War's das? - Erinnerungen

von: Peter Weck

Amalthea Signum Verlag GmbH, 2020

ISBN: 9783903217522 , 384 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 22,99 EUR

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War's das? - Erinnerungen


 

Mein erster Auftritt


Wie meist so üblich, wenn ein Mensch geboren wird, habe auch ich auf Wunsch meiner Eltern eines Tages das Licht der Welt erblickt. Mit anderen Worten war ich also ein Wunschkind, wie man mir später erzählte und versicherte, und hatte auch keinen Grund, daran zu zweifeln. Obgleich es an meinem Auf-der-Welt-Sein auch nichts geändert hätte, wenn es anders gewesen wäre.

An mein Säuglingsalter kann ich mich trotz aller Anstrengung nicht erinnern und bewundere all jene Kollegen, die nicht nur das können, sondern, auch schon in der Wiege oder in den Kleinkinderschuhen steckend, gespürt haben, dass sie einmal Schauspieler werden.

Manche haben dann auch tatsächlich den erspürten Beruf ergriffen, ob sie aber deshalb Schauspieler geworden sind, steht wieder auf einem anderen Blatt.

Ich kann also reinen Gewissens behaupten, dass ich anfangs nicht einmal wusste, ein Mensch zu sein. Dass ich letzten Endes doch einer wurde, habe ich mit Sicherheit dem Umstand zu verdanken, dass meine Eltern eben Menschen waren.

Wovon ich mit Gewissheit berichten kann, ist meine Geburt, glaubwürdige Zeugen haben mir die näheren Begebenheiten übermittelt:

Das Eintreffen meiner Winzigkeit hat am 12. August 1930 in Wien, in den früheren Abendstunden, genauer gesagt um 19 Uhr, bei einem heftigen Gewitter stattgefunden. Der genaue Ort meines Eintreffens war eine Geburtsklinik in Gersthof. Man könnte also sagen, geboren wurde ich in einem durchaus edlen Bezirk, zu Hause waren wir allerdings, offen gestanden, in einer weniger noblen Gegend von Wien, in Meidling, und zwar als Untermieter bei meiner verwitweten Großmutter väterlicherseits. Sie hatte uns einen Teil ihrer großen Wohnung zur Verfügung gestellt.

Eine elegante alte Dame, die stets ein samtenes Halsband trug, mit dreiundachtzig Jahren noch eine Gallenblasen-Operation überstand und erst mit achtundachtzig Jahren das Zeitliche segnete. Jedenfalls lebten wir – das waren damals: mein Vater, Leo Weck, und meine Mutter, Rosa Weck, geborene Bauer, mein Bruder Herbert und ich – in Zimmer, Küche, Kabinett, und zwar so lange, bis wir in eine größere Wohnung in der Nähe von Schönbrunn umzogen.

Unvergesslich aus dieser großmütterlichen Wohnung ist mir der Duft von Baldrian und Pfefferminz, die sie als Pulver und Zuckerln in ihrem Nachtkästchen gehütet hat.

Bei dieser Großmutter wohnte auch eine Enkelin, die beide Elternteile verloren hatte. Der Vater, ein hochdekorierter Offizier im Ersten Weltkrieg, hatte sich, salopp gesagt, zu Tode gesoffen, und die Mutter, eine Schwester meines Vaters, war an Krebs gestorben – ein Schicksal, das sie mit ihren beiden Schwestern teilte. Mein Vater, der im Alter an Magenkrebs erkrankte, komplettierte das tragische Quartett.

Meine ersten Eindrücke sind eher sporadischer Natur und nicht zusammenhängend. So setzen sich meine Erinnerungen an die frühe Kindheit aus unterschiedlichen Facetten zusammen: Geschichten, Erzählungen, Momentaufnahmen, dokumentierten Fotos, schemenhaft aufkeimenden Bildern von Situationen, Geräuschen und Gerüchen. Dieses lückenhafte Mosaik stellt sich mir als meine unbeschwerte glückliche Jugend dar. Woran ich mich seltsamerweise deutlich erinnere, ist der offene Kinderwagen, mit dem mich meine Mutter bei Schönwetter durch den nahegelegenen Schönbrunner Schlosspark spazieren fuhr, beide nicht ahnend, dass ich Jahrzehnte später als habsburgischer Erzherzog Karl Ludwig in der Sissi-Verfilmung in diesem Ambiente agieren würde.

Meine Familie stammt väterlicherseits aus Wien, aus, wie man so schön sagt, gutbürgerlichen Kreisen. Mein Bruder, genealogisch interessiert, forschte nach Spuren unseres Namens und konnte sie bis ins Slawische hinein verfolgen. Angeblich taucht der Name dort als »We(c)kowitsch« und »We(c)kowski« auf. Aber auch in der Schweiz und sehr stark im belgisch-niederländischen Raum sind »Wecks« in verschiedenen Variationen, etwa als »de Weck«, vertreten.

Was unsere eigentlichen Ahnen anbelangt, finden sich unter den väterlichen Vorfahren sehr ehrbare Handwerker, darunter ein Richard Weck, seines Zeichens Regenschirmmacher.

