Mit Autismus leben (Fachratgeber Klett-Cotta) - Eine Ermutigung

von: Christine Preißmann

Klett-Cotta, 2020

ISBN: 9783608116014 , 196 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 19,99 EUR

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Mit Autismus leben (Fachratgeber Klett-Cotta) - Eine Ermutigung


 

Autismus – was ist das?


Derzeit wird noch unterschieden zwischen den einzelnen Formen:

  • Asperger-Syndrom (F84.5)

  • Frühkindlicher Autismus (F84.1)

  • Atypischer Autismus (F84.0).

Auch für Fachleute ist jedoch die Abgrenzung nicht immer leicht, deshalb spricht man heute meist von einer Autismus-Spektrum-Störung, um zu verdeutlichen, dass die Auffälligkeiten in jedem Einzelfall unterschiedlich sind und eine sehr große Bandbreite besteht. Es gibt also ein großes Spektrum an typischen Merkmalen, die sowohl Schwierigkeiten als auch Fähigkeiten umfassen. Während einige autistische Menschen nur leicht betroffen zu sein scheinen, besteht bei anderen eine schwere Mehrfachbeeinträchtigung. Ein Kind mit frühkindlichem Autismus zeigt bereits vor dem dritten Lebensjahr Auffälligkeiten

  • im sozialen Umgang mit anderen

  • in der Kommunikation

  • durch sich wiederholende stereotype Verhaltensweisen.

Das Asperger-Syndrom dagegen lässt sich von den anderen Formen abgrenzen durch eine mindestens durchschnittliche Intelligenz und das Fehlen einer sprachlichen bzw. kognitiven Entwicklungsverzögerung. Es bestehen jedoch Auffälligkeiten in der psychomotorischen Entwicklung und in der sozialen Interaktion.

Der atypische Autismus kann diagnostiziert werden, wenn nicht alle Diagnosekriterien (s. u.) vorliegen, gleichzeitig aber keine andere Diagnose in Betracht kommt.

Die nicht selten verwendete Formulierung »autistische Züge« sollte allenfalls dann ihre Berechtigung haben, wenn zusätzlich eine andere Form der Behinderung besteht.

Symptome und Auffälligkeiten


Autistische Menschen nehmen ihre Umwelt anders wahr. Daraus resultiert eine Vielzahl möglicher Symptome, die aber nicht alle in gleicher Weise bei jedem betroffenen Menschen vorliegen.

Allen Autismus-Spektrum-Störungen gemeinsam sind jedoch

  • Beeinträchtigungen in der sozialen Interaktion

  • Beeinträchtigungen in der Kommunikation

  • eingeschränkte und stereotype Verhaltensmuster, Interessen und Aktivitäten.

Weitere häufige Auffälligkeiten bestehen z. B. in

  • motorischer Ungeschicklichkeit (insbesondere beim Asperger-Syndrom)

  • isolierten speziellen Fertigkeiten und ungleichen Kompetenzen

  • dem Bedürfnis nach Gleicherhaltung der Umwelt sowie großer Angst vor Veränderungen und allem Unerwarteten

  • dem Bedürfnis nach strikten Routinen, täglich wiederkehrenden Ritualen und festen Strukturen (eingespielte, immer gleiche Tätigkeitsabläufe oder bestimmte Speisen, Kleidung etc.)

  • einer auffälligen Detailwahrnehmung (Kleinigkeiten, winzige Fehler etc. können rasch entdeckt werden, das Erkennen übergreifender Zusammenhänge fällt dagegen oft schwer)

  • Überempfindlichkeiten hinsichtlich verschiedener Sinnesreize (z. B. können leichte Berührungen, Sonnenlicht, Geräusche oder Gerüche manchmal nicht nur unangenehm sein, sondern regelrecht Schmerzen bereiten)

  • dagegen evtl. Unempfindlichkeiten gegenüber Schmerz- oder Temperaturwahrnehmung

  • eingeschränktem Fantasiespiel

  • Schlafstörungen (Ein- oder Durchschlafstörungen, verschobener Tag-Nacht-Rhythmus etc.).

Neben Schwächen und Schwierigkeiten besitzt jeder Mensch mit Autismus aber auch eine ganz individuelle Kombination aus Stärken und Fähigkeiten. Es ist wichtig, auch diese Seite zu betrachten. Häufige Ressourcen sind:

  • Ehrlichkeit, Direktheit: Viele autistische Menschen lügen nicht, sie sagen offen, ehrlich und direkt, was sie denken. Hintergedanken, List und Täuschung sind ihnen fremd.

