Elementar - Wie das Periodensystem (beinahe) die ganze Welt erklärt

von: Tim James

ecoWing, 2019

ISBN: 9783711052537 , 256 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 15,99 EUR

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Elementar - Wie das Periodensystem (beinahe) die ganze Welt erklärt


 

2 Unzerschneidbar


Diamanten, Erdnüsse und Leichen


Im Jahr 1812 entwickelte der deutsche Chemiker Friedrich Mohs eine von 1 bis 10 reichende Skala zur Einstufung der Härte von Mineralen. Zahnschmelz hat einen Härtegrad von 5, während Eisen lediglich auf einen Wert von 4 kommt. Das bedeutet, dass Ihre Zähne theoretisch in der Lage sind, einen Eisenklumpen zu zermahlen, obwohl ich Ihnen davon abrate, es auszuprobieren. Denn wenn Sie versehentlich auf Stahl beißen (das heißt auf mit Kohlenstoff verunreinigtes Eisen), werden Sie es bereuen – diese Mischung hat nämlich einen Härtegrad von etwa 7,5.

Der Wert 10 wurde ursprünglich an den Diamanten vergeben, denn er war seinerzeit das härteste bekannte Mineral. Aber im Jahr 2003 wurde er vom Thron gestoßen, als es einer japanischen Forschergruppe gelang, einen noch härteren Super-Diamanten zu erzeugen.

Eine populäre Erklärung für die Entstehung von Diamanten ist, dass Kohle (fossilisierte Pflanzen) im Erdinneren derart großem Druck ausgesetzt wird, dass sie schließlich extrem hart und transparent wird. Das zumindest haben viele von uns in der Grundschule gelernt. Es ist ein Mythos. Diamanten entstehen nur unter sehr viel extremeren Bedingungen.

Im selben Jahr, in dem der Super-Diamant entwickelt wurde, wartete auch Hollywood mit einer unglaublichen Schöpfung auf: Den Science-Fiction-Film The Core (der deutsche Titel lautet The Core – Der innere Kern) muss man gesehen haben, um zu verstehen, warum er so unglaublich ist. Zu den Glanzlichtern des Films zählen ein Mann, der von einem Laptop aus das globale Internet hackt, Sonnenlicht, das stark genug ist, die Golden Gate Bridge einzuschmelzen, und Hilary Swank, die eine Raumfähre im San Fernando Valley landet.

Mir hat es insbesondere eine Szene angetan: Ein Forscherteam wird in den Erdmantel hinuntergeschickt, um den Kern des Planeten mit einer Atombombe zu sprengen, und muss auf dem Weg Diamanten ausweichen, die so groß wie Häuser sind.19

Interessant an dieser Szene ist, dass sie durchaus realistisch wirkt, wenn man davon absieht, dass Riesendiamanten unwahrscheinlich sind. Denn Diamanten entstehen tatsächlich im Erdmantel, nicht in der Kruste.

Ein Diamant besteht ausschließlich aus Kohlenstoff, und seine Entstehung dauert mehrere Milliarden Jahre. Zwar enthalten Pflanzen Kohlenstoff, aber es gibt sie noch nicht so lange, dass die Diamanten, die heute aus dem Boden geholt werden, aus pflanzlichen Überresten hätten entstehen können. Außerdem bedarf es gewaltigen Drucks und extrem hoher Temperaturen, um Kohlenstoffmoleküle dazu zu bewegen, sich zu einem Kristall anzuordnen – in der Kruste eines Planeten sind dieser Druck und solche Temperaturen unmöglich zu erreichen.

Tatsächlich entstehen Diamanten einige hundert Kilometer tief im Erdmantel, wo der Druck mehrere hunderttausend Mal höher ist als in der Atmosphäre und die Temperaturen etwa mit denen an der Oberfläche der Sonne vergleichbar sind. An die Erdoberfläche gelangen die Kristalle durch Vulkanausbrüche.

Der Mythos vom zusammengepressten pflanzlichen Material hat seinen Ursprung vermutlich darin, dass wir auch Kohle zutage fördern, die tatsächlich aus unter hohen Temperaturen komprimierten Pflanzenresten besteht. Doch diese Temperaturen und Druckniveaus sind viel zu gering für die Entstehung von Diamanten.

Es stimmt auch, dass sich das eine auf natürlichem Weg in das andere verwandelt, aber der Prozess verläuft umgekehrt wie der im Mythos beschriebene: Diamanten sind nicht vollkommen stabil und zerfallen im Lauf von Tausenden Jahren zu Kohle. Die naheliegende Frage lautet also: Könnten wir diesen Prozess umkehren?

Im Jahr 2003 entschloss sich Tetsuo Irifune vom Institute of Technology in Tokio, genau das zu versuchen und Kohle zu einem Diamanten zu pressen. Irifune setzte einen Klumpen kohleartigen Kohlenstoffs in einer Art von extremem Drucklufttopf einem Druck aus, der den im Erdmantel deutlich überstieg. Das Resultat war ein Super-Diamant, eine chemische Substanz, die es nie zuvor gegeben hatte.20

Super-Diamanten haben eine Mohs-Härte (benannt nach dem deutschen Mineralogen Friedrich Mohs) von mehr als 10, aber der genaue Wert ist noch nicht berechnet worden, denn der Super-Diamant ist winzig, weil das ursprüngliche Stück Kohle so stark komprimiert wurde: Wir sprechen hier von einigen millionstel Gramm.

