Ohne meinen Zweifel glaub ich gar nichts - Meine Reise zu einem tieferen und befreiten Glauben.

von: Katrin Faludi

Gerth Medien, 2020

ISBN: 9783961224258 , 208 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 11,99 EUR

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Ohne meinen Zweifel glaub ich gar nichts - Meine Reise zu einem tieferen und befreiten Glauben.


 



Kapitel 1:

Hier schneit es nicht!
Oder: Was man so alles zu wissen glaubt

Israel, 2. März 2012

Klatsch! Ein dicker, nasser Schneeball landete genau vor den Spitzen meiner nagelneuen Wanderstiefel. Eiskalte Wassertropfen sprenkelten meine Hosenbeine. Nicht gerade begeistert sah ich auf, als schon das nächste Geschoss in meine Richtung flog. Diesmal patschte es gegen die hintere Glasscheibe des Wartehäuschens, unter dem ich zusammen mit meinem Mann Arndt und unseren Freunden Micha und Tobi vor dem Schneetreiben Schutz gesucht hatte. Wir warteten auf den nächsten Bus, der uns zum Busbahnhof bringen sollte. Der kam aber nicht.

Während wir so dastanden und frierend von einem Fuß auf den anderen traten, hatte uns eine Gruppe Kinder, die vor einem Wohnblock auf der gegenüberliegenden Straßenseite spielte, ins Visier genommen. Begeistert gingen die Knirpse in die Offensive. Schneeball um Schneeball zerplatzte auf dem Asphalt vor unseren Füßen, an den Wänden des Wartehäuschens und manchmal auch an den Jacken und Hosen meiner Begleiter. Jeder Treffer wurde mit Jubel quittiert. Meine Freunde ließen das natürlich nicht auf sich sitzen. Am Straßenrand klaubten sie den Schnee zusammen und feuerten zurück. So ging das minutenlang hin und her. Kopfschüttelnd beobachtete ich das Schauspiel und fühlte mich wie in dem sprichwörtlichen falschen Film. Das war doch völlig verrückt! Hätte mir das einer vor zwei Tagen erzählt, als ich meinen Wanderrucksack gepackt hatte – ich hätte ihn lauthals ausgelacht! Selbstverständlich hatte ich keine warme Jacke eingepackt. Wozu denn? Wenn etwas ins Gepäck gehörte, dann Sonnenmilch mit maximalem Lichtschutzfaktor! Und nun stand ich, den Rucksack voll Sonnenmilch und die Arme um mein dünnes Regenjäckchen geschlungen, bibbernd an dieser Bushaltestelle, weil ich im Traum nicht auf die Idee gekommen wäre, dass ich während der Reise in eine Schneeballschlacht verwickelt werden würde. Nicht in Jerusalem!

Eigentlich hatte ich seit unserer Ankunft in Israel nur gefroren. Das fing schon an, als ich am Flughafen von Tel Aviv frühmorgens die Nase aus dem Terminalgebäude streckte. Da ging gerade ein satter Wolkenbruch nieder. Auch bei unserer Sightseeing-Runde durch Jerusalem Stunden später marschierten wir von einem Regenguss in den nächsten. Immer wieder begegneten uns Menschen, die sich ganz pragmatisch Müllsäcke über die Kleidung gezogen hatten. Damit waren sie besser gerüstet als Arndt und ich, die wir außer dünnen Sweatjäckchen nichts Wetterfestes im Gepäck hatten. Es half nichts: Wir brauchten Regenjacken! Abends fuhr uns Schlomi, ein Freund unseres Reisegefährten Tobi, zu einem Outdoor-Geschäft. Auf dem Weg dorthin erzählten wir ihm von unseren Reiseplänen. Wir wollten eine gute Woche lang auf dem berühmten Jesus Trail durch Galiläa wandern.

„In welchen Herbergen wollt ihr unterwegs denn übernachten?“, fragte Schlomi. „Braucht ihr Tipps?“

Herbergen? Nicht doch! Wir hatten Zelte dabei und wollten wild campen. Uns voll aufs Abenteuer einlassen!

