Das Geschäft ist meine Bühne - Die Geschichte der 'Schwäbischen Jungfrau'. Aufgezeichnet von Freya Martin

Das Geschäft ist meine Bühne - Die Geschichte der 'Schwäbischen Jungfrau'. Aufgezeichnet von Freya Martin

von: Hanni Vanicek, Freya Martin

Amalthea Signum Verlag GmbH, 2020

ISBN: 9783903217676 , 208 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 22,99 EUR

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Mehr zum Inhalt

Das Geschäft ist meine Bühne - Die Geschichte der 'Schwäbischen Jungfrau'. Aufgezeichnet von Freya Martin


 

Mit Leinen fing es an


Die Recherche zur 300-jährigen Unternehmensgeschichte der »Schwäbischen Jungfrau« gestaltete sich zum Teil schwieriger als gedacht, denn nur wenige Originaldokumente sind noch erhalten. Zumal das historische Archivmaterial durch einen Brand des Geschäftslokals am Graben 26 im Jahr 1969 fast vollständig vernichtet worden war. Insofern datiert das wenig noch Vorhandene vornehmlich aus den letzten sechs Jahrzehnten. Also ab jener Zeit in der Historie der »Schwäbischen Jungfrau«, als Frau Kommerzialrätin Hanni Vanicek im Alter von 21 Jahren die Geschäftsagenda von den Vorbesitzern übernahm. Fündig wurde ich letztendlich bei meinen Recherchen dank eines Hinweises meines ehemaligen Professors Dr. Murray G. Hall im digitalen Zeitungsarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek ANNO. Aus rund 120 dokumentierten Einträgen in Zeitschriften und Magazinen konnte ich die unterschiedlichen Eigentümerverhältnisse der Leinenwaren-Niederlage – heute ist dafür der Begriff Niederlassung üblich – »Zur Schwäbischen Jungfrau« zumindest teilweise nachzeichnen. Andererseits hat die »Schwäbische Jungfrau« sowohl hinsichtlich ihrer verschiedenen Standorte des Geschäftslokals als auch auf die Vielzahl ihrer Eigentümer und Eigentümerverhältnisse eine recht bunte Geschichte vorzuweisen, was verständlicherweise die Recherchearbeiten über die »Schwäbische Jungfrau« ebenfalls nicht einfacher machte. Großer Dank gebührt auch dem Archiv der Wirtschaftskammer Österreich und hier ganz besonders der Referatsleiterin Mag. Rita Tezzele und ihren Mitarbeiterinnen für die Hilfsbereitschaft beim Ausheben der Auszüge aus dem Handelsregister.

Alles begann im Jahr 1720, als sich der über drei Jahrhunderte tradierten Legende nach, nomen est omen, ein schwäbischer Leinwandhändler am Haarmarkt niederließ. Als Haarmarkt bezeichnete man die Gegend zwischen dem heutigen Lugeck und dem Alten Fleischmarkt, der ursprünglich ein Teil der Rotenturmstraße war. Der Haarmarkt, oftmals auch Flachsmarkt genannt, wurde erstmals Ende des 13. Jahrhunderts, um 1270, urkundlich erwähnt.

Da der Leinwandhändler Johann Joseph Wolff aus Schwaben der Legende nach drei schöne Töchter hatte, zeichnete das Geschäft alsbald mit dem Namen »Zu den drei schwäbischen Jungfrauen«. Wann aus der Geschäftsbezeichnung mit den drei Jungfrauen nur mehr eine übrig blieb, ist anhand der vorliegenden Daten leider nicht eruierbar.

In einem Bericht aus dem Wiener Kommunal-Kalender und städtisches Jahrbuch aus dem Jahr 1912 werden die nun folgenden Eigentümer im Verlauf der ersten fast zwei Jahrhunderte der »Jungfrau« aufgelistet. Sehr abwechslungsreich gestaltet sich dieser wahre Eigentümerreigen, denn zu diesem Zeitpunkt, fast zweihundert Jahre später, waren es in Summe nicht weniger als zwölf unterschiedliche Besitzer und Betreiber der Leinenwaren-Niederlage. Nach dem schwäbischen Gründer folgten im Jahr 1743 ein gewisser Thomas Josef Flaschitz, 1778 Johann Georg Angelmaier, nur sechs Jahre später, 1784, zeichnete für ein Jahr seine Witwe Elisabeth Angelmaier verantwortlich. Ein Jahr später erfolgte die Übernahme der Geschäftsagenda durch Josef Gruber, der wiederum bereits 1788 seinen Sohn, Josef Andreas Gruber, mit der »Schwäbischen Jungfrau« beerbte. Dieser blieb allerdings auch nur neun Jahre Eigentümer, denn ab 1797 wird Ferdinand Kronöster als solcher genannt. Dieser hatte zumindest das schicksalhafte Glück, das Geschäft etwas länger betreiben zu können, denn erst im Geburtsjahr Kaiser Franz Josephs I., 1830, folgte mit Anton Wagner der nächste Eigentümer in diesem abwechslungsreichen Reigen.

