Kicken wie die Profis - Alles, was du auf dem Weg zum Bundesligastar wirklich wissen musst. Mit den wichtigsten Tipps und Tricks von den besten Profimachern

von: Kai Psotta

Heyne, 2021

ISBN: 9783641260583 , 288 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 9,99 EUR

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Kicken wie die Profis - Alles, was du auf dem Weg zum Bundesligastar wirklich wissen musst. Mit den wichtigsten Tipps und Tricks von den besten Profimachern


 

Vorwort

von Oliver Bierhoff

Im Alter von fünf Jahren habe ich bei einem kleinen Verein bei uns vor der Haustür mit dem Fußballspielen angefangen. Auf das Fußballtraining habe ich mich immer ganz besonders gefreut. Nach der Schule hatte ich stets nur ein Ziel: schnell den Ranzen nach Hause bringen, Hausaufgaben erledigen und ab auf den Fußballplatz. Wir kickten damals noch auf Ascheplätzen, aufgeschürfte Knie gehörten quasi fest zur Ausstattung. Über die ESG 99/06 bin ich irgendwann zu Schwarz-Weiß Essen gewechselt. 1985 habe ich bei Bayer 05 Uerdingen meinen ersten Profivertrag unterschrieben. Mein Werdegang ist für die damalige Zeit als »sehr klassisch« zu bezeichnen.

Heute funktioniert es anders. Kinder landen deutlich früher in Nachwuchsleistungszentren. Für ihren großen Traum, Profifußballerin oder Profifußballer zu werden, müssen viele von ihnen ihr familiäres Zuhause verlassen und in ein Internat umziehen. Dort finden sie top Bedingungen vor, um die uns noch immer die ganze Welt beneidet: Eine moderne Infrastruktur, ein hochprofessionelles Umfeld, eine enge Verzahnung von Schule, Training und Wettkampf am Wochenende – all das zeichnet die Nachwuchsförderung im deutschen Fußball aus.

Die Kinder und Jugendlichen werden rund um die Uhr betreut – von sportlichen Leitern, Trainern, Athletikcoaches, Videoanalysten, Pädagogen, Psychologen, Ernährungsberatern und so weiter. Ihr Alltag ist durchgetaktet, vorgegeben, zum Teil minutiös verplant. Ihnen wird viel abverlangt, aber an anderer Stelle auch sehr viel abgenommen. Genau deswegen hat unser System – neben all seinen Stärken – über die Jahre auch seine Schwächen aufgezeigt. Und das wird mittlerweile auch auf dem Platz deutlich. Wir benötigen wieder das richtige Maß zwischen notwendiger Professionalität und größtmöglicher Persönlichkeitsentfaltung.

Ab dem Jahr 2000 waren wir mit diesem System sehr erfolgreich, für mehr als zehn Jahre auf einem richtig guten Weg. Mit der daraus entwickelten U17 sind wir im Jahr 2009 Europameister geworden, mit der U19 wurden wir 2008 und 2014 Europameister. Mit der U21 gelang der gleiche Erfolg in den Jahren 2009 und 2017. Und die A-Nationalmannschaft krönte all dies mit dem WM-Titel 2014 in Brasilien. Doch anstatt im Nachwuchsbereich immer weiter den Mut für notwendige Anpassungen zu haben, ruhten wir uns auf dieser Erfolgsserie aus. Wir räumten den kontinuierlichen Feinjustierungen am System nicht die notwendige Priorität ein. So haben wir über Jahre nach den immer gleichen Mustern sehr »gleichförmige« Spieler produziert, die nun im Überfluss auf unseren Fußballplätzen aktiv sind.