Schlomi riss die Augen auf. „Campen? Bei dem Wetter?“ Dann lachte er schallend, schüttelte den Kopf und sparte sich jeden weiteren Kommentar. Etwas kleinlaut betraten wir kurz darauf den Outdoor-Laden, um uns mit Regenjacken und Imprägnierspray einzudecken. Wer hatte denn ahnen können, dass es in diesem Wüstenland tatsächlich so etwas wie Jahreszeiten gab? Man hörte ja immer nur von Backofen-Temperaturen im Sommer. Dass es aber auch eine kühle Jahreszeit gibt, während der es ausgiebig regnet, hatte ich nicht auf dem Schirm gehabt. Jetzt hatte ich den Salat! Statt wie erwartet unter der sengenden Sonne Israels zu verglühen, schlotterte ich vor Kälte! Sollte das nun die gesamte Woche so weitergehen? Musste ich tagelang auf schlammigen Wegen dem Regen trotzen und nachts in meinen klammen Schlafsack kriechen?

„Ach, das hört schon wieder auf zu regnen!“, tröstete Micha mich.

Stimmt. Es hörte auf. Dafür begann es am nächsten Morgen zu schneien. Wir standen am Fenster unserer Unterkunft und drückten staunend die Nasen an der Scheibe platt, während dicke weiße Flocken auf die Heilige Stadt herabrieselten. Kurz darauf nebelten wir auf der Veranda sämtliche Hosen und Jacken mit zwei Dosen Imprägnierspray ein, bevor wir uns auf den Weg zum Bus machten, um nach Nazareth zu fahren, wo unsere Wanderung beginnen sollte.

Und da standen wir nun. Schneebälle prasselten auf uns ein und ich dachte mir: Verrückte Welt! Hätte mir vor dieser Reise jemand erzählt, dass ich einmal in Jerusalem in eine Schneeballschlacht verwickelt sein würde, ich hätte es nicht geglaubt. Israel ist ein Wüstenland. Dort schneit es nicht. Davon war ich fest überzeugt. Bis zu dem Augenblick, als ich die Schneeflocken mit eigenen Augen sah und auf meiner Haut spürte. Das war keine Halluzination! Das war echt! Das war kalt! Und ich stand mittendrin.

Genauso hatte ich einst meine Vorurteile und mein Halbwissen über Gott und den christlichen Glauben gepflegt. Bis ich 16 Jahre alt war, war ich fest davon überzeugt: Gott gibt es nicht. Für mich stand Gott in einer Reihe mit Osterhase, Weihnachtsmann und Zahnfee. Bis ich unerwartet auf meinen eigenen, ganz persönlichen Jesus Trail geriet. Plötzlich und unvorbereitet stolperte ich auf diesen Glaubensweg, meinen Rucksack voller Sonnenmilch, wo ich eine warme Jacke benötigt hätte.

Gott trägt Hornbrille

Im Grunde ist Opa Gotthard schuld. Opa Gotthard war mein Großonkel. Er starb, als ich noch sehr klein war. In meiner einzigen blassen Erinnerung an ihn sehe ich nur einen alten Mann mit schütterem Haar, tiefen Falten um den Mund und einer gigantischen Hornbrille auf der Nase. Ich war davon überzeugt: Er war Gott! Wie konnte es anders sein, wenn er schon so hieß? Opa Gotthards Gesicht hat meine früheste Vorstellung von Gott geprägt. Jedes Mal, wenn irgendwo von Gott die Rede war, produzierte meine Erinnerung automatisch das Bild dieses alten Mannes. Heute bin ich beeindruckt davon, wie bombenfest so eine frühkindliche Synapsen-Verschaltung im Hirn hält. Das Bild von Gott mit Hornbrille blieb hängen wie ein besonders hartnäckiger Programmierfehler.