Fast ein Vierteljahrhundert später, 1854, folgten wiederum neue Eigentümer der Leinenwaren-Niederlage – zwei Geschäftspartner mit den Namen Vogel & Salzmann. Eine Originalrechnung vom 27. November 1854 ist eines jener raren originalen Zeitdokumente, die im Privatarchiv von Hanni Vanicek noch erhalten geblieben sind. Auf der Rückseite ist ein Konterfei der »Schwäbischen Jungfrau« abgebildet und folgender Aufdruck ist zu lesen: »Vogel & Salzmann, bürgerl. Leinwandhändler, Zur Schwäbischen Jungfrau, Wien, in der Bischofgasse No. 638, empfehlen sich mit ihrem stets gut sortirten (sic!) Warenlager von allen Gattungen Leinwaaren (sic!) um die billigst festgesetzten Preise.«

Originalfaktura der »Schwäbischen Jungfrau«, 1854 (Faksimile)

Unter der Ägide von Vogel & Salzmann fungierte die »Schwäbische Jungfrau« zudem als eine Art Vermittlungsbüro und Anlaufstelle für allerlei Geschäftsgebarungen, was zahlreiche Inserate aus diesen Jahren bezeugen. Man vermittelte über Zeitungsinserate etwa Administrationen von sogenannten Güterinspektoren mit ökonomischen und juridischen Fachkenntnissen, den heutigen Maklern entsprechend, um beispielsweise hübsche Landgüter, Häuser und Sommerwohnungen anzubieten. Und sogar über gesuchte Reisekompagnons oder eine Sängerreise nach Venedig vom Wiener Kaufmännischen Gesangsverein wurden in der »Schwäbischen Jungfrau« Auskünfte erteilt.

Erst rund dreißig Jahre später, im Jahr 1881, sollte wieder einmal ein Eigentümerwechsel erfolgen. Und auch dieses Mal übernahm wieder ein Eigentümerduo die Führung der »Schwäbischen Jungfrau«. Die beiden Herren und Geschäftsmänner Josef Benedikt Markl und Josef Thanhofer erwarben die Leinenwaren-Niederlage und führten sie »in Kompagnie« bis ins Jahr 1900, als sich Josef Thanhofer aus der Geschäftsagenda zurückzog. Von da an leitete Josef B. Markl das Geschäft alleine und übergab es vier Jahre darauf seinem Sohn Hans Markl, der es wiederum mit seinem Partner, Carl Sieper, weiterführte.

Werbung im Neuen Wiener Tagblatt, 7. Februar 1912

In Bezug auf ihre Standorte des Geschäftslokals hatte die »Schwäbische Jungfrau« angesichts ihres oftmaligen, um ihn nicht als inflationär zu bezeichnen, Eigentümerwechsels eine fast ruhig anmutende Geschichte. Lediglich vier Standorte sind in der 300-jährigen Geschichte verzeichnet.

Bis zum Jahr 1913 firmierte die Leinenwaren-Niederlage seit ihrer Gründung im Jahr 1720 fast durchgehend am selben Standort, nämlich in der Rothenthurmstrasse 13 (sic!), vis-à-vis der Wollzeile, wobei sich die Adressbezeichnung des Standortes im Laufe der Jahrzehnte immer wieder änderte: von »Haus Stadt 528« über Bischofgasse 638 bis hin zur letzten Standortumbenennung Rotenturmstraße 13 ab dem Jahr 1862. Die einzige Unterbrechung gab es wegen eines temporären Umzugs aus baulichen Gründen, denn für kurze Zeit wechselte das Geschäftslokal im Jahr 1838 unter dem Eigentümer Anton Wagner in das gegenüberliegende fürsterzbischöfliche Palais mit der Nummer 636, wie der Wiener Zeitung vom 29. September des damaligen Jahres zu entnehmen ist:

Gewölbs-Veränderung der Leinwandhandlung zur Schwäbischen Jungfrau. Ich erlaube mir die Anzeig (sic!), daß wegen dem Baue des Hauses Nr. 638, in der Bischofgasse, die seit vielen Jahren dort bestandene Leinwandhandlung zur Schwäbischen Jungfrau zu Michaeli 1838 in dieselbe Gasse Nr. 636, dem fürsterzbischöflichen Palais gegenüber, verlegt wird. Bey (sic!) dieser Gelegenheit empfehle ich mich mit einem vorzüglich gut sortirten (sic!) Lager aller Gattungen Leinenwaren zu den billigst festgesetzten Preisen, und werde es mir stets zur strengsten Pflicht machen, dem alten Vertrauen womit diese Handlung bisher beehrt wurde durch solide Behandlung würdig zu entsprechen. Anton Wagner.

Faktura mit Briefkopf »Josef B. Markl, vormals Markl & Thanhofer«, 1903

Rund 75 Jahre später liest man in der Illustrierten Kronen Zeitung vom 1. Dezember 1912:

Die seit 200 Jahren bestehende Leinenwaren-Niederlage »Zur schwäbischen Jungfrau«, I., Rotenturmstraße Nr. 13, Ecke Ertlgasse, übersiedelt demnächst wegen Demolierung des Hauses und findet daher ein behördlich bewilligter Ausverkauf zu äußerst reduzierten Preisen statt.

Was war geschehen? Anstelle des Ertl’schen Stiftungshauses, das heute in alle vier Richtungen – Rotenturmstraße, Kramergasse, Ertlgasse und Lichtensteg – frei steht, befanden sich ursprünglich mehrere kleinere Häuser, die zum Teil im Laufe der Zeit miteinander baulich verbunden waren. 1912 wurde der Abriss beschlossen und den dort eingemieteten Gewerbelokalen wurde gekündigt, was sich durch das Neue Wiener Tagblatt vom 5. Oktober 1912 belegen lässt:

Das älteste Geschäft im Hause »Zur Schwäbischen Jungfrau« wird ganz verschwinden. Es verzichtet darauf, in das neue Palais zurückzukehren, und wird mit einem anderen Geschäftshause der...