In die Weite leben - Kämpfe, die sich lohnen. Kraft, die dich trägt. Abenteuer, die gefeiert werden wollen.

In die Weite leben - Kämpfe, die sich lohnen. Kraft, die dich trägt. Abenteuer, die gefeiert werden wollen.

von: Elena Schulte

SCM R.Brockhaus im SCM-Verlag, 2021

ISBN: 9783417229813 , 304 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 14,99 EUR

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In die Weite leben - Kämpfe, die sich lohnen. Kraft, die dich trägt. Abenteuer, die gefeiert werden wollen.


 

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(FAST) WIE IM PARADIES


Mein Lebensland ist mit viel Gutem ausgestattet


Mein Blick ist verschwommen und unscharf in die Weite gerichtet. Ich sitze an unserem Esstisch und mache gerade einfach mal nichts – dass ich das das letzte Mal getan habe, ist schon eine ganze Weile her, weil einfach so unglaublich viel los war. Aber jetzt habe ich einen Moment der Ruhe und des Nichtstuns. Wie gut! Und so wandert mein Blick durch die großen Fenster nach draußen und bleibt an den Bäumen und Sträuchern hängen, die nach dem Winter endlich wieder austreiben, und ich genieße das frische und zarte Grün, das mir entgegenleuchtet. Heute ist wunderschönes Wetter, die Luft ist zwar noch frühlingsfrisch, aber der Himmel ist nach einigen grauen Tagen endlich wieder blau, und ich sauge die leuchtenden Farben der erwachenden Natur nur so in mich auf.

Doch wie so häufig: Kaum scheint die Sonne, sieht man, wie dreckig die Fenster sind. Ich zumindest. Und wie! Meine Augen stellen sich scharf und nehmen die bodentiefen Scheiben wahr: Fingerabdrücke, Fliegenschiss, getrocknete Regentropfen, Abdrücke vom Fußball unseres Sohnes. Ich muss dringend Zeit finden, die Fenster zu putzen. Mein Blick wandert weiter. Durch die Scheiben hindurch betrachte ich unsere Terrasse. Einige Sträucher habe ich bereits beschnitten und die Beete im Garten sehen auch ganz ordentlich aus. Doch der Boden muss dringend gefegt werden, und bevor wir uns an unseren Tisch draußen setzen können, muss ich ihn und die Stühle drum herum abwaschen. Der Winter hat einfach seine Spuren hinterlassen. Ich versuche, die Arbeitsaufträge, die an mein inneres Appellohr dringen, beiseitezuschieben …

Gedankenreise


Mein Blick wandert wieder in die Weite und nimmt meine Gedanken mit. Wie voll doch meine letzten zwei Wochen waren.

Unsere jüngste Tochter hatte ihre dritte Mittelohrentzündung in drei Monaten. Deswegen war ich mehrfach bei verschiedenen Ärzten.

Mein Mann hat einige wichtige Gespräche bezüglich seiner beruflichen Zukunft geführt und die damit einhergehenden Fragen haben uns als Ehepaar sehr beschäftigt. Wie geht es weiter? Welche Richtung sollen wir einschlagen? Wir können die Zukunft noch nicht klar sehen.

Ich selbst bin Hunderte von Kilometern gefahren, habe an verschiedenen Stellen Vorträge gehalten und dabei viele Menschen kennengelernt. Das ist immer ein Segen und eine totale Bereicherung für mich, zugleich aber auch anstrengend und oftmals sehr herausfordernd. Vor allem, wenn ich müde wieder nach Hause komme und sich meine Familie darauf freut, dass ich endlich wieder da bin und wir nun bestimmt etwas ganz Tolles unternehmen können!

Unsere beiden großen Kinder haben viele Klassenarbeiten geschrieben, für die wir gemeinsam gelernt haben. Das hat nicht immer zu guter Laune geführt. Und dann hatten sie gestern ihren ersten Schwimmwettkampf und waren sehr erfolgreich. Das haben wir natürlich gefeiert und sind so stolz auf sie!

