Diese Note akzeptieren wir nicht - Welche Rechte Eltern in der Schule haben. Die beste Hilfe bei heiklen Schulrechtsfragen

von: Thomas Böhm

mvg Verlag, 2019

ISBN: 9783961213887 , 224 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

Mac OSX,Windows PC für alle DRM-fähigen eReader Apple iPad, Android Tablet PC's Apple iPod touch, iPhone und Android Smartphones

Preis: 2,99 EUR

eBook anfordern eBook anfordern

Mehr zum Inhalt

Diese Note akzeptieren wir nicht - Welche Rechte Eltern in der Schule haben. Die beste Hilfe bei heiklen Schulrechtsfragen


 

1 ELTERNRECHT


Viele Eltern sehen ihr Verhältnis und das ihrer Kinder zur Schule als das zweier Herrschaftsbereiche: Zu Hause haben die Eltern recht und Rechte, in der Schule die Lehrer. Verbunden werden die beiden Sphären durch die Befürchtungen oder Ansprüche der Eltern. Betrachten Eltern die Schule vor allem als staatliche Institution, befürchten sie Eingriffe in ihre Rechte und die ihrer Kinder, die es möglichst abzuwehren gilt. Sehen Eltern die Schule vorrangig als Dienstleistungsunternehmen, erheben sie weitreichende Ansprüche. Beide Grundhaltungen verkennen das Elternrecht und die Rechte der Schüler in der Schule. Sie erfassen aber jeweils einen Aspekt des Rechtsverhältnisses der Eltern zur Schule und zeigen das Interesse der Eltern an ihren Kindern und deren schulischer Bildung.

GEMEINSAME ERZIEHUNGSAUFGABE


Eltern, die eine Abwehrhaltung der Schule gegenüber einnehmen, nehmen die rechtlich starke Stellung der Schule und der Lehrer wahr, verkennen aber ihre eigene verfassungs- und schulrechtliche Stellung im Verhältnis zur Schule. Das Elternrecht ist nicht vorrangig ein Abwehrrecht gegen die Schule, sondern eine Verpflichtung zur vertrauensvollen Zusammenarbeit mit der Schule.

Das Elternrecht ist ein Grundrecht: »Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht« (Art. 6 Abs. 2 GG). Es unterscheidet sich von allen anderen Grundrechten durch seinen Doppelcharakter als Recht und Pflicht. Wie ungewöhnlich ein Grundrecht als Pflicht ist, wird bei der Umformulierung anderer Grundrechte im Sinne einer Pflichtbindung deutlich: »Jedermann hat das Recht und die Pflicht, seine Meinung frei zu äußern.« Das klingt nicht nur merkwürdig, sondern nähme den Bürgern auch die Freiheit zu entscheiden, ob sie ihre Meinung kundtun wollen, und würde eine »Bekenntnispflicht« einführen, wodurch die Freiheit der Meinungsäußerung vernichtet würde, zu der wesentlich gehört, seine Meinung zu einem Thema nicht zwingend äußern zu müssen.

Die im Grundrechtskatalog einmalige Verbindung von Recht und Pflicht beruht auf der ebenfalls einmaligen Situation eines Grundrechts, das nicht vorrangig der Freiheit und Selbstverwirklichung des Grundrechtsträgers selbst, sondern dem Wohl eines Dritten dient: Das Elternrecht dient dem Wohl des Kindes.

Neben den Eltern hat auch der Staat in Gestalt der Schule einen eigenen, ebenfalls im Grundgesetz gewährleisteten Erziehungsauftrag: »Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Staates« (Art. 7 Abs. 1 GG). Dieser schulische Erziehungsauftrag wird nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht von den Eltern auf den Staat übertragen, sondern ist dem elterlichen Erziehungsrecht gleichgeordnet (BVerfG, Az.: 1 BvR 95/71).

Das Erziehungsrecht der Eltern und das des Staates können also nicht unverbunden nebeneinander existieren, mit der Zuständigkeit der Eltern für das private Leben und der Zuständigkeit des Staates für die Schule, da die Persönlichkeit eines Kindes nicht aus einem privaten und einem schulischen Teil besteht. Eltern und Lehrer müssen also bei der Verwirklichung der Bildungs- und Erziehungsziele partnerschaftlich zusammenwirken, wie es die Schulgesetze ausdrücklich vorschreiben und wie es das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung betont: »Diese gemeinsame Erziehungsaufgabe von Eltern und Schule, welche die Bildung der eigenen Persönlichkeit des Kindes zum Ziel hat, lässt sich nicht in einzelne Kompetenzen zerlegen. Sie ist in einem sinnvoll aufeinander bezogenen Zusammenwirken zu erfüllen« (BVerfG, Az.: 1 BvR 95/71).

Eltern und Lehrer schulden dem Kind, wie das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung betont und die Schulgesetze es ausdrücklich vorschreiben, eine vertrauensvolle Zusammenarbeit, da grundsätzliche Differenzen das Kind in unlösbare Konflikte stürzen und den Erziehungserfolg vermindern oder sogar verhindern können. Das gilt nicht nur für die Erziehung, sondern auch für den Unterricht, da der Lernerfolg ohne Unterstützung der Eltern gering bleiben wird.

