Theorien des Museums zur Einführung

von: Anke te Heesen

Junius Verlag, 2019

ISBN: 9783960601128 , 210 Seiten

Format: ePUB

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Theorien des Museums zur Einführung


 

2. Museumsbegriffe


Als der Kunsthistoriker Stephen Bann 1978 den Begriff des »ironischen Museums« prägte, beschrieb er damit ein Museum, das sich zu erkennen gibt, ein Museum, das sich als konstruiert und zusammengesetzt zeigt (vgl. Bann 1978). In ihm lassen sich zwei verschiedene Präsentationsweisen nebeneinander betrachten: das lineare, chronologische, den Schulen und Jahrhunderten gewidmete Modell, in dem die einzelnen Museumsobjekte als Exemplar fungieren und so stellvertretend für eine ganze Klasse von Objekten stehen; etwa Grabmäler der Antike, Vasen des 17. bis 19. Jahrhunderts oder die Entwicklung der aus Stein gehauenen Pfeilspitze. Das zweite Modell beruht auf rekonstruierten Räumen eines bestimmten geschichtlichen Prozesses, strebt eine atmosphärische Wirkung an und stellt das Objekt als Relikt eines historischen Zeitpunkts dar: ein Biedermeierarrangement mit Sitzgarnitur, Teppich, Porzellan und Scherenschnitten an der Wand. Obwohl sich Bann auf historische Museen bezog, zudem auf zwei Modelle, die um 1800 in Frankreich entstanden, hat er mit dieser Unterscheidung einen zentralen Punkt umrissen: Das ironische Museum verschreibt sich nicht einem dieser Modelle, sondern lässt beide nebeneinander bestehen und gibt so die Reflexion der Institution über sich selbst zu erkennen. Es geht um das gleichberechtigte Nebeneinander verschiedener Zeit- und Präsentationsschichten, die das Museum selbstbewusst integriert. Das »ironische Museum« verweist auf sich selbst, gibt sich als ein Konstrukt unter vielen zu erkennen und besteht nicht auf der Meistererzählung, sondern vereint in seinen Präsentationsweisen verschiedene Wahrnehmungsstränge, die es nicht zuletzt dem Besucher ermöglichen, das Museum in seinem Gemachtsein zu erkennen.

Um das Museum auch heute als ein »ironisches«, selbstreflektierendes erkennen zu können, bedarf es einiger Kenntnis seiner konstituierenden Elemente und seiner Genese. Dazu gehören die verschiedenen Inszenierungs- und Darstellungsweisen, die in den nächsten Kapiteln erläutert werden, aber auch die einfache, bereits in der Einleitung vermerkte Unterscheidung zwischen Museum und Ausstellung. Deshalb sei hier zunächst eine Begriffsklärung vorangestellt, die die zentralen Komponenten des Phänomens differenziert, welche heute nur allzu schnell miteinander verwoben werden. Denn im Alltag sprechen wir mal vom Museum, mal von der Ausstellung, dann wieder von der Sammlung; wer ins Museum geht, ist ein Besucher, ein Konsument oder ein Kenner. Und der, der die Kunstwerke bewacht, ist ein Aufseher, ein Kustos oder ein Kurator. Selbst im Feuilleton oder in den Seminararbeiten der Studierenden kreuzen sich diese Termini munter. Die folgende kurze Wortgeschichte kann als Ergänzung des empfehlenswerten Bändchens Was ist ein Museum? dienen. Während dieses 2001 erschienene Buch von Melanie Blank und Julia Debelts im Überblick über die Jahrhunderte den Begriff mit der Geschichte der Institution verbindet, soll hier das Augenmerk auf die Unterscheidung der verschiedenen Institutionalisierungsformen gelegt werden: Eine Ausstellung findet nicht notwendigerweise im Museum statt, und eine Sammlung muss kein Museum sein. Diese an sich banal anmutende Ansicht hat Folgen, die umso sichtbarer werden, je weiter man das Museum und die Inflation des Ausstellungsbegriffs in die Gegenwart verfolgt.

