Sophienlust 331 - Familienroman - Auf der Suche nach der Mutter

Sophienlust 331 - Familienroman - Auf der Suche nach der Mutter

von: Marisa Frank

Martin Kelter Verlag, 2021

ISBN: 9783740974763 , 64 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 1,99 EUR

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Sophienlust 331 - Familienroman - Auf der Suche nach der Mutter


 

»Daddy, wohin fährst du?« fragte Tom Ross. Erstaunt hatte er festgestellt, daß sein Vater die Autobahn verlassen hatte. Er beugte sich vor und entnahm dem Handschuhfach die Autokarte. Nachdem er sie aufgeschlagen und gründlich studiert hatte, stellte er fest: »Wir sind doch noch lange nicht am Rhein.«

»Ich weiß.«

Erstaunt hob der Zwölfjährige den Kopf. Warum war sein Vater so kurz angebunden?

Jack Ross räusperte sich. Wie sollte er seinem Sohn sagen, was er vorhatte?

»Der Rhein läuft uns nicht davon«, erklärte er schließlich und begann zu pfeifen.

Toms Erstaunen wuchs. »Ich dachte, wir hätten nicht viel Zeit? Du mußt doch noch nach Paris und London.«

»Stimmt«, gab Jack Ross, der Manager aus Amerika, kurz angebunden zu.

Mit gerunzelter Stirn sah Tom erneut auf die Landkarte. Was wollte sein Vater in dieser Gegend?

»Maibach«, buchstabierte der Junge halblaut. Dann hob er erneut den Kopf. »Du fährst in Richtung Maibach. Gibt es in dieser Stadt etwas Interessantes?«

»Soweit ich mich erinnern kann, ist es ein nettes kleines Städtchen. Es gibt dort viele Fachwerkhäuser.«

»Fachwerkhäuser«, wiederholte Tom erstaunt. Als amerikanischer Junge konnte er mit diesem Wort nichts anfangen.

Umständlich erklärte sein Vater ihm, was dieser Begriff bedeutete.

Tom schüttelte den Kopf. »So etwas interessiert dich?« fragte er verwundert. »Wir wollten uns doch Hamburg ansehen.«

»Das können wir immer noch tun«, erklärte Jack Ross. Obwohl nicht viel Verkehr herrschte, sah er stur geradeaus.

»Daddy!« Langsam wurde Tom ungeduldig. »Du vergißt, daß wir einen genauen Zeitplan aufgestellt haben. Oder willst du länger in Europa bleiben?«

»Das wird kaum möglich sein«, brummte Jack Ross.

»Aber…«, begann Tom erneut.

Er verstand seinen Vater immer weniger.

»Wir bleiben nicht lange hier. Sagen wir, wir machen nur eine kleine Rundfahrt durch dieses Städtchen. Es ist ja nicht groß.« Jack Ross wurde immer unsicherer.

Tom, der ein kameradschaftliches Verhältnis zu seinem Vater hatte, sah es und konnte nicht länger an sich halten.

»Es wird Zeit, daß du mir den Grund sagst«, forderte er.

»Grund…« Offensichtlich verlegen, fuhr Jack Ross sich durch das Haar. Dann verlangsamte er das Tempo. »Es gibt eigentlich keinen bestimmten Grund, außer, daß ich…« Er brach ab.

»Kennst du Maibach?« fragte Tom mißtrauisch. »Ich dachte, du warst ­damals nur in München und Hamburg?«

»Ich war nur kurz in Maibach. Ein Freund nahm mich mit«, wich der Manager aus.

Tom begriff wohl, daß sein Vater nicht darüber sprechen wollte, doch jetzt war seine Neugierde geweckt. Er dachte nicht daran, aufzugeben.

»Willst du in dieser Stadt etwas Bestimmtes ansehen?« fragte er und beobachtete seinen Vater scharf. So entging ihm nicht, daß diese Frage seinem Vater unangenehm war.

Tom verbiß sich ein Grinsen. Mit seinen zwölf Jahren verfügte er über eine rege Fantasie. »Warst du noch Junggeselle, als du hier warst?« fragte er anzüglich.

