Ein Baby zu Weihnachten

von: Kate Hardy

CORA Verlag, 2019

ISBN: 9783733728885 , 130 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 2,49 EUR

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Ein Baby zu Weihnachten


 

1. KAPITEL

„Advent, Advent, ein Lichtlein brennt, erst eins, dann zwei, dann drei, dann …“

Wie vom Donner gerührt, unterbrach Sam Taylor seinen Rundgang durch die Kinderstation. Empört öffnete er die Tür zu dem kleinen Zimmer, lehnte sich an den Pfosten und beobachtete die junge Ärztin, die gerade ein kleines Mädchen mit dem Zeigefinger am Bauch kitzelte. Das Kind jauchzte vor Vergnügen.

Wie konnte sie es wagen, sich hier zu amüsieren, während die Arbeit auf der Station kaum zu schaffen war?

Sam konnte Dr. Jodie Price nur von hinten sehen. Ihre langen blonden Locken fielen über ihre Schultern, während sie sich über das Gitter des Bettchens zu der kleinen Patientin hinunterbeugte.

Jetzt räusperte er sich beherrscht und versuchte, seine Wut zu unterdrücken. „Dr. Price, haben Sie einen Moment Zeit?“

Jodie blickte auf, und ihr fröhlicher Gesichtsausdruck verschwand, als sie seine grimmige Miene sah. „Selbstverständlich, Dr. Taylor.“ Noch einmal wandte sie sich an das kranke Mädchen und tippte ihn zärtlich auf die Nasenspitze. „Bis morgen, Amy. Schenkst du mir noch ein Lächeln?“

„Okay“, sagte Amy und verzog tapfer die Mundwinkel, obwohl sie enttäuscht war, nun wieder allein sein zu müssen.

Sam ließ Jodie den Vortritt und schloss die Tür. „Die Hälfte der Visite ist noch zu machen“, setzte er vorwurfsvoll an.

„Ich weiß“, gab Jodie ruhig zurück.

Seine stahlgrauen Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. „Trotzdem spielen Sie in aller Seelenruhe mit Amy Simcox?“

Sie nickte, scheinbar ungerührt. „Unzählige Untersuchungen haben gezeigt, wie wichtig es ist, dass kranke Kinder auch mal lachen. Und davon abgesehen ist heute mein freier Tag.“

Der Punkt ging an sie. Sam fluchte innerlich. Doch so schnell gab er nicht auf. „Tut mir leid, das wusste ich nicht. Leider weigern Sie sich ja hartnäckig, bei der Arbeit einen weißen Kittel zu tragen. Und deshalb“, fuhr er fort, und seine Stimme war gefährlich sanft, „ist es ziemlich schwierig zu erkennen, ob Sie Dienst haben oder nicht.“

Nun schoss Jodie das Blut in die Wangen. Aber sie ließ sich nicht einschüchtern. „Nach meiner Erfahrung flößt ein weißer Kittel Kindern noch mehr Furcht ein, als die Krankenhausatmosphäre es ohnehin schon tut.“

„Und wie können die Eltern dann sicher sein, dass Sie sich nicht nur als Ärztin ausgeben?“, schoss er zurück. „Mit einem Stethoskop um den Hals und Akten unter dem Arm kann jeder herumlaufen.“

„Zugegeben.“ Sie schenkte ihm ein verschmitztes Lächeln, das ihn nur noch mehr in Rage brachte. „Einen Arztkittel kann sich aber auch jeder besorgen – einen Dienstausweis dagegen nicht.“ Sie fischte die kleine Plastikkarte aus der Tasche ihrer Jeans.

Sam wusste, er müsste die junge Assistenzärztin eigentlich darauf hinweisen, dass sie sich ihm gegenüber im Ton vergriff. Doch der angriffslustige Glanz in ihren Augen sagte ihm, dass sie genau darauf wartete. Er war höchstens sechs oder sieben Jahre älter als sie, doch im Moment fühlte er sich, als läge eine ganze Generation zwischen ihnen.