In meiner Familie spielte Gott keine besondere Rolle. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass wir gemeinsam gebetet hätten oder je wirklich von Gott die Rede gewesen wäre. Dabei war die Kirche für meine Mutter in ihrer Kindheit und Jugend eine Art zweites Zuhause gewesen. Sie hatte an sämtlichen Jugendangeboten ihrer Gemeinde teilgenommen und dort einen Großteil ihrer Freunde gehabt. Aber nach ihrer Hochzeit und dem Umzug von Berlin ins Rhein-Main-Gebiet brach dieser intensive Kontakt zur Kirche ab. An ihrem neuen Wohnort fand sie keinen Anschluss an die Ortsgemeinde. Die nächste evangelische Kirche lag in einem anderen Stadtteil und das Angebot an Aktivitäten für Mütter mit kleinen Kindern war überschaubar. So blieb es bei gelegentlichen Gottesdienstbesuchen ohne weiteren Kontakt zum Gemeindeleben.

Mein Vater ging gar nicht zur Kirche. Für ihn war nach der Konfirmation Schluss gewesen. Er behauptete einmal, sein Pfarrer habe ihm im Konfirmandenunterricht eine Bibel an den Kopf geworfen. Das wird aber nicht der einzige Grund für ihn gewesen sein, sich von der Kirche abzuwenden. Die Bibel blieb für ihn jedenfalls zeitlebens nichts anderes als ein besseres Wurfgeschoss und in Gottesdiensten ließ er sich grundsätzlich nicht blicken.

Der Gottesdienst war das einzig Religiöse, was meine Mutter mit uns Kindern teilte. Immerhin wusste ich, dass es wegen Gott die Kirche gab. Manchmal nahm meine Mutter mich sonntags mit dorthin, aber ich begriff den Sinn dieser Veranstaltung nicht. Da musste ich eine quälend lange Stunde auf der unbequemen Kirchenbank sitzen, durfte keinen Mucks von mir geben und musste mir abwechselnd die blechern verstärkte Stimme des Pfarrers aus den Lautsprechern anhören und die donnernden Orgelklänge über mich hinwegrollen lassen. Die Musik dröhnte zu laut und Furcht einflößend in meinen Ohren und alles war mit einem unantastbaren Ernst aufgeladen, den ich als erdrückend empfand. Die gebeugten alten Leute in den Kirchenbänken wirkten auf mich, als würden sie pflichtbewusst ihre Zeit absitzen. Während ich in dieser düsteren Kirche saß, wünschte ich mir, draußen in der Sonne herumtoben und spielen zu dürfen. Aber ich musste da drinnen hocken und leise sein. So lernte ich als kleines Kind, Gottesdienste zu hassen.

Weil mir niemand wirklich von Gott erzählte, musste ich mir mein Bild von ihm selbst zusammenbasteln – und das trieb seltsame Blüten, die niemand zurechtstutzte und korrigierte, sodass sie ungehindert wuchern konnten. Als ich in die Schule kam, war die ursprüngliche Leere des Begriffs „Gott“ für mich mit einem sehr diffusen Nebel gefüllt. Gott war in meiner Vorstellung dieser alte Mann mit Hornbrille, der stoisch durch mich hindurchsah, wenn ich zu ihm zu beten versuchte. Obendrein war er für mich zum Inbegriff für gähnende Langeweile geworden. Denn wenn man die Kirchen für Gott gebaut hatte und dort diese schrecklich langweiligen, unverständlichen Gottesdienste abhielt, dann konnte das in meiner kindlichen Vorstellungswelt nur bedeuten, dass Gott es genau so haben wollte. Wenn es Gott nur gab, um mich mit Langeweile zu lähmen und mit Ernst zu erdrücken, dann wollte ich mit ihm lieber nichts zu tun haben! Ich war noch nicht fähig, zwischen Gott und seinem Bodenpersonal zu unterscheiden.

Später, im Religionsunterricht, lernte ich Bibelgeschichten kennen und das Vaterunser beten. Diese Geschichten, erfuhr ich, waren vor Tausenden von Jahren passiert. Für mich waren sie...