Eltern- und Lehrerrechte sind dabei keine widerstreitenden Rechte, sondern komplementäre oder übereinstimmende Pflichten, weil die Eltern die Entwicklungsrichtung des Kindes einschließlich der religiösen und weltanschaulichen Erziehung und der Wahl des Bildungsgangs, die nur wenige Länder beschränken, prägen, während der Staat die erforderlichen schulischen Qualifikationen, die Qualifizierung für das Berufsleben und die staatsbürgerliche Bildung dominiert. Eltern und Staat sind dabei zur Zusammenarbeit zum Wohle der Schüler verpflichtet.

IST DAS MEIN KIND ODER IHRES?

Nicht nur eine grundsätzliche Abwehrhaltung der Erziehungsberechtigten verstößt gegen die auf dem Elternrecht beruhende Elternpflicht zur vertrauensvollen Zusammenarbeit, sondern auch eine Anspruchshaltung, die Schulen für Dienstleistungsunternehmen hält. Verweigert die Abwehrhaltung vor allem das Vertrauen, verweigert die Anspruchshaltung vor allem die Mitarbeit.

Die Frage: »Ist das mein Kind oder Ihres?« spiegelt – je nachdem, von wem sie in welcher Absicht gestellt wird – alle Facetten der Beziehung der Eltern zur Schule und zu ihrem Kind wider. Stellen Lehrer Eltern diese Frage, kann das ein Hinweis auf die Anomalie sein, dass ein Lehrer, der sein Geld damit verdient, die Kinder anderer zu erziehen und zu unterrichten, einen größeren persönlichen Einsatz und eine tiefere emotionale Betroffenheit zeigt als die Eltern. Die Frage kann auch die Aufforderung an die Eltern sein, ihre starke Stellung zu nutzen und einen Erfolg zu erreichen, den Lehrer nicht erreichen können. Richten Eltern diese Frage an Lehrer, kann sie der Zurückweisung unzulässig weitreichender Einwirkungen dienen. Lehrer, die Vorgaben für die Ernährung machen (»Regelmäßig Brokkoli stärkt die Konzentrationsfähigkeit«), Freizeitaktivitäten kritisieren (»Die Mitgliedschaft in einem Kampfsportverein verträgt sich nicht mit der Erziehung zu friedlicher Konfliktlösung«) oder in Persönlichkeitsfragen eingreifen (»Schmuck ist bei einem Mädchen schön und gut, aber nicht so viel«), überschreiten ihre Kompetenzen.

Allein die Frage – »Ist das mein Kind oder Ihres?« – ist jedoch schon ein Grund für vorsichtige Zuversicht, da sie ein Gespräch und die gemeinsame Bezugnahme auf das Kind voraussetzt. Ihre größte Ohnmacht erleben Lehrer und Eltern, wenn dem jeweils anderen das Interesse an ihrem Kind überhaupt oder an dessen schulischem Erfolg fehlt.

Die Rechte der Lehrer sind bei genauerer Betrachtung Pflichten, die sie den Schülern gegenüber zu erfüllen haben. Daher nutzen Lehrer, die Gebrauch von ihrer rechtlich starken Stellung machen, den Schülern und Eltern. Ihre Pflichten den Schülern gegenüber können Lehrer aber nur unzureichend ohne die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Eltern erfüllen. Die Eltern sind dabei keine Erfüllungsgehilfen, sondern Partner. Das Elternrecht ist nicht auf den privaten Bereich beschränkt und es schwächt die Schule nicht. Mit den Rechten der Eltern verhält es sich wie mit den Rechten der Lehrer. Eltern, die ihre Rechte wahrnehmen, nutzen den Schülern und Lehrern, da das Elternrecht im Kern aus der Verantwortung für die Kinder und Pflichten gegenüber den Kindern besteht.

SCHULGEMEINSCHAFT

Die Rechtsbeziehung zwischen Eltern, Schülern und Lehrern ausschließlich als ein Verhältnis von Rechten und Pflichten einzelner Eltern und Schülern auf der einen und den Lehrern auf der anderen Seite zu sehen, verkennt die große Bedeutung der anderen Eltern und Schüler für diese Rechtsbeziehung. Die Schule ist eine Gemeinschaft. Das bedeutet, die Wünsche, Bedürfnisse und Rechte einzelner Schüler und Eltern werden nicht nur durch die Lehrer begrenzt, sondern vor allem durch die Wünsche, Bedürfnisse und Rechte der anderen Schüler und Eltern.

Die Lehrer sind verpflichtet, die Rechte aller Eltern und Schüler in der Schule gleichermaßen zu beachten. Die wichtigsten Rechtsgrundlagen zur Erfüllung dieses Auftrags sind der Anspruch auf Gleichbehandlung und der Anspruch auf Schutz durch die Schule. Eltern können also beispielsweise nicht fordern, dass der Lehrer ihrem Kind für dieselbe Leistung eine bessere Note geben soll als einem Mitschüler, da alle Schüler einen Anspruch auf Gleichbehandlung bei der Bewertung ihrer Leistungen haben. Schlägt ein Schüler zum Beispiel einen Mitschüler, muss die Schule das Opfer schützen und gegen diesen Eingriff in dessen Recht auf körperliche Unversehrtheit vorgehen. Hinter zahlreichen Konflikten zwischen der Schule und den Eltern verbergen sich Konflikte zwischen Schülern, deren Lösung die Schule nicht den Eltern oder Schülern überlassen darf. Die Eltern eines...