam keinen Auftrieb. Nach ihr wurde auch Kirito ausgespuckt, und zusammen stürzten sie geradewegs durch ein undefinierbares Halbdunkel. Mit einem Wumms! landeten sie im tiefen Schnee.

Sie zappelte und strampelte, um sich daraus zu befreien. Das Erste, was sie sah, war nicht der Nachthimmel, an dem Mond und Sterne leuchteten, sondern ein endloses Felsgewölbe. Also waren sie in einer Höhle, deswegen konnten sie natürlich auch nicht fliegen. Sie verzog das Gesicht und ließ ihren Blick umherschweifen, als ihr eine hoch aufragende, groteske Gestalt ins Auge sprang, die sich langsam über ein nahes Schneefeld bewegte. Es war ganz ohne Zweifel eines der schrecklichen Monster aus der Klasse der bösen Gottheiten, die sie bis dahin nur auf Bildern gesehen hatte.

Mit ganzer Kraft hielt sie Kirito den Mund zu, als er neben ihr aus dem Schnee auftauchte und gerade losschreien wollte.

In dem Augenblick begriff Leafa, dass sie zum ersten Mal in der unermesslich weiten Untergrundwelt »Jötunheimr« gelandet waren, der schwierigsten Region in ALO. Mit...