Die Massnahme - Vom Wachsen und Werden einer blühenden Landschaft

Die Massnahme - Vom Wachsen und Werden einer blühenden Landschaft

von: Wolfgang Barthel

Mein Buch, 2021

ISBN: 9783038770336 , 210 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 12,99 EUR

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Die Massnahme - Vom Wachsen und Werden einer blühenden Landschaft


 

Das Angebot


Ein Brief vom Arbeitsamt lag im Postkasten. In letzter Zeit kamen vom Arbeitsamt nur noch unerfreulichen Nachrichten. Mein Arbeitslosengeld wurde erst vor kurzem den hier ortsüblichen Bedingungen angepaßt. Das bedeutete ein Drittel weniger. Wenige Wochen nach dieser Kürzung sollte mein Anspruch um weitere drei Prozent gekürzt werden. Das konnte ich mit einem Widerspruch verhindern. Danach nervte man weiter mit Aufhebungsbescheiden und Erstattungsbescheiden. Die in diesen Bescheiden zurückgeforderten Beträge wechselten ebenso wie die dazu gegebenen Begründungen. Erfreulich wäre eine Mitteilung über die Anpassung des Arbeitslosengeldes an die gestiegenen Lebenshaltungskosten gewesen. Damit rechnete ich aber schon nicht mehr, denn die so genannte Dynamisierung sollte in diesem Jahr ausfallen. Ich ging die Treppe zu meiner Wohnung hinauf und riß das Kuvert auf. Im Wohnzimmer setzte ich mich und las.

Man freute sich, mir eine Stelle in einer Arbeitsbeschaffungs-Maßnahme anbieten zu können. Ich war skeptisch. Man hatte mir schon einmal eine ABM-Arbeit angeboten. Von der Aufgabenstellung her war diese Arbeit sehr interessant gewesen. Es sollten technische Geräte für Entwicklungsländer konstruiert und gebaut werden. Leider konnte ich mich damals mit dem Arbeitgeber nicht einigen. Der Lohn war geringer als mein Arbeitslosengeld.

Dem Schreiben konnte ich eine Aufzählung unterschiedlicher Abkürzungen entnehmen. Ich zählte zusammen. Es waren genau dreißig Positionen. Die erste Position war mit Pr.-ltr. angegeben und gelb hinterlegt. Dies galt wahrscheinlich mir. Ich sollte vermutlich eine Leitungsfunktion übernehmen. Als Leiter hatte ich bisher noch keine Erfahrungen sammeln können. Ich sah darin eine Chance, und freute mich.

Was die Abkürzungen im Einzelnen bedeuteten, konnte ich mir noch nicht genau vorstellen. Ich las weiter. Als Arbeitsaufgabe wurde die Rekultivierung eines Leichtathletikstadions angegeben. Ich kannte dieses Stadion noch aus alten Zeiten. Dort hatte ich vor vielen Jahren in einer Betriebssportgemeinschaft trainiert. Es lag ganz in der Nähe meiner Wohnung. Das bedeutete einen kurzen Arbeitsweg.

Mit diesem Stadion verbanden mich viele schöne Erinnerungen. Ein Schulfreund hatte mich damals überredet, am Leichtathletiktraining teilzunehmen. Er wußte aus dem Sportunterricht, daß ich im Hochsprung gut war. In seinem Sportverein wäre ich als Hochspringer eine gerngesehene Ergänzung gewesen. Ich ließ mich überreden, und erschien ab dieser Zeit drei Tage in der Woche zum Training. Bald merkten meine Trainer, daß ich auch im Sprint gut war. Sie brauchten mich für die vier mal einhundert Meter Staffel. Zusammen mit den anderen Jugendlichen besuchten wir viele Sportfeste und hatten eine Menge Spaß.