Der Begriff Museum wird in seiner grundlegenden Form auf seine lateinische Herkunft zurückgeführt als ein Ort für gelehrte Beschäftigung, in leichter Variation zu seiner griechischen Bezeichnung als einem »Musensitz«. Der aktuelle Brockhaus fasst zusammen und markiert einen Anfang: »seit dem 18. Jh. öffentl. Sammlung von künstler. und wiss. Gegenständen und deren Gebäuden« (Brockhaus 1998, Bd. 15, 261). Damit ist bereits eine ganz bestimmte Sicht wiedergegeben, die die Gründung der Museen in das 18. Jahrhundert legt. Tatsächlich findet man im Jahrhundert der Aufklärung die ersten politisch motivierten, öffentlich zugänglichen Sammlungspräsentationen, doch lohnt es sich, noch einmal genauer zu schauen und den Begriff von seinem antiken Ursprung herzuleiten: Es handelt sich um einen Ort, an dem die Musen verehrt wurden – Berghöhen, Haine und Grotten –, die mit einem Altar ausgestattet und oftmals mit einer Lehrstätte verbunden waren (Ziegler/Sontheimer 1969, Bd. 3, 1482). Verehrung und gelehrter Dialog sind die entscheidenden Stichworte, die den ursprünglichen Begriff des Museums ausmachen. Es handelt sich also um einen Studienort, der auch entsprechende Studienwerkzeuge und deren Zusammenstellung einschließt. Zu einem solchen Museion gehörte auch die Bibliothek von Alexandria (heutiges Ägypten), die größte Bibliothek des klassischen Altertums im Reich der Ptolemäer: »Primary functions of Ptolemy’s mouseion […] included the recovery and preservation of texts and objects endangered by 4th-century BC political turmoil, the collection of biological samples and the production of new knowledge through organized study.« (Turner 1996, Bd. 22, 354) Das Museum bleibt ein Ort des Studiums und des gelehrten Austauschs bis weit in das 18. Jahrhundert hinein. Seine Nähe zum Sammlungsraum ist offensichtlich, es wird immer wieder auch als ein Kabinett oder Studierzimmer bezeichnet. Noch 1739 herrscht die Definition der »Studir-Stuben« (Zedler 1739, Bd. 22, 1375) vor, sind spezielle Museen wie das Ashmolian Museum in Oxford eng mit einer Lehreinrichtung verknüpft (ebd., 1378). Erst im Laufe des 18. Jahrhunderts wird der Begriff häufiger benutzt und erhält langsam die Bedeutung eines Gebäudes, in dem eine Sammlung untergebracht und zum öffentlichen Vergnügen aufgestellt ist. Man beginnt nun eindeutiger zwischen Kunstgegenständen, Büchern und Gegenständen der Natur zu unterscheiden. Der Eintrag »Museum« im Brockhausschen Conversations-Lexikon von 1820 gibt seine Funktionen zu erkennen, nämlich »zur Ansicht der Kenner, zum Genusse der Kunstfreunde, zur Befriedigung der Neugierigen und zur Belehrung von Schülern und Meistern« (Brockhaus 1820, Bd. 6, 667). Die Lehrsituation wird in dieser Reihe an letzter Stelle genannt, im Vordergrund stehen die in einem Gebäude ausgestellte Sammlung und ihre Funktion: Ansicht, Genuss, Befriedigung.

Im frühen 19. Jahrhundert vereindeutigt sich zugleich das Wort »Sammlung«. In den begrifflichen Bestimmungen der Zeit vor 1800 versteht man unter Sammlung in erster Linie eine Ansammlung von etwas, die Sammlung der Gedanken, von Zitaten und Textstellen. Es ist die Handlung des Akkumulierens, welche das Wort charakterisiert. Der Eintrag in der Oeconomischen Encyclopädie am Beginn des 19. Jahrhunderts umfasst denn auch viele Seiten, da er für jeden Sammlungsbereich – Holzschnitte, Akten, Bücher, Gerätschaften – eine Vielzahl von Beispielen und detaillierte Beschreibungen der Bestände, ja selbst Anleitungen, wie man die Dinge zu speichern habe, aufführt: »Besonders angenehm ist es, wenn man bei diesen Sammlungen die Eier eines jeden Vogels in seinem Neste hat.« (Krünitz 1824, Bd. 135, 704) Das Zusammengebrachte und das Zusammenbringen als Prozess werden hier betont. Anders als in den Definitionen des Museums wird nicht die Reaktion des Betrachters oder eines Publikums in den Vordergrund gerückt (Genuss, Befriedigung), sondern das Zustandekommen und die Vollständigkeit eines Gegenstandsbereichs. Im Laufe des 19. Jahrhunderts wird die Sammlung als »eine Menge verschiedener gesammelter Gegenstände« bezeichnet, die sich in geordneter Form dadurch auszeichnen, dass sie »in ihrer Vereinigung gleichsam ein Ganzes bilden« (Meyer 1851, 6. Bd., 2. Abt., 1292). In einem zweiten Schritt erfolgt der Hinweis auf naturwissenschaftliche oder auf die Kunst bezogene Sammlungen und damit die Prägung des Begriffs im Hinblick auf eine der Wissenschaft gewidmete Institutionalisierungsform.

Ähnlich wie die Sammlung nimmt auch die Wortgeschichte der Ausstellung ihren Ausgang in einer Verrichtung: Wachen und Posten werden aus- und aufgestellt, ein Wechsel wird ausgestellt, jemand wird bloßgestellt, ein Tadel ausgesprochen. Schließlich können Waren ausgestellt, resp. ausgesetzt werden (Adelung 1774, Bd. 1, 588). Das ursprünglich lateinische »exponieren« bedeutet »darstellen, zur Schau stellen«. Anders als das Sammeln ist das Ausstellen ein Begriff, der eine nach außen gerichtete Tätigkeit bezeichnet und »ausstellen« auch im Sinne von »aushändigen« meint (Grimm 1854, Bd. 1, 987-990). Interessant ist, dass der Begriff erst im Laufe des 18. Jahrhunderts überhaupt auftaucht. Es geht beim Ausstellen um eine Bekanntmachung in der Öffentlichkeit, die sich auf zwei Gegenstandsbereiche bezieht: auf Werke der Bildenden Kunst (Kunstausstellungen) und auf Waren (Gewerbe-, Industrieausstellungen). Anders als beim Museum handelt es sich bei einer Ausstellung im 19. Jahrhundert um eine temporäre Einrichtung, die ihren Ort weniger in einem festen Gebäude haben muss, als vielmehr den Neuigkeitswert in den Vordergrund stellt: Ob Kunst oder Waren, beides soll zur »Kenntniß des Publikums« gebracht werden und den Verkauf des Ausgestellten ermöglichen (Ersch/Gruber 1887, Bd. 40, 250). Insbesondere für die Gewerbe- und Industrieausstellungen wird der...