WHAM! George & ich - Das perfekte Weihnachtsgeschenk

von: Andrew Ridgeley

HarperCollins, 2019

ISBN: 9783959679206 , 320 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 17,99 EUR

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WHAM! George & ich - Das perfekte Weihnachtsgeschenk


 

Intro

The Long Goodbye – der lange Abschied

Samstag, 28. Juni 1986

Ich wartete auf George.

Ich wartete immer auf George. Diesmal stand ich backstage im Wembley-Stadion und wartete geduldig auf meinen Einsatz – wartete, wartete, wartete. Die Sonne war hinter den altehrwürdigen Zwillingstürmen der Arena versunken, und in den weit entfernten Kurven der aufsteigend angeordneten Tribünen konnte man zehntausende Menschen erahnen. Andere drängten sich als wogende, knallbunte Menge unten auf dem Fußballfeld. Junge Mädchen schwenkten Fahnen und selbstgebastelte Transparente, Kameras blitzten, und Kinder, Paare, Familien und Freunde schrien hysterisch. Zweiundsiebzigtausend Fans hatten sich zu The Final zusammengefunden, dem Abschiedskonzert von Wham!, der jugendlichen, hoffnungsvollen und schillernden Popband, aus der George und ich schon immer ein kräftiges, aber doch kurzes Feuer hatten machen wollen.

Auch vier Jahre nach der Veröffentlichung unseres ersten Albums im Jahr 1982 war Wham! in Radio- und Fernsehshows sowie Zeitschriften immer noch ein riesiges Thema. Poster von George und mir aus Zeitschriften wie Smash Hits und Just Seventeen hielten als neonfarbene Tapete für Millionen von Teeniezimmern her, während sich Klatschblätter gierig auf jede noch so kleine Neuigkeit stürzten. Auf dem Gipfel unseres Erfolgs, nach zwei Studioalben und einer beachtlichen Sammlung von weltweiten Nummer-eins-Singles, hatten wir beschlossen, uns von eben den Menschen zu verabschieden, die von diesen Singles, Konzerten und Geschichten so angezogen wurden.

Und sie alle warteten, warteten, warteten auf den Beginn der finalen Show.

Den Ablauf kannte ich in- und auswendig. George war auf der Bühne und ging mit ausgebreiteten Armen auf die Menge zu, stolzierte über den Laufsteg, der in die ersten Reihen des Wembley-Stadions hineinragte. Das war sein Augenblick. Er war ganz in Schwarz gekleidet, in Jeans und Leder, sein zurückgekämmtes Haar hob sich von seinem Kiefer mit perfekt gestyltem Dreitagebart ab, und jede Geste, jedes Zeichen wurde zum Call-and-Response-Spiel mit dem Publikum. George kokettierte mit der Menge, und die war wie von Sinnen. Gefolgt von zwei Tänzern drehte und bewegte er sich zum Instrumentalteil von »Everything She Wants«, das als pulsierender Soundtrack seines äußerst theatralischen Einstiegs diente. George sang diesen sarkastischen Song zum Thema Ehe gern, obwohl wir selbst jung, ungebunden und frei von jeglichen Verpflichtungen gewesen waren, als wir ihn geschrieben hatten. Er winkte den Fans in den entlegensten Ecken der wilden Wembley-Party zu. Dann kehrte er dem Publikum den Rücken zu und deutete mit dem Finger verführerisch auf die andere Seite der Bühne, ohne dass das Mikrofon bis jetzt auch nur in die Nähe seiner Lippen gekommen war. Er hatte noch kein Wort gesprochen, geschweige denn einen Ton gesungen, und dennoch warteten alle gespannt, was er als Nächstes tun würde. Ein Gefühl, das ich nur allzu gut kannte.

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Weil ich eben so viel Zeit damit verbracht hatte, auf George zu warten.

Ich hatte auf George gewartet, während er sich endlos lange für die Shows fertig machte, manchmal stundenlang sein Haar glättete und toupierte. Der beißende Gestank von versengten Strähnen und Haarspray ließ mich immer vor diesem Ritual zurückschrecken, das mir übertrieben qualvoll erschien. Mit wachsendem Ruhm wurde Georges Aussehen zu einer ernsteren Angelegenheit. Bevor wir 1984 das Video zu »Careless Whisper« drehten, beschwerte er sich sogar, dass er mit seinen Locken, die bei der hohen Luftfeuchtigkeit einem widerspenstigen Wischmopp ähnelten, aussähe »wie Shirley Bassey«. Also wurde Georges Schwester Mel, die Stylistin war, um die halbe Welt geflogen, von London nach Miami, wo der Dreh stattfand, um Georges Frisur so in Form zu bringen, wie er es wollte. Die Rechnung für den Flug und ihre Arbeit belief sich angeblich auf über zehntausend Pfund.

zur Verfügung gestellt vom Autor, © nicht bekannt

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Genauso wartete ich auch auf George, wenn er wieder einmal einen Moment musikalischer Inspiration erlebte. Das geschah normalerweise entweder im Studio, wo er extrem detailversessen war, oder zu Hause, wo er dann unerwartet stundenlang verschwand, wenn ihm die Idee zu einer Melodie oder einer Gesangs-Hook gekommen war. Oftmals war es ein weiterer Geniestreich – besonders im Gedächtnis geblieben ist mir dabei ein Sonntagnachmittag im Februar 1984, als wir uns im Wohnzimmer seiner Eltern in Radlett, Hertfordshire, entspannten. Im Fernsehen lief The Big Match, aber George war mit den Gedanken Lichtjahre entfernt von Fußball.