»Ja«, antwortete Jack Ross kurz und dachte daran, daß es wirklich an der Zeit war, mit seinem Sohn über alles zu sprechen.

»War sie nett?« Tom lachte und stieß seinen Vater an. »Ich bin kein kleines Kind mehr, Daddy. Mit mir kannst du schon von Mann zu Mann sprechen.«

»Wie?« Jack Ross schreckte aus seinen Gedanken auf. »Wen meinst du?«

»Na, die Frau, die du hier kennengelernt hast. Ich habe auch schon daran gedacht, einmal eine Deutsche zu heiraten.«

Jack konnte nicht anders, er mußte lächeln. »Du hast aber noch reichlich Zeit.«

»Ich finde, die deutschen Frauen sind schick«, fuhr Tom fort. »Du mußt mir von ihnen erzählen.«

»In sechs, sieben Jahren vielleicht.« Jack schmunzelte.

Tom seufzte abgrundtief, dann schmeichelte er: »Vielleicht verrätst du mir aber inzwischen, wie die Dame war, die du damals in dieser Stadt kennengelernt hast.«

Schlagartig wurde Jack Ross wieder ernst. »Es war deine Mama«, sagte er.

»Was? Mama hat hier gelebt?« Interessiert sah Tom aus dem Autofenster. »Du hast sie hier kennengelernt? Tol!« Er konnte sich kaum fassen. »Daddy, erzähle doch! Haben wir hier Verwandte?«

Als die Antwort ausblieb, wandte Tom sich erneut seinem Vater zu. »Warum sagst du mir das erst jetzt? Mensch, bin ich aufgeregt!«

»Warum denn? So aufregend ist diese Stadt nun wirklich auch wieder nicht.«

»Aber die Verwandten!« Der sonst so ruhige Junge zappelte nun aufgeregt auf dem Sitz hin und her. »Sind es viele? Wie muß ich zu ihnen sagen?«

Jack Ross fühlte sich nicht wohl in seiner Haut. »Ich weiß es nicht«, sagte er.

»Was weißt du nicht? Daddy, warum tust du so geheimnisvoll?«

Jack Ross lenkte den Mietwagen an den Straßenrand und hielt an.

»Es wird besser sein, wir drehen um. In Maibach gibt es nichts Interessantes zu sehen. Es war dumm von mir, von der Autobahn abzufahren. Wenn wir uns beeilen, dann können wir zu Mittag doch noch in Mainz sein.« Jack Ross sprach jetzt sehr schnell. »Wir essen dort zu Mittag und fahren dann den Vater Rhein entlang. Das wird dir sicher gefallen.«

Tom erwiderte nichts. Er sah seinen Vater nur verständnislos an.

Schließlich senkte Jack den Blick. »Wir haben doch sehr viel über den Rhein gelesen. Erinnerst du dich noch an die Sage von der Loreley?«

»Natürlich.« Auch Toms Jungengesicht war nun ganz ernst. »Daddy, was ist eigentlich los? Komisch, wir haben nie über Mamas Verwandte gesprochen. Bitte, erzähle mir von ihnen.«

»Tom, das kann ich nicht.« Jack Ross lehnte sich in seinem Sitz zurück und sah auf seine Hände, die er auf seine Knie gelegt hatte. »Ich habe deine Mutter hier kennengelernt. Ich war damals für einige Monate in Europa, hatte mein Studium noch nicht abgeschlossen und trampte während des Sommers durch dieses Land.« Sinnend sah er vor sich hin.

Tom sah seinen Vater an. Er wagte es nicht, ihn in seinen Gedanken zu stören.

Nach einiger Zeit fuhr Jack Ross fort: »Damals fand ich Maibach sehr reizvoll. Wahrscheinlich war es aber nur die Gegenwart deiner Mutter, die mich alles mit anderen Augen sehen ließ. Jedenfalls waren es herrliche Tage, die ich hier verlebte.«

Jack Ross richtete sich auf, fuhr fort: »So, jetzt weißt du, warum ich plötzlich von der Autobahn abgebogen bin. Es war dumm von mir. Ich würde mich jetzt in dieser Stadt sicher nicht mehr zurechtfinden. Es ist besser, wir drehen um.« Er griff nach dem Zündschlüssel.