Ach, und dann war da auch noch der Lobpreisabend in unserer Gemeinde, bei dem ich das Gefühl hatte, dass Gott so deutlich und klar mit mir gesprochen, mich in seine Arme geschlossen und mir einfach gutgetan hat.

Beim Revuepassieren der vergangenen Tage und Wochen bin ich mir nicht ganz sicher, worauf ich meine inneren Augen scharf stellen soll. Waren diese Zeiten schwer – mit Arztbesuchen, Klassenarbeiten, weitreichenden Entscheidungen? Oder waren sie erfolgreich – mit Schwimmmedaillen, guten Zensuren, einer überstandenen Krankheit und viel positivem Feedback auf meine Vorträge? Bin ich heute erschöpft, weil es alles in der Summe irgendwie viel zu viel war und ich gar keine Zeit hatte, zwischendurch mal mit einer Tasse Kaffee in der Sonne zu sitzen und durchzuatmen? Oder bin ich zutiefst dankbar, weil ich so gesegnet und beschenkt bin und mein Leben einfach bunt und frech und wild und wunderbar ist?

Es fordert mich immer wieder aufs Neue heraus, einen ausgewogenen und gesunden Blick auf mein Leben zu haben. Dieser ist so abhängig von meiner Tagesform, meinem Energielevel, den Terminen im Kalender, den Erfolgen oder Misserfolgen der letzten Zeit, den Menschen um mich herum, ja sogar vom Wetter oder der Tatsache, ob ich mich heute in meinen Klamotten wohlfühle. Gerade letzte Woche suhlte ich mich in meinem Leid über das Dauerkranksein von meiner Tochter, als ich mit einer Frau ins Gespräch kam, die ihren 5-jährigen Sohn bei einem Unfall verloren hatte und danach von ihrem Mann sitzen gelassen worden war. Paff – ich hörte sofort auf zu klagen und war einfach nur noch dankbar darüber, wie klein meine Probleme eigentlich sind …

Den Fokus ausrichten


Wenn wir nun dabei sind, uns auf die Reise durch unser Lebensland vorzubereiten, sollten wir zunächst einmal entscheiden, was wir dabei in den Blick nehmen wollen. Es ist sicher leicht, über ganz viel zu klagen und zu stöhnen, unzufrieden zu werden und neidvoll in die Lebensländer der anderen zu spähen. Andererseits können wir natürlich auch versuchen, uns das Trommeln der Regentropfen an den Fenstern als Applaus des Himmels schönzureden und über jedes Problem einfach hinwegzulächeln. Beides hilft uns am Ende aber nicht weiter. Ich bin kein großer Fan vom Mittelweg – dafür aber umso mehr von der Wahrheit.

Bezogen auf meinen Ruhe-Kaffee-Gedankenmoment sage ich es so: Meine Fenster sind absolut dreckig und die Terrasse hat dringend eine Putzattacke nötig – aber dennoch scheint die Sonne und ich möchte den beginnenden Frühling in vollen Zügen genießen. Meine letzten Wochen waren ein Auf und Ab und ich komme alldem emotional noch nicht ganz hinterher – aber ich bin so dankbar, dass mein Leben vor Leben nur so strotzt! Es sind eben beide Seiten der Medaille, die die Wahrheit zur Wahrheit werden lassen. Und darum wird es Buchabschnitte geben, die eher die Probleme in den Fokus nehmen werden, und wiederum andere, bei denen der Blick absolut und in vollem Umfang auf das Verheißungsvolle und Leuchtende und Gute gerichtet sein wird. Das ist richtig und wichtig und nur so werden wir uns der Wahrheit nähern können.

