G. F. Unger Western-Bestseller 2498 - Die richtige Seite

G. F. Unger Western-Bestseller 2498 - Die richtige Seite

von: G. F. Unger

Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG, 2021

ISBN: 9783751708647 , 64 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

Mac OSX,Windows PC für alle DRM-fähigen eReader Apple iPad, Android Tablet PC's Apple iPod touch, iPhone und Android Smartphones

Preis: 1,99 EUR

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G. F. Unger Western-Bestseller 2498 - Die richtige Seite


 

Die richtige Seite

Zwanzig Tage lang sind sie im Sattel – und meist mit hungrigen Mägen. Und ihre Pferde und ihre Ausrüstung sind schlecht. Sie sind nichts anderes als zwei halb verhungerte und ziemlich heruntergekommene Satteltramps. In ihren Taschen befinden sich Entlassungspapiere. Es sind kurze und trockene Worte, die ein Schreiber der Nordarmee geschrieben hat: Captain Jim McCrea, Gefangennahme bei Appomattox, entlassen mit dem heutigen Tage. Lieutenant Noel McCrea, Gefangennahme bei Appomattox, entlassen mit dem heutigen Tage.

Ja, sie sind Brüder, obwohl sie sehr verschieden wirken. Nur an ihren rauchgrauen Augen könnte man sie als Brüder erkennen. Jim McCrea ist fünf Jahre älter als Noel, der vor sechs Tagen sechsundzwanzig Jahre alt wurde. Und jetzt verhalten sie ihre armseligen Pferde und starren auf die Trümmer einer kleinen Ranch. Sie wurden hier geboren. Dies war einmal ihre Heimat. Aber das ist schon lange her.

Jim McCrea sucht in seiner Hemdtasche herum und bringt schließlich einige Tabakkrümel zum Vorschein. Noel reicht ihm wortlos ein kleines Stück Papier hinüber. Jim dreht sich eine Zigarette und raucht drei lange Züge. Dann reicht er sie dem Bruder. »Eines habe ich jetzt erkannt«, murmelt er bitter. »Und weil ich es erkannt habe, sind die verdammten Jahre nicht ganz sinnlos vertan.«

Noel sieht den Bruder seltsam an. Jim McCreas dunkelbraunes und von Wind und Wetter gegerbtes Gesicht bildet einen seltsamen Kontrast zu seinem hellblonden Haar und zu seinen dichten, fast weißen Augenbrauen.

»Was hast du erkannt, Jim? Warum sind die verdammten Jahre nicht sinnlos vertan?«, fragt Noel sanft. Er ist etwas muskulöser als der sehnige Jim. Er ist dunkelhaarig, breitschultrig und schmalhüftig.

»Wir haben auf der falschen Seite gekämpft, Bruder.« Jim grinst und knetet sein Sattelhorn. »Man muss immer auf der richtigen Seite stehen – sonst ist man ein armer Hund.«

»Wir sind Texaner – und Texas stand auf der Seite der Konföderierten! Lieber ein armer Hund sein als ein verdammter Renegat«, unterbricht ihn Noel fest.

»Der Krieg ist vorbei, Noel. Jetzt sind wir wieder freie Männer, die nur sich selbst verantwortlich sind. Ich sage dir jetzt schon, dass ich jede gute Chance ergreifen und mich den Teufel um Ideale kümmern werde. Wenn ich einmal für eine Sache kämpfe, so wird dabei für mich eine ganze Menge abfallen. Sieh, da sind die Trümmer unserer Ranch. Irgendwelche Schurken haben sie abgebrannt. Unser Vater hat es schwer gehabt mit dieser Ranch. Und bevor wir in den Krieg zogen, haben auch wir sehr schwere Arbeit für diese Ranch geleistet. Aber dann haben wir auf der falschen Seite gekämpft. Die Yankees haben unsere Ranch angezündet, unser Vieh geraubt und unseren Vater getötet. Ich habe nie an die Sache des Südens geglaubt. Ich wusste immer, dass die Nordstaaten gewinnen würden. Ich war ein Narr. Und jetzt bin ich keiner mehr. Ich werde immer zusehen, dass ich auf der richtigen Seite stehe.«

Er starrt den jüngeren Bruder zwingend an.

Noel will widersprechen, aber dann zuckt er mit den Schultern.

»Irgendwie müssen wir anfangen«, sagt er. »Dad hatte unter dem Herd immer einen letzten Notpfennig. Wir sollten nachsehen, ob noch etwas davon vorhanden ist.«

Jim spuckt erst zu Boden und nickt dann. Seine scharfen Augen prüfen noch einmal, und er sieht nichts, was ihm Freude bereiten könnte. Die Ranch besteht nur noch aus Trümmern, Schutt, Asche und verkohlten Balken. Die Ruine eines Schuppens steht noch. Der Brunnen scheint noch intakt zu sein, und es sieht so aus, als würde er dann und wann von Reitern benutzt.

»Sicher«, sagt Jim McCrea langsam, »nach Dads Notpfennig können wir suchen. Aber ob ich für diesen Trümmerhaufen noch eine einzige Hand rühre, weiß ich nicht. Ah, wir müssten zehn Jahre wie Sklaven arbeiten, und dann wäre es immer noch eine kleine Ranch. Es lohnt sich nicht, dass wir zehn Jahre opfern, um dann ...«

»Wir könnten es auch in fünf Jahren schaffen, Bruder«, unterbricht ihn Noel. »Es sind noch einige Kühe mit unserem Brandzeichen vorhanden. Und wir sahen überall ungebrannte Rinder – viele, viele Mavericks. Wir besitzen ein eingetragenes Brandzeichen. Wir können uns eine prächtige Herde zusammen brennen. Die Rinder haben sich gewaltig vermehrt. Im Norden sollen sich Absatzmärkte auftun, die nur auf Treibherden warten. Bruder, wir zwei sind eine ganze Mannschaft wert. Fünf Jahre – und wir haben es geschafft!«

»Vielleicht«, murmelt Jim, »vielleicht schaffen wir es. Aber ich weiß nicht, ob ich Lust dazu habe, fünf Jahre wie ein armer Hund zu leben. Das dauert mir zu lange! Nun, wir werden sehen!«

Er gleitet aus dem Sattel und dehnt sich. Sein alter Colt hängt tief am linken Oberschenkel. Jim McCrea ist Linkshänder.