Wir haben heute viele Spieler, die den Ball in Perfektion zirkulieren lassen können, also diese Tiki-Taka-Typen. Aber uns fehlt es an echten Führungsspielern, die Verantwortung übernehmen und Entscheidungen treffen können. Uns fehlen die Kreativspieler und Individualisten. Wir haben zu wenige dynamische Außenverteidiger und klassische Mittelstürmer, und unsere Spieler weisen ein Manko in Sachen Torabschluss auf. Wenn man immer nur mit stark auf die Technik fokussierten Trainern trainiert und spielt, lernt man zum Beispiel nie, wie man sich gegen einen sogenannten »Holzfäller« – also einen knallharten Verteidiger – durchsetzt.

Wir haben uns in den vergangenen Jahren zu sehr in dieses Mannschaftstaktische verliebt – und irgendwann vergessen, die rosarote Brille abzunehmen. Jeder Jugendtrainer kann heute – bewusst überspitzt gesagt – sechsundsechzig Varianten der Viererkette diskutieren. Und nach den Spielen wird analysiert, dass ein Fünfzehnjähriger einen halben Meter zu weit rechts gestanden hat, also nicht exakt auf der Position, wo er in der Theorie hingehört hätte. Wir alle haben es zugelassen – so selbstkritisch müssen wir in der Jugendarbeit sein –, dass dort teilweise junge Menschen wie Computer programmiert worden sind, ihnen taktische Systeme eingeimpft wurden, anstatt sie viel stärker mit Spaß und Freude zu besseren Fußballern zu entwickeln.

Daher habe ich beim DFB mit meiner Direktion Nationalmannschaften und Akademie einen neuen Weg eingeschlagen. Wir möchten mit unseren Maßnahmen zurück an die Weltspitze. Es bedarf in unserer Ausbildung keiner Revolution, aber einer Evolution. In der deutschen Nachwuchsarbeit müssen wir gemeinsam in den nächsten Jahren kräftig die Ärmel hochkrempeln und mutiger und flexibler arbeiten. Noch haben wir außergewöhnliche Fußballer, mit denen es in der A-Nationalmannschaft Erfolge geben kann. Die nächsten vier bis sechs Jahre sollten wir unter anderem mit Joshua Kimmich, Leon Goretzka, Leroy Sane, Serge Gnabry, Julian Brandt, Luca Waldschmidt und Co. gut aufgestellt sein. Aber nach Kai Havertz, der Jahrgang 1999 und einer der letzten Ausnahmeschüler dieser Generation ist, finden sich in den jüngeren Jahrgängen schon deutlich weniger derartige Ausnahmetalente. Die Zahlen sind ernüchternd und lassen darauf hindeuten, dass nach 2026 große Erfolge schwieriger zu erreichen sein werden. Das Gute ist aber, dass wir verstanden haben, unsere Herangehensweisen zu ändern. Und wir werden, wenn wir heute die entsprechenden Weichen stellen, zurück an die Weltspitze kommen.

Im Dezember 2019 sind wir, um nur ein winziges Beispiel aufzuzeigen, von der DFB-Akademie zusammen mit vierzehn Entscheidern aus der Bundesliga für vier Tage ins Silicon Valley gereist. Wir waren bei Facebook, an der Stanford University, bei den San José Sharks und bei den San Francisco 49ers. Für uns war diese Reise inspirierend, um die Denkweise von erfolgreichen Unternehmern, Machern und Vorzeige-Klubs zu adaptieren und neue Impulse für die eigene Arbeit zu gewinnen.

Solche Reisen werden wir künftig vermehrt und regelmäßig unternehmen, um immer wieder über den Tellerrand hinauszuschauen. Eine innovative Haltung, ein Lernen von anderen Bereichen und das Nutzen von Technologie und Wissenschaft – all das hilft dabei, den deutschen Fußball weiterzuentwickeln.

Entscheidend ist darüber hinaus, wie in der Schule auch, der richtige Lehrer. Was nützt die schönste Tafel, das heißeste Whiteboard, wenn der Lehrer den Stoff nicht vermitteln kann? Dementsprechend kommt es ganz entscheidend auf die Trainerinnen und Trainer an, die sich der jungen Menschen annehmen. Sie sind der Schlüssel. Sie möchten wir noch besser ausbilden, weiterbilden und stärken.

