G. F. Unger Classics Johnny Weston 76 - Das seltsame Kleeblatt - Teil 1. Kampfgefährten

G. F. Unger Classics Johnny Weston 76 - Das seltsame Kleeblatt - Teil 1. Kampfgefährten

von: G. F. Unger

Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG, 2021

ISBN: 9783751708548 , 64 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 1,99 EUR

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G. F. Unger Classics Johnny Weston 76 - Das seltsame Kleeblatt - Teil 1. Kampfgefährten


 

1. Kapitel
Das Blut der Dale-Sippe


Zu Fuß wirkt Buck Milton wie ein alter Mann, wie ein knorriger Baum, der bald fallen wird. Im Sattel dagegen sieht der alte Rancher zwanzig Jahre jünger aus. Über fünfzig Jahre reitet er schon. Er lernte das Reiten vor dem Schreiben und war immer ein harter Mann gewesen, er passte in das raue Land und setzte sich hartnäckig durch.

Als er sich Kate Dale zur Frau nahm, stand er schon in gesetztem Alter. Damals wandelte er sich und war von da ab weniger hart, weniger verschlossen und versöhnlicher als bisher.

Auf seinen Sohn war er mächtig stolz; die sechs Jahre später geborene Tochter nahm er mit in Kauf – er hatte ja seinen Erben.

»Unser nächstes Kind muss wieder ein Junge sein«, sagte er trotzdem zu seiner Frau. Es kam aber kein drittes Kind auf der Zwei-Balken-Ranch. Kate Milton starb. Ihre letzten Worte gaben Buck Milton zu denken.

»Buck, unser Jim ist acht Jahre alt und...«

»Yeah, und Jerry ist zwei!«

»Unterbrich mich nicht – ich habe nicht mehr viel Zeit!«

»All right, Kate«, sagte Buck leise und strich der Todkranken über das schweißnasse Haar.

»Buck, ich habe unseren Jim acht Jahre lang beobachtet, damals schon, als er noch in den Windeln lag. Ich ahnte etwas, und mit jedem Jahr wurde mir diese Ahnung mehr zur Gewissheit. Jim ist unser Sohn und dein Erbe, aber er ist kein Milton! Er ist ein Dale, der Milton heißt. – Buck, du hast mich nie viel nach meiner Familie gefragt...«

»Kate, was ging mich deine Familie an? Du kamst allein aus Texas, es war ein weiter für eine Frau.«

»Ja, es war ein weiter Weg, Buck. In Texas kannte man die Dale-Sippe. Mein Großvater, mein Vater und meine fünf Brüder waren noch jung, als sie starben; es waren unstete, gehetzte, gefürchtete Menschen, von denen keiner einen natürlichen Tod erlitt. Die Männer der Dale-Sippe legten Recht und Gesetz auf ihre Weise aus. Sie besaßen einen unsinnigen Stolz und duldeten keinen Ebenbürtigen neben sich. Unser Sohn wird ein Dale sein; ich weiß es, und ich sorge mich um deinen Erben.«

Das waren die letzten Worte von Kate Milton gewesen. Buck hatte zehn Jahre Tag für Tag daran gedacht. Er hatte getan, was er konnte, um aus Jim einen Milton zu machen, einen harten, beständigen, fest mit der Scholle verwurzelten Mann.

Mit vierzehn Jahren war Jim zum ersten Mal davongelaufen. Als er zurückkam, war er eben fünfzehn geworden. Der Vater hatte ihn fürchterlich geschlagen, aber Jim war trotzdem wieder davongelaufen.

Bei der zweiten Heimkehr trug er den Colt tief an der Seite; er war ein Mann geworden. Diesmal schlug ihn der Alte nicht; das Flackern in den Augen des Jungen warnte ihn.

Nach der zweiten Heimkehr hatte sich Jim nicht übel entwickelt. Er verstand mit siebzehn Jahren vom Viehgeschäft mehr als ein gerissener Weidereiter, log nie, und brach nie ein Versprechen.

Eines Tages kam Buck Milton ein Gedanke. Well, ich muss ihm eine ordentliche Portion Verantwortung aufbürden; er ist nicht der Boy, der eine Sache im Stich lässt, wenn andere ihm vertrauen.

Der alte Rancher hält mit seinem Sohn auf dem Hügel. Hinter ihnen liegen die Gebäude der Zwei-Balken-Ranch, und vor ihren Blicken weitet sich das Tal. Sie blicken nach Süden.

Vor ihnen in der Ferne leuchten die grünen Hänge der Kuhschwanz-Berge; im Osten erstreckt sich die blaugraue Felsenkette der Blue Hills; hinter ihnen wellt sich das Weideland zu den »Neunundneunzig Löchern«, und im Westen ragen die Kolosse der Little Belt Mountains gen Himmel.

Zu Füßen der beiden Männer liegt ein großes Tal mit einigen Dutzend Nebentälern, die von den Bergfalten versteckt werden. Der Silver Creek teilt das Big-Belt-Valley in zwei ungleiche Hälften; die größere gehört zur Zwei-Balken-Ranch. Jenseits des Creeks beginnt das Weideland der ZM-Ranch.

Befriedigt blickt Buck Milton auf sein Reich; dann heftet er seine alten Augen fest auf seinen Sohn.

»Well, Jim, bring sie nach dem Verladebahnhof«, sagt er bedächtig.

»All right, Dad!« Die Augen des jungen Mannes fliegen prüfend über die Herde am Fuße des Hügels. Es sind gewiss fünftausend Rinder. Sie sollen nach der Bahnstation, nach Gilbert-City, getrieben werden, und er, Jim Milton, soll trotz seiner Jugend der Treiberboss sein.