Auch wenn ich deine Lebensumstände und die Besonderheiten deines Lebenslandes nicht kenne, so bin ich mir sicher, dass es auch voller Gegensätze und Kontraste ist. Nun ist die Frage, wie deine »innere Lupe« ausgerichtet ist. Nimmst du eher die Täler und dunklen Ecken in den Blick, die dir Angst machen oder dir viel abverlangen? Oder bist du doch mehr der positive Typ, dem die Sonne meistens ins Gesicht scheint und der bildlich gesprochen gerne tanzend neue Weiten entdeckt?

Zunächst möchte ich dir sagen: Beides ist gut. Beides ist wichtig. Es ist eine unterschiedliche Wahrnehmung, aber keine ist richtiger als die andere. Die eine ist vielleicht leichtfüßiger und wünschenswerter, aber die andere darum nicht per se schlecht.

Ich selbst befinde mich in der Darstellung und Bewertung meines Lebenslands oft bei meinen Baustellen. Wenn ich gefragt werde, wie es mir geht, kommt mir ein »Alles bestens!« nur schwer über die Lippen, denn das stimmt in den wenigsten Fällen. Selbst wenn diese Frage meist eher rhetorisch gemeint ist, so ist es mir ein Anliegen, nicht den Anschein zu erwecken, dass bei mir immer alles easy peasy ist und ich die Dinge – von Ehe und Familie über Job und Ehrenamt bis hin zu Selbstmanagement und persönlichem Befinden – komplett im Griff habe. Demnach strengen mich Leute, die gefühlt immer drei Zentimeter über dem Boden schweben, auch ziemlich an, denn ich kann mir kaum vorstellen, wie perfekt mein eigenes Leben verlaufen müsste, um es so durchweg positiv und fröhlich zu bewerten.

Gerade weil mein Negativ-Sonar grundsätzlich sehr sensibel ist und von Natur aus schneller anschlägt, halte ich mich oft selbst dazu an, das Gute meines Lebens nicht für selbstverständlich zu nehmen und es im Blick zu behalten. Dabei geht es mir nicht um beteuerte Relevanz, gespickt mit einem Haufen »eigentlich«, sondern um eine gesunde und wohlwollende Wahrnehmung. Ich selbst kann nur wenig anfangen mit Sätzen wie: »Aber guck doch mal hin. Dir geht es doch eigentlich so gut. Du müsstest eigentlich aufhören zu klagen! Du müsstest doch eigentlich viel glücklicher und dankbarer sein! Was willst du denn eigentlich noch?«

Ich bin der festen Überzeugung, dass so ein selbstauferlegtes Mantra kein gesundes Fundament ist, um den Umgang mit dem eigenen Leben auf ein zufriedeneres Level zu heben. Denn im selben Moment werden Stimmen in mir laut, die flüstern: »Ach ja, jetzt sucht sie wieder nach dem Guten, um das Schlechte nicht so deutlich zu spüren. Aber ihr Herz denkt und fühlt doch sowieso ganz anders. Warten wir einen Moment ab. Dann ist wieder ausreichend Raum für negative Gedanken.«

Das Gute im Hier und Jetzt


Aber wie gelangen wir zu einer guten und wahren Wahrnehmung unseres Lebens? Ich denke, wir müssen wieder neu lernen, eine grundsätzlich positive und lebensbejahende Haltung zu gewinnen. Wir sind so gut im Meckern – aber können wir noch lachen, feiern, jubeln und genießen? Dabei brauchen wir das so sehr und es tut uns so gut.

Vielleicht denkst du jetzt: »Ja, aber ich bin doch krank! Mein Chef ist gemein! Und mein Auto ist kaputt!« Das sind blöde Umstände, keine Frage – aber sie machen nicht alles aus! Oft sind die negativen Erlebnisse sehr laut und wirken daher vorherrschend, und genau darum brauchen wir wieder einen feinen Blick und ein sensibles Gespür für die besonderen und heilsamen Augenblicke unseres Lebens. Wir können diesen guten und wohltuenden Momenten helfen, eine spürbare Präsenz in unserem Leben zu haben.

Ein erster Schritt ist, die Dinge wieder wirklich zu erleben und...