„Was machen Sie überhaupt hier, an Ihrem freien Tag?“, wechselte er jetzt das Thema. „So viel Engagement ist doch ziemlich ungewöhnlich. Denken Sie, dass Sie auf diese Weise schneller Karriere machen?“ Er wusste, dass er ihr unrecht tat. Sie war nicht der Typ, der mit unfairen Mitteln die Kollegen ausstach.

„Ich wollte nur ein wenig Zeit mit Amy verbringen.“ Jodie biss sich auf die Lippen. „Sie tut mir leid. Nicht nur, dass die Kleine in einem Alter ist, wo sie eigentlich putzmunter herumlaufen sollte, statt mit dem Hüftgips zur Bewegungslosigkeit verurteilt zu sein. Ihr Vater ist angeblich viel zu beschäftigt, um sie zu besuchen. Und die Mutter bricht jedes Mal in Tränen aus, wenn sie kommt.“

„Warum?“, fragte Sam Taylor verblüfft. Natürlich wusste er, dass einem guten Arzt das Schicksal seiner Patienten nicht gleichgültig war. Aber dennoch erstaunte ihn Jodies große Betroffenheit.

„Amys Mutter ist überzeugt, dass sie schuld ist an dieser Fehlstellung der Hüfte, weil sie während der Schwangerschaft einmal ein Glas Champagner getrunken hat.“ Jodie zuckte die Achseln. „Ich habe ihr unzählige Male erklärt, dass eine Hüftfehlstellung häufig vorkommt, wenn das Baby im Bauch der Mutter nicht richtig liegt. Der Kinderarzt hätte die Fehlentwicklung eigentlich schon bei der Routineuntersuchung mit sechs Wochen erkennen müssen, spätestens aber, als Amy mit anderthalb Jahren noch immer nicht richtig laufen konnte. Aber das Problem ist erst hier im Krankenhaus erkannt worden. Dabei wäre es bei einem Neugeborenen so einfach und schmerzfrei zu behandeln gewesen.“

Sie seufzte und fuhr fort: „Die Krankenschwestern sind sehr lieb zu der Kleinen, aber sie haben wenig Zeit. Deshalb bin ich manchmal in der Mittagspause oder nach Feierabend noch kurz bei Amy.“

„Machen Sie das bei all Ihren Patienten so?“, fragte Sam.

Jodie reckte das Kinn, und zum ersten Mal fiel ihm auf, dass sie kaum kleiner war als er.

„Nur bei denjenigen, die besondere Zuwendung brauchen“, entgegnete sie trotzig.

Ohne nachzudenken, erwiderte Sam: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass Ihr Freund dafür Verständnis hat.“ Im nächsten Moment hätte er sich für diese allzu direkte Frage verfluchen können.

Jodie errötete. „Nein, das hatte er nicht.“ Sie blickte Sam direkt an. „Ich will Sie nicht länger aufhalten, Sie müssen zur Visite.“

Nein, das hatte er nicht. Bedeutete das, dass sie keinen Freund mehr hatte? Plötzlich bemerkte Sam, dass Jodie ihn noch immer ansah und auf eine Antwort wartete. „Oh, ja. Ich muss gehen. Gute Nacht, Dr. Price.“

Sam setzte seine Patientenbesuche fort und machte sich sorgfältig Notizen zu jedem Fall. Doch er konnte das Bild der blonden Assistenzärztin nicht aus seinen Gedanken verdrängen. Verrückt. Nach dem unglücklichen Ausgang seiner Ehe mit Angela hatte er keinerlei Interesse an einer neuen Beziehung. Und wenn doch, dann ganz gewiss nicht mit Jodie. Er wollte nicht, dass die Kollegen im Krankenhaus einen Grund hatten, über ihn zu reden. Als Angela ihn damals wegen eines anderen Mannes verlassen hatte, war das Gerede schon schlimm genug gewesen. So etwas wollte er ganz gewiss nicht noch mal erleben.