Aber man muss keine Kohle als Ausgangsmaterial verwenden. Dan Frost vom Bayerischen Geoinstitut hat es geschafft, einen Diamanten durch Kompression von Erdnussbutter zu erzeugen,21 und die in Illinois ansässige Firma LifeGem kann aus der Asche unserer verstorbenen Angehörigen künstliche Diamanten pressen. Alles, was man dazu braucht, ist Kohlenstoff.

Die Tatsache, dass Kohle, Diamanten und Super-Diamanten alle aus demselben Element bestehen, jedoch unterschiedliche Eigenschaften aufweisen (wir sprechen von »Kohlenstoffallotropen«), zeigt, dass sich Elemente auf unterschiedliche Art anordnen können.

Um dieses Phänomen zu erklären, müssen wir uns genauer mit der Vorstellung auseinandersetzen, dass etwas wie ein Diamant oder »unzerschneidbar« sein kann. Das griechische Wort für »unzerschneidbar« kennen Sie vermutlich bereits: átomos.

Der Mann, der Gottes Existenz bewies


Nehmen wir an, Sie halten ein Sandkorn zwischen den Fingerspitzen. Mit bloßem Auge ist es schwierig, Einzelheiten dieser Struktur zu erkennen, aber das Sandkorn wird logischerweise zwei Hälften haben: eine linke und eine rechte. Wir können uns ein Messer vorstellen, dessen Klinge so fein wäre, dass Sie das Sandkorn damit in der Mitte zerschneiden könnten. Anschließend könnten Sie den Vorgang wiederholen, die Hälften in Viertelkörner zerteilen und so weiter.

Theoretisch könnten Sie das unendlich fortsetzen. Egal wie klein der Bruchteil des Sandkorns wird, man könnte es mit geeigneten Mikroskopen ständig weiter vergrößern und jeden Splitter mit einem noch feineren Messer stets noch einmal zerteilen.

Die Alternative wäre sinnlos.

Stellen Sie sich vor, Sie würden ein Sandkorn in so kleine Teile zerschneiden, dass sie schließlich keine zwei Hälften mehr hätten. Dieses Teil wäre so klein, dass es keine Größe mehr hätte, sondern einfach wäre. Bei einem solchen Objekt wäre die Vorstellung, es in zwei Hälften zu zerteilen, sinnlos. Das wäre so, als würde man mit einem Taschenrechner versuchen, eine Zahl durch 2 zu teilen, aber der Rechner würde antworten: »Sie haben die kleinste Zahl erreicht, die Sie nicht mehr teilen können.« Es wäre verrückt, die Existenz eines kleinsten Objekts anzunehmen.

Womit wir bei Demokrit sind.

Demokrit war ein Philosoph und Stand-up-Comedian, der im fünften vorchristlichen Jahrhundert in Griechenland lebte und die Vorstellung von elementaren Stoffen sehr ernst nahm. Er glaubte, dass alles Seiende aus winzigen, unzerteilbaren Einheiten (Atomen) bestehe, die in ihrer Gesamtheit die Welt bildeten.

Nehmen wir an, Sie haben eine Packung M&Ms. Anstatt eine bunt gemischte Handvoll nach der anderen zu essen, wird jeder vernünftige Mensch die Schokolinsen nach Farben sortieren und einen einfarbigen Haufen nach dem anderen genießen. Einer Person, die es nicht so macht, sollten Sie nicht vertrauen.

Wenn wir eine Substanz in ihre Elemente zerlegen, tun wir genau das: Wir reduzieren eine Mischung auf ihre reinen Bestandteile. Wir ordnen die Atome nach Typen. Das würde auch erklären, woher die Allotrope kommen, das heißt, warum chemische Elemente in mehreren Strukturformen auftreten können: Diamant, Kohle und Super-Diamant können alle aus unterschiedlich angeordneten Kohlenstoffatomen bestehen und die unterschiedlichen Anordnungen vielfältige, unterschiedliche Eigenschaften bedingen.

Und als wäre die Atomhypothese nicht schon seltsam genug gewesen, griff Aristoteles später auf Demokrits Vorstellung zurück, um die Existenz Gottes zu beweisen: Da die Atome ständig in Bewegung seien, aneinander abprallten und durch den leeren Raum flögen, könne die Bewegung jedes Atoms auf eine Kollision mit einem früheren Atom zurückgeführt werden, dessen Bewegung auf einen Zusammenstoß mit einem noch früheren zurückzuführen sei. Ursache führe zu Wirkung, und jede Wirkung sei auf eine Ursache zurückzuführen. Gehe man weit genug zurück, so finde man an einem bestimmten Punkt eine erste Bewegung, die alle anderen verursacht habe, selbst jedoch keine Ursache habe. Diese nicht verursachte Ursache entziehe sich den Naturgesetzen, könne diese jedoch beeinflussen. Mit anderen Worten: Sie sei Gott.22

Deuten Sie das ganz nach Belieben.

Der Herr der Sümpfe


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