Auch Noel sitzt nun ab. Er ist vier Fingerbreiten kleiner als der Bruder, aber bestimmt nicht leichter. Er hat etwas von einem Indianer an sich. Alles an ihm erscheint wunderbar ausgeglichen.

Wie sie so abgerissen, unrasiert und mit den Zeichen des langen Rittes nebeneinander zum Brunnen gehen, sehen sie irgendwie einem zähen, großen, sehnigen Wüstenwolf – und einem prächtigen Panther ähnlich. Zwei harte, schnelle und gefährliche Männer, die sich bestimmt nicht von anderen Männern aufhalten lassen.

Sie trinken am Brunnen abwechselnd aus der hölzernen Schöpfkelle und geben auch ihren Tieren Wasser in den Tränktrog.

Jim schiebt sich dann etwas missmutig den Hut in den Nacken und beginnt die Trümmer wegzuräumen.

Noel sattelt die Pferde ab, dann geht er zum Bruder und hilft ihm. Und auch er legt während der Arbeit nicht den Colt ab, der tief an seiner rechten Hüfte hängt.

Nach zwei Stunden haben sie den zusammengebrochenen Herd freigelegt. Mit einem Stück Herdplatte beginnt Jim zu graben. Und nach zehn Minuten stößt er auf den kleinen Blechkasten. Wenig später holt er ihn heraus. Sie gehen damit zum Brunnen. Mit einem starken Messer öffnen sie die Kassette.

Fünf goldene Geldstücke holt Jim heraus.

»Fünf Doppeladler sind's«, murmelt er zufrieden. »Das sind hundert gute Dollar – damit kann man jetzt halb Texas aufkaufen. Unser Vater war ein weiser Mann, Noel!«

»Yeah, und er glaubte an uns, seine Söhne«, sagt Noel ruhig und sieht in die Augen des Bruders. »Für dieses Geld bekommen wir Proviant für ein halbes Jahr – und einige Pferde – und die notwendigste Ausrüstung. Es ist ja jetzt alles so billig in Texas. Wir können uns eine Herde zusammentreiben und ...«

»Wir werden sehen, Bruder«, unterbricht ihn Jim kurz und steckt die fünf goldenen Zwanzigdollarstücke ein.

Als sie sich am Brunnen gewaschen haben und notdürftig ihre abgerissene Kleidung säubern, geht im Westen die Sonne unter. Jim entdeckt in der Ferne einige Rinder. Er schwingt sich auf das ungesattelte Pferd.

»Mach ein Feuer, Bruder! Ich hole uns ein Stück Fleisch. Aber es ist heute das letzte Mal, dass ich mich mit einem Stück Kuhfleisch begnüge! Morgen leisten wir uns in Pecosville ein Festmahl. Wenn unsere Pferde nicht so müde wären, würde ich heute noch nach Pecosville reiten und mir die ganze Stadt kaufen.«

Er reitet langsam aus dem Hof, über die Weide und auf das kleine Rinderrudel zu.

Als Noel das Feuer in Gang gebracht hat, hört er einen Schuss. Es ist vollkommen dunkel geworden, als Jim ans Feuer geritten kommt.

Er grinst und legt ein großes Stück Fleisch auf den Brunnenrand.

»Ein Rindermann tötet sonst nie ein Kalb«, sagt er. »Aber heute habe ich es getan.«

Noel gibt keine Antwort. Er schneidet das Fleisch in Scheiben und legt diese in ihre Pfanne.

Sie sind mit der Abendmahlzeit gerade fertig und trinken das gute Brunnenwasser, als sie Hufschläge in der Nacht hören. Sofort gleiten sie in verschiedenen Richtungen aus dem Bereich des Feuerscheins und tauchen in der Dunkelheit unter.

Der Mond ist noch nicht aufgegangen, doch bald erkennen sie im Sternenlicht ein Rudel Reiter. Es kommt bis auf fünfzig Yards heran und verhält.

Dann ruft eine scharfe und harte Stimme: »Ho, wer kampiert da am Brunnen?«

Es entsteht eine kleine Pause, in der nur die Geräusche der Reiter und die Stimmen der nächtlichen Weide, die der Wind heranbringt, zu hören sind.

Dann erklingt Noel McCreas klirrende Stimme: »Ho, wer fragt da so großspurig?«

Ein grimmiger Fluch kommt als Antwort. Das Reiterrudel bewegt sich erregt, und es weicht etwas auseinander, sodass es keine dichte Traube mehr bildet. Es ist ein erfahrenes Rudel.

Die fluchende Stimme wird nun von einer anderen unterbrochen, und dies ist unzweifelhaft die Stimme eines großen Bosses. Es ist eine tiefe und mächtige Stimme. So spricht ein Mann, der sich um die Ausführung seiner Befehle keinerlei Sorgen macht. Jim und Noel kennen diese Stimme. Dieser Mann war schon immer groß und mächtig.

»Hoiii, ich sehe eure Pferde, Leute! Kommt ans Feuer! Ich will sehen, ob ihr die heimgekehrten...