Eine stolze Freude erfüllt ihn. Mit achtzehn Jahren Treiberboss! Viele Herden werden von harten Männern in wochenlangen Trecks durch das Land getrieben, und von allen diesen Männern muss der Treiberboss der härteste, der beste sein.

Der alte Milton kennt seinen Sohn. Er wagt ein großes Spiel, und der Einsatz sind fünftausend Rinder. Wird Jim Milton Freude an der Sache finden? Können seine Wildheit, sein Tatendrang, sein Fernweh durch diese Aufgabe gefesselt werden, oder wird er sich weiter nach anderen Dingen sehnen? Wird Jim seine Lebensaufgabe erkennen? Oder wird er ein Abenteurer ohne festen Halt werden?

Diese Fragen gehen Buck Milton durch den Kopf, trotzdem wagt er den Einsatz: fünftausend Rinder und den Sohn, den Erben.

Jim Milton ist etwas knochig. Er ist zu schnell gewachsen und hat für seine Größe zwanzig Pfund zu wenig. Sein Kopf ist gut geschnitten, seine Gesichtszüge sind nicht gerade hübsch, aber sympathisch und jungenhaft männlich. Man schätzt ihn auf zweiundzwanzig.

Mit leuchtenden Augen blickt er über die Herde. Ringsherum halten in weiten Abständen seine Treiber. Sie sitzen träge und dösend in den Sätteln und schielen nach dem Hügel. Von rechts rollt der Küchenwagen heran. Auf dem Bock sitzt der alte Daniels und stemmt sein Holzbein gegen das Bodenbrett.

»All right!«, sagt Jim mit spröder Stimme noch einmal zu seinem Vater. Als er gleich darauf seinen Stetson vom Kopf reißt, leuchtet sein Blondhaar in der Morgensonne.

»Eeeeeh, eeeeh, jiiiiippiiiiieeeeeh!«

Mit diesen altgewohnten Rufen gibt er das Zeichen zum Aufbruch.

Die Treiber werden plötzlich lebendig. Es geht wie ein Schlag durch die Reiter.

»Eeeeh, eeeeh, jiiiipppiiiieeh, eeh!«

Bullpeitschen knallen, Colts bellen trocken, Männer schreien. Heftig schwingen die Treiber ihre Hüte, ihre gellenden Schreie erfüllen die Luft. Fünftausend gehörnte Köpfe rucken in die Höhe, fünftausend Schwänze tanzen wie Schlangen über den knochigen Rücken. Die Bullen brüllen, die Kühe muhen und zwanzigtausend Hufe kommen in Bewegung.

Langsam drehen sich die durcheinander stehenden Rinder in die gewünschte Richtung. Die Herde kommt in Marsch. Immer noch reiten die Treiber wie wilde Teufel um ihre Flanken, denn die Herde darf keine Ruhe finden.

Vater und Sohn blicken sich in die Augen. »Du wirst es bestimmt schaffen, Jim! Heute könnt ihr fast zwanzig Meilen treiben.«

»All right, Dad!«

Mehr Worte werden nicht gewechselt. Jim jagt sein Pferd den Hügel hinunter; der Alte blickt ihm sinnend nach. Vor seinen Augen erhebt sich langsam eine Staubwolke und breitet sich zu einer Staubwand aus, aus der zeitweilig gehörnte Köpfe, schaukelnde Rücken und tanzende Schwänze tauchen. Die Herde läuft und mit ihr läuft Buck Miltons Spiel mit dem großen Einsatz.

Jerry Milton ist zwölf Jahre alt. Seit sie reiten kann – sechs Jahre ist es schon her – trägt sie Hosen. Sie wirkt wie ein magerer Junge und lebt das Leben eines Jungen. Jerry trifft ihren Vater kurz vor der Ranch. Sie sitzt auf einem kleinen Cowpony, hält eine Angelrute über der schmalen Schulter und lacht mit heller Stimme. Am Sattelknopf hängen einige Forellen.

»Na, Wildfang?«, sagt der Alte befriedigt.

»Es war herrlich, Dad! Ich habe den ersten Sonnenstrahl gesehen!«

Als sie in den Ranchhof einreiten, winkt ihnen Zane Mouders von der Veranda aus zu.

Mouders ist der Rancher der ZM-Ranch. Er kam einige Jahre nach Buck Milton in das Land und nahm es südlich des Silver Creeks in Besitz, wo es damals noch wilde Indianer gab. Mouders ist kein guter Viehzüchter, er liebt ein bequemes Leben, aber er hat als guter Nachbar immer treu zu Milton gehalten.

Vater und Tochter übergeben ihre Pferde den farbigen Ranchhelfern. Jerry verschwindet zwischen den Ställen und Milton stelzt steifbeinig die Stufen zur Veranda hinauf. Jetzt sieht man, dass er ein sehr alter Mann ist. Mouders blickt prüfend und nachdenklich in das hagere, faltige Gesicht des Nachbarn.

»Du hast es gewagt?«, fragt er gespannt.

»Yeah«, antwortet Milton kurz.

»Hm, Buck, es gibt drei Möglichkeiten.«

»Nämlich? Leg los!«

»Jim könnte die Sache ernst nehmen und später ein guter Rancher werden. Yeah, vielleicht ist es ihm aber auch zu langweilig.«

»Was noch?«

»Er könnte die Herde verkaufen und würde dann über vierzigtausend Dollar verfügen.«

»Was soll das heißen?«

»Nun, wenn er ein Milton ist, dann wird er damit zurückkommen. Wenn er aber ein Dale ist,...