Außerdem war Jodie überhaupt nicht sein Typ. Jung, schön und eine Spur zu selbstbewusst für eine Ärztin in ihrer Position. Sie musste noch eine Menge lernen, sowohl im Beruf als auch im Leben. Doch wenn er ehrlich war, faszinierte ihn genau das an ihr.

Energisch rief er sich zur Ordnung. Er wollte nicht einmal mit ihr befreundet sein, geschweige denn mehr. Doch warum hatte er sie dann nach ihrem Freund gefragt?

Sam zwang sich zur Konzentration und beendete die Visite. Doch als er die Station gerade verlassen wollte, hörte er plötzlich Jodies fröhliches Lachen. Ein Lachen, das ihm unter die Haut ging. Einen Moment lang wünschte er, er selbst hätte ein Lächeln auf ihr Gesicht gezaubert.

„Bis später bei Mario, Jodie“, sagte gerade Fiona Ferguson, die Stationsschwester. „Um acht Uhr.“

„Ich werde pünktlich sein“, versprach Jodie, schwang sich auf den Rand des Schreibtisches und ließ die langen Beine baumeln.

„Niemals! Ihr Ärzte seid alle gleich. Ihr glaubt, die Zeit, die Freunde und die Pizza warten nur auf euch“, neckte Fiona sie. „Wenn du zu spät kommst, werden wir dein Dessert aufessen.“

„Das könnt ihr einer armen, hungrigen Assistenzärztin nicht antun“, flehte Jodie theatralisch. „Marios Desserts sind göttlich.“

„Du traust uns das nicht zu?“, fragte Fiona ungläubig und lachte.

„Dr. Price, Sie sind ja immer noch hier“, stellte Sam betont gleichgültig fest, während er schlendernd näher kam.

„Oh, Dr. Taylor.“ Sofort verblasste Jodies Lächeln. „Ich wollte gerade …“, ihre Stimme erstarb. Warum nur fühlte sie sich in Sam Taylors Gegenwart so unwohl? Sie hatte bisher nie Probleme mit ihren Vorgesetzten gehabt, doch er war vollkommen unnahbar. Kein Wunder, dass die Kollegen ihm den Spitznamen „Dr. Frost“ gegeben hatten. Hinter seiner Unnahbarkeit steckte mehr als nur professionelle Distanz.

Man musste ihn aus der Reserve locken, beschloss sie kurzerhand.

„Warum kommen Sie heute Abend nicht einfach mit?“, schlug sie vor.

„Mit Ihnen?“ Er sah sie irritiert an.

„Ja, wir treffen uns bei Mario, dem Italiener am Ende der Straße.“ Er sah sie an, als habe sie ein Dinner zu zweit bei Kerzenschein und romantischer Musik vorgeschlagen, dachte sie bei sich. „Dort gibt es die beste Pizza der Stadt, und donnerstags spielt immer eine Jazzband. Es gibt auch köstliches Risotto, falls Sie keine Pizza mögen“, fügte sie schnell hinzu.

„Ich …“

„Und wir reden auch nicht den ganzen Abend über die Arbeit. Also, um acht Uhr?“

„Ich …“

„Gut“, sagte sie und schenkte ihm ein Lächeln. „Wir sehen uns dann dort.“ Sie verabschiedete sich von Fiona und ging hinaus, während Sam Taylor ihr nachblickte und die Stationsschwester ihr mit hochgezogenen Brauen hinterhersah.

Nachdem Jodie die bequemen Gesundheitsschuhe gegen ihre Sportschuhe getauscht hatte, machte sie sich auf den Weg zum Fahrradschuppen am Rand des Parkplatzes.

Was hatte sie nur getan? fragte sie sich entgeistert, als sie nach Hause radelte. Aus einer Laune heraus hatte sie den attraktivsten Oberarzt des...