  • Perfektionismus: Die Betroffenen erledigen das, was sie tun, sehr exakt und genau.

  • Pünktlichkeit, Verlässlichkeit: Akzeptierte Regeln werden verlässlich befolgt, ein vereinbarter Termin meist sehr pünktlich eingehalten (die Regeln müssen dafür aber manchmal detailliert erläutert werden!).

  • Hartnäckigkeit, Entschlossenheit: Viele Betroffene verfolgen ihre Ziele sehr hartnäckig und sind hier auch nicht zu Kompromissen bereit.

  • Detailwahrnehmung: Menschen mit Autismus bemerken oft kleine Einzelheiten, die anderen Menschen gar nicht auffallen. Wenn es z. B. im beruflichen Umfeld darum geht, winzige Abweichungen, Fehler etc. herauszufinden, können sie häufig ihre Stärken ausspielen.

  • Sensible Sinneswahrnehmung: Oft werden z. B. Geräusche erkannt, die andere Menschen nicht hören.

  • Gutes Gedächtnis: Es besteht nicht selten eine sehr gute Merkfähigkeit für eine große Anzahl von Fakten.

  • Besonderer Humor: Manchmal werden autistische Menschen als humorlos beschrieben, was aber nicht stimmt. Vielmehr haben sie oft einen ganz einzigartigen Humor, der sich jedoch meist von dem anderer Menschen unterscheidet und deshalb manchmal nicht richtig erkannt werden kann.

  • Begeisterung: Wenn sie sich für ein Thema oder eine Tätigkeit interessieren, können sich Menschen mit Autismus mit großer Begeisterung und Ausdauer darin vertiefen und sich viel Wissen darüber aneignen. Manche Betroffene kennen sich auf speziellen Gebieten besser aus als alle anderen Menschen, und sie sind oft ausgesprochen motiviert, wenn es um diese »ihre« Bereiche geht.

Häufigkeit


Die Häufigkeit von Autismus-Spektrum-Störungen wird mit etwa 1 % angegeben, es ist also von mehreren Hunderttausend unmittelbar betroffenen Menschen in Deutschland auszugehen. Die deutliche Zunahme an Autismus-Diagnosen lässt sich nach Ansicht von Experten aber eher nicht durch eine Zunahme des Autismus als solchem erklären, sondern vielmehr durch die besseren Kenntnisse der Fachleute. Das Bewusstsein für den Autismus hat also zugenommen, vor allem aber auch das Wissen, dass bei einer solchen Diagnose auch Hilfen möglich sind.

Das männliche Geschlecht ist häufiger betroffen; frühere Angaben von 8:1 zulasten der Jungen scheinen jedoch zu hoch gegriffen. Die Dunkelziffer ist vor allem bei Mädchen und Frauen sehr hoch, denn diese sind in ihrem Verhalten oft ruhiger, wirken weniger auffällig, sodass man ihre Schwierigkeiten häufig nicht oder zumindest nicht auf Anhieb erkennt und sie deshalb nicht selten erst als Jugendliche oder als erwachsene Frauen eine Diagnose und somit eine angemessene Unterstützung erhalten können.

Ursachen


Der Autismus resultiert aus dem Zusammenspiel mehrerer Faktoren, insbesondere die Genetik spielt eine große Rolle. Man geht davon aus, dass zahlreiche Gene beteiligt sind. Die exakten Gene konnte man jedoch noch nicht identifizieren. Diskutiert wird aber vor allem eine genetische Prädisposition in Verbindung mit dem Auftreten bestimmter Umweltfaktoren (z. B. Pestizide, Weichmacher, prä- und perinataler Stress, pränatale virale Infektionen wie Röteln-, Masern- oder Zytomegalie-Infektion).

Daneben wurden in Untersuchungen strukturelle und funktionelle Gehirnveränderungen gefunden (u. a. eine schlechtere »Verschaltung« der einzelnen Hirnbereiche untereinander und als Folge eine verringerte Kommunikationsfähigkeit zwischen den Hirnarealen).

Wichtig vor allem für die Bezugspersonen autistischer Menschen ist die Tatsache, dass der Autismus nicht durch etwaige Fehler bei der Erziehung oder durch familiäre Konflikte ausgelöst wird. Und...