Lange Zeit haben wir in Deutschland unseren Trainern in wahnsinnig kurzer Zeit extrem viel Input in der Ausbildung weitergegeben. Wir haben sie in kürzester Zeit mit Wissen vollgepumpt – um sie anschließend, also nach dem Lizenzerwerb, in der Praxis zu sehr allein zu lassen. Wir haben sie nicht gut genug bei ihrer bedeutenden Aufgabe begleitet. Dem wirken wir jetzt entgegen und haben all das in unserem Ausbildungssystem angepasst und verfeinern es noch weiter. Wir haben unter anderem den Fußball-Lehrer-Lehrgang, die höchste Lizenzstufe im deutschen Fußball, reformiert. Wir schulen unsere Trainer nun viel individueller und praxisnaher – denn ein guter Nachwuchscoach braucht andere Kompetenzen als ein guter Profitrainer. Auch bieten wir ein Mentoring- und Weiterbildungsprogramm an, um unsere Trainer auch nach dem Lizenzerwerb zu begleiten und zu unterstützen. Für die Trainer an der Basis haben wir etwa mit digitalen Angeboten reagiert, als wegen der Corona-Pandemie zahlreiche Fortbildungsveranstaltungen ausfielen. Der DFB ist der einzige große Fußballverband, der es auf diese Weise geschafft hat, dass kein Trainer in dieser Zeit um seine Lizenz bangen musste.

In Zukunft wird es unsere Aufgabe sein, das Wissen, das wir an der DFB-Akademie sammeln, noch gezielter und individueller an Jugend- und Nachwuchscoaches weiterzugeben. Denn sie sind diejenigen, die den Kindern die Spielfreude und das Fußball-ABC beibringen – und ihnen somit bei den ersten Schritten zum möglichen Nationalspieler helfen.

Wir haben unseren Blick geöffnet und verstanden, wie wichtig es ist, flexibel und offen zu sein. Wichtig ist jetzt, dass wir dieses Verständnis auch umsetzen. Die Entwicklung der Spielerinnen und Spieler hat im Nachwuchsfußball künftig Vorrang vor dem Ergebnis. Wir müssen den Egoismus ablegen, der in einigen Fällen zwischen Verbands- und Vereinsebene geherrscht hat. Was nicht sein kann und darf, ist, dass wir beim DFB eine Absagenflut nach Nominierungen für U-Nationalmannschaften erleben, weil die Spielerinnen und Spieler aus unterschiedlichsten, teils fadenscheinigen Gründen lieber bei ihren Vereinen bleiben sollen. Wie soll eine Besten-Förderung ohne die Besten stattfinden?

Wenn man mich nach grundsätzlichen Ratschlägen fragt, was ich auf dem Weg nach oben empfehlen würde, dann sage ich:

  • Verliert bloß nicht zu viel Zeit eurer Jugend auf der Rücksitzbank im Auto eurer Eltern. Es kann einem/einer Zehnjährigen nicht guttun, drei Stunden durch die Gegend zu fahren, nur um in einem NLZ eine Stunde zu trainieren.
  • Es kann durchaus sinnvoll sein, sich zunächst in Ruhe bei einem kleineren Verein vor der eigenen Haustür zu einem Führungsspieler bzw. einer Führungsspielerin zu entwickeln. Wer Woche für Woche ständig 8:0 gewinnt, in einer Ansammlung von Top-Talenten, beraubt sich womöglich der Chance einer vernünftigen Sozialisierung.
  • Traut euch wieder mehr raus auf den Bolzplatz, wo Taktik in den Hintergrund gerät und ein freier, dynamischer Fußball im Vordergrund steht. Das freie Spiel und der Zweikampf fördern jene Mentalität, die unsere Führungsspielerinnen und -spieler von morgen...