»Bitte nicht, Daddy.« Hastig legte Tom seine Hand auf den Arm des Vaters. »Ich möchte sehen, wo Mama gelebt hat. Ich kann mich überhaupt nicht an sie erinnern.«

»Das ist kein Wunder, du warst ja noch keine drei Jahre alt, als wir plötzlich allein waren.« Liebevoll sah Jack seinen Sohn an.

»Hm!« Tom bemühte sich, einen klaren Gedanken zu fassen. Es war eigenartig für ihn, plötzlich etwas über seine Mutter zu erfahren. »Ich habe wohl gewußt, daß Mama Deutsche war, aber ich habe nie darüber nachgedacht.« Fragend sah er seinen Vater an. »Warum eigentlich nicht?«

»Weil ich mit dir nie über deine Mutter gesprochen habe«, antwortete Jack Ross wahrheitsgemäß.

Mit gerunzelter Stirn nickte Tom. Dann schmiegte er sich blitzschnell an seinen Vater.

»Ich habe meine Mama nie vermißt. Du warst ja immer für mich da.« Plötzlich war ein Brennen und Würgen in seiner Kehle. »Daddy, du bist mein ein…«

Auch Jack Ross konnte vor Rührung kaum sprechen. Seine Hand wühlte in dem blonden Haarschopf seines Sohnes.

»Laß es gut sein, Tom. Wir hatten bisher eine schöne Zeit miteinander. So soll es bleiben.«

»Ja, Daddy, so soll es bleiben«, wiederholte Tom feierlich, dann fuhr er sich über die Augen und schneuzte sich heftig in sein Taschentuch.

»Nicht mehr lange, mein Sohn, und du bist erwachsen«, sagte Jack. Ganz war er seiner Rührung noch nicht Herr geworden.

»Das hat noch Zeit«, murmelte Tom und machte eine abwehrende Bewegung. So gern er sonst seine Nase in alles steckte und vom Vater für voll genommen werden wollte, jetzt gefiel ihm der Gedanke ganz und gar nicht. »Ich glaube, ich werde immer bei dir bleiben«, fügte er daher rasch hinzu. »Unser Haus ist groß, und was würdest du ohne mich machen?«

»Tom, das ist ein Wort!« Jack Ross lachte.

Mißtrauisch sah der Zwölfjährige ihm ins Gesicht. Machte Daddy sich etwa über ihn lustig? »Sag einmal«, fragte er, »warum hast du nicht wieder geheiratet? Mama ist doch schon lange tot.«

Abrupt wandte der große, breitschultrige Mann sich ab. »Es hat sich einfach nicht ergeben«, murmelte er, während er am Zündschloß herumfingerte.

Tom ließ sich jedoch nicht mehr täuschen. Er sprach das aus, was er dachte: »Da stimmt doch etwas nicht. Haben es Mamas Verwandte nicht erlaubt?«

»Ich kenne Mamas Verwandte gar nicht«, sagte Jack Ross und fuhr an. Er fuhr in die nächste Einfahrt, um das Auto zu wenden.

Da protestierte Tom jedoch lautstark. »Ich will nach Maibach. Wir wollen nachsehen, ob Mama hier Verwandte hat. Du mußt mir erzählen, wo du sie getroffen hast, wie alles war.«

Die Worte sprudelten nur so aus Toms Mund.

Jack seufzte. »Es gibt nicht viel zu erzählen. Ich war ja nicht lange in dieser Stadt.«

»Jedenfalls lange genug, um dich in Mama zu verlieben und sie mit nach Amerika zu nehmen«, beharrte Tom. Interessiert sah er wieder aus dem Autofenster, weil er an einem Wegweiser erkannt hatte, daß sie sich der Kreisstadt näherten. Dadurch entging...