Doch zurück zu meinen direkten Vorfahren: Mein Großvater, ein höherer Beamter der Gemeinde Wien, war sehr musisch veranlagt, spielte Geige und war sogar Mitglied eines Männergesangsvereins. Umso mehr ist es mir völlig unverständlich, dass dieser feinsinnige Mensch seinem eigenen einzigen Sohn neben drei Töchtern die freie Wahl und den Wunsch, Bildhauer zu werden, strikt verwehrt hat.

Er drängte ihn, unbedingt einen gesicherten Beruf zu ergreifen. Und so studierte mein Vater Maschinenbau und Elektrotechnik und brachte es bis zum Diplom-Ingenieur. Er entpuppte sich im Laufe seines Lebens als begnadeter Erfinder und Konstrukteur. Nach anfänglichen Schwierigkeiten mit Geschäftspartnern – mein Vater wurde oft hereingelegt – entschloss er sich, mit keinem Kompagnon mehr zusammenzuarbeiten und selbstständig zu werden. Er gründete seine eigene Firma und arbeitete dort mit selbst konstruierten Maschinen und Automaten zur Herstellung von Bierverschlüssen aus Aluminium sowie Verschlusskappen für medizinische Phiolen.

Doch sein Handicap: Er war ein miserabler Kaufmann. Aber darauf komme ich später noch zu sprechen. Auch auf den Umstand, dass meinem wirklich sehr geliebten Vater – und der technischen Welt – viel erspart geblieben ist, weil ich nicht in seine Fußstapfen treten musste.

Mein Vater war ein gut aussehender Mann, und da er noch dazu ein hervorragender Reiter war, im Sattel eine elegante Figur machte und sogar fliegen konnte, erhielt er eines Tages ein Angebot vom schwedischen Film, das sich aber letzten Endes zerschlug.

Als junger Mann war er, sehr zum Ärgernis seines Vaters, als einjährig Freiwilliger in den Ersten Weltkrieg eingerückt und hat als Oberleutnant 1918 abgemustert. Obwohl mein Großvater strikt gegen diesen Entschluss gewesen war, stürzte er täglich zum Zeitungskiosk, um die neuesten Frontberichte zu ergattern. Offenbar hing er – trotz scheinbarer Strenge – viel mehr an seinem einzigen Sohn, als er je zugegeben hat. Mein Vater war während des Krieges als Kavallerist an der italienischen Front stationiert und nahm unter anderem an einer der berühmten Isonzo-Schlachten teil. Kein Wunder, dass mein Großvater sich um das Leben seines Sohnes sorgte. Das Schicksal aber wollte es anders: Nicht mein Großvater erhielt die Nachricht vom Tod seines Sohnes, sondern der Sohn erfuhr im Feld vom plötzlichen Herztod seines Vaters. Die Tatsache, dass er eigenwillig zum Militär gegangen war und es nach Kriegsende nun kein Wiedersehen mehr geben konnte, hat meinen Vater zutiefst erschüttert und über Jahre hinweg belastet.

Mütterlicherseits führen die Spuren nach Niederösterreich: Mein Großvater war Bürgermeister von Pitten, einem hübschen Ort in der Nähe von Wiener Neustadt und, wie sich das gehört, Feuerwehrhauptmann und anderes mehr. Außerdem betrieb er dort auch das Kaufhaus Bauer, eine Art Viel-Waren-Geschäft, wo man von Petroleum bis zu Dirndlstoffen, von der Braunkohle bis zur Extrawurst quer durch den Gemüsegarten alles erwerben konnte, was das ländliche Herz begehrte.

Kaufhaus Bauer

Aus der Ehe mit meiner tief religiösen Großmutter entsprangen sieben Kinder, darunter meine Mutter Rosa, und sie alle halfen fallweise im familieneigenen Geschäft aus. Diese Tätigkeit hatte schicksalhafte Folgen: Meine Mutter galt als äußerst hübsches Mädchen, und es soll eine Schar glühender Verehrer gegeben haben, darunter sogar einige aus dem nahe gelegenen Ungarn, die unablässig um sie warben. Andererseits war Pitten ein sehr beliebter Sommerfrische-Ort für die Wiener, und auf diese Weise kam auch mein Vater manchmal dorthin und stand eines Tages, nichts Böses ahnend, im Kaufhaus Bauer, als meine Mutter wieder einmal aushalf. Und da soll laut Überlieferung der Blitz der Liebe eingeschlagen haben – zwischen Senfgurkerln und Lakritzen. Wie intensiv und rasch sich die Begegnung entwickelt hat, entzieht sich meiner Kenntnis, da mir keiner von beiden je davon erzählte.

Tatsache aber ist, dass sie bald heirateten und in den kommenden Jahren mein Bruder und sieben Jahre später ich geboren wurde.

Meinen Großvater mütterlicherseits habe ich bewusst leider nie kennenlernen dürfen, da er starb, als ich zwei Jahre alt war. Ich soll sein besonderer Liebling gewesen sein, den er scherzhaft immer »Peter Zapfl« nannte. Meine Großmutter ist mir als eine einfache, kleine, aber menschlich und in ihrer Religiosität wahrhaft große Frau in bester Erinnerung. In tiefer Demut und mit Haltung hat sie vorbildhaft die schlimmsten Schicksalsschläge in ihrem arbeitsreichen Leben hingenommen. Im Gegensatz zu meiner Großmutter väterlicherseits hatte sie nicht Pfefferminz und Baldrian...