Mit den Worten »Ich muss kurz weg« sprang er ruckartig vom Sofa auf und ging für über eine Stunde nach oben.

Als George zurückkam, grinste er stolz.

»Mensch, Andy«, sagte er. »Komm mal mit hoch, das musst du dir anhören …« Er war ganz aufgeregt und wusste, dass er gerade etwas Besonderes komponiert hatte. Er hatte das Grundgerüst und die Melodie eines Songs mit dem 4-Spur-Tonbandgerät aufgenommen, den er »Last Christmas« nannte. Später sollte er daraus die Herzschmerzballade machen, die zwar der größte Weihnachtshit wurde, es aber nicht an die Spitze der Charts schaffte. Gott, wie ihn diese Statistik nervte. Trotz seines anhaltenden Erfolges ärgerte ihn, dass es »Last Christmas« in jenem Jahr nicht gelang, die Charity-Single von Band Aid vom Thron zu stoßen – eine Vereinigung von Musikern wie Bob Geldof, U2, Duran Duran, Sting, Paul Weller und George höchstpersönlich, obwohl er dem Projekt eigentlich den Erfolg gönnte. Sein ganzes Leben lang maß man Georges Fähigkeiten als Songschreiber an der Anzahl der Hitsingles, und es störte ihn, dass seine Fans und Kollegen ihn nicht für den Besten hielten. Aber als wir an jenem Tag in seinem Zimmer saßen, genau dort, wo wir früher als Teenager die Top 40 analysiert und die ersten Schritte von Wham! geplant hatten, hörte ich mir das rudimentäre Demo mit dem Synthesizer an, mit diesem gesummten und sofort einprägsamen Refrain – und strahlte. George hatte die Essenz von Weihnachten eingefangen und den Text mit dem Schmerz einer scheiternden Liebe durchtränkt.

Ich hatte auch auf George gewartet, während er sich von dem witzigen, jedoch manchmal in sich gekehrten Teenager Georgios Panagiotou zuerst in Yog verwandelte – den Spitznamen hatte ich ihm gegeben, kurz nachdem wir uns in unserer Klasse an der Bushey Meads School kennengelernt hatten – und schließlich in George Michael, den Sänger und Songwriter und besten Freund seit meiner Schulzeit. Als wir uns auf die intensive und abenteuerliche Reise ins Rampenlicht begaben, wurde unsere Freundschaft noch enger. George entwickelte sich zu einer der wichtigsten Stimmen seiner Generation. Doch auch wenn er einige der größten Hits der Achtziger schrieb, so schien George doch immer noch daran zu arbeiten, sich selbst zu erfinden. Niemand außerhalb des unmittelbaren Umfeldes von Wham! wusste über seine Sexualität Bescheid, und zwischen seinem Privatleben als junger Schwuler und seiner Rolle als Teenie-Idol und Klatschobjekt tat sich eine große Kluft auf. Später sagte er, der enorme Widerspruch zwischen Privatleben und öffentlichem Bild haben ihn manchmal an den Rand des Wahnsinns getrieben. Während alldem war ich der Fels in der Brandung für ihn. Er war seit Jahren mein bester Freund, aber sein persönliches Schicksal ging über uns beide hinaus. Mit der letzten Wham!-Show in Wembley würde das Warten auf George ein Ende haben.

Nachdem sich alle meine Lebensträume erfüllt hatten, galt das auch für mich.

Ich trat nach unten und ging Richtung Laufsteg, unsere Background-Sängerinnen Helen »Pepsi« DeMacque und Shirlie Holliman an meiner Seite. Das ohrenbetäubende Geschrei schwoll an, das Dröhnen im Stadion wurde lauter, so viel lauter. Als ich auf die blinkenden Lichter und vorwärts drängenden Massen zuging, hörte ich aus den vorderen Reihen vereinzelt Stimmen, die durcheinander »Andrew« oder »Wir lieben euch, Wham!« riefen. Aber darüber hinaus hörte ich nichts als ein weißes Rauschen. Ich blieb am Bühnenrand stehen, während die Hysterie um mich herum widerhallte. Die Reaktion auf unser Erscheinen kam mir immer merkwürdig vor, egal, wo wir auf der Welt auftraten, und ich betrachtete den Fan-Rummel um unsere Musik weder als selbstverständlich, noch nahm ich ihn sonderlich ernst. Die kreischenden Mädchen, die Autogrammjäger und die Paparazzi – all das war hyperreal und seltsam. Daher sahen wir alles als einen Riesenspaß an. George und ich wussten beide, dass das Ganze ein Spiel war, also wollten wir immer unseren Teil beitragen und unserem Publikum die so heißersehnte Energie geben. Das war Wham! s Markenzeichen.

In den Wochen vor The Final war das Event jedoch als so etwas wie ein religiöses Ereignis beschrieben worden. Die Fans wurden als Gefolgschaft bezeichnet, und Wham! als Ikonen. In der Anfangszeit war unser Bühnenlook verspielt und quirlig gewesen, unsere Konzerte hatten wegen unserer zu kurzen Shorts und bauchfreien T-Shirts für Schlagzeilen gesorgt, während Videos wie »Club Tropicana« vor ironischen Anspielungen auf die Freuden jugendlichen Hedonismus strotzten. In Wembley wollten wir allerdings eine dramatische Atmosphäre schaffen und verzichteten auf unsere knallbunten Klamotten. George trug enge schwarze Jeans und Lederstiefel, einen Gürtel mit Glitzersteinen und eine...