Euphorisch griff ich zum Telefonhörer und wählte die angegebene Nummer. Ich hatte gleich die Personalchefin meiner künftigen Firma am Apparat. Ich fragte sie, wann ich mich bei ihr zu einem persönlichen Gespräch einfinden konnte. Im Stellenangebot war das Datum Einstellungsgespräches vermerkt, jedoch ohne Zeitangabe.

Sie freute sich angeblich, daß sie nun wieder einen neuen Projektleiter hatte. Aha, also Projektleiter bedeutete diese Abkürzung. Ich fragte sie, zu welcher Uhrzeit ich kommen konnte. Sie erwiderte, daß die Leute, die arbeiten wollten, schon recht früh erscheinen würden, während die, die nicht arbeiten wollten, meist sehr spät oder gar nicht erschienen. Dieser Tonfall erinnerte mich an längst vergangene Zeiten aus der Grundschule. Vielleicht war sie früher in der Erziehung tätig gewesen. Ich vereinbarte also mit ihr, ganz früh als Erster zu erscheinen. Sie gab mir noch den Tip, daß man als Projektleiter schon etwa eine halbe Stunde vor der Zeit eintreffen sollte. Das war mir auch recht. Vielleicht konnte ich dann schon einige meiner künftigen Mitarbeiter begutachten.

Ich ging also reichlich früh zum Termin. In dem kurzen Gespräch erfuhr ich die Höhe meines Gehaltes und einen weiteren Termin für das eigentliche Einstellungsgespräch. In einigen Tagen sollte ich dann alles Weitere erfahren. Ach ja, sie sagte noch, daß man für diesen Job sehr viel Durchsetzungsvermögen benötigte, und sah mich dabei durchdringend an. Ich hielt ihrem Blick stand. Über mein Durchsetzungsvermögen hatte ich mir noch nie Gedanken gemacht. Deshalb konnte ich dazu auch nichts sagen. Ich hatte beschlossen, diese Arbeitsaufgabe zu übernehmen. Sollten Probleme auftreten, dann würde ich dafür bestimmt die entsprechenden Lösungen finden.

Das zweite Gespräch fand wenige Tage später statt. Ich ging also wieder als Erster recht früh zum angegebenen Termin. Diesmal nahmen an dem ebenfalls sehr kurzen Gespräch mehrere Personen aus der Firma teil. Das Gespräch wurde von einem Herrn Krieger geführt. Er gab nur einige knappe Instruktionen und wenige Informationen. Zwischenfragen wurden nicht geduldet. Die Atmosphäre erinnerte mich diesmal stark an meine Armeezeit. Man sollte nur soviel wissen, wie zur Erfüllung der Aufgabe gerade nötig war. Es sprach nur einer, und das war ein gewisser Herr Krieger. Eine Vorstellung der anwesenden Personen hielt er nicht für notwendig. Ich wurde gefragt, ob ich bereit sei, diese Aufgabe zu übernehmen. Um diese Frage mit ausreichender Sicherheit beantworten zu können, wollte ich noch einige Auskünfte erhalten. Man entgegnete mir auf meine Fragen, daß ich alles Weitere dann erfahren würde, wenn es an der Zeit war. Ich sagte zu.

Herr Krieger sagte mir noch, daß ich am nächsten Donnerstag pünktlich um neun Uhr wieder in der Firma zu erscheinen hatte. Das wäre mein erster Arbeitstag, an dem ich dann weitere Informationen erhalten sollte. Da ich mit den wichtigsten Gegebenheiten auf der Baustelle schon vorher vertraut gemacht werden sollte, wurde einige Tage vor Beginn der Maßnahme noch ein Besichtigungstermin festgelegt. Einer der Anwesenden, ein gewisser Herr Müller, sollte mir schon vor Beginn der Maßnahme die Baustelle mit den Unterkünften zeigen. Dann fragte man mich noch nach meiner Schuhgröße. Sie wurde zusammen mit der Konfektionsgröße in eine Liste eingetragen. Am Ende des Einstellungsgespräches unterschrieb ich einen Vorvertrag. Man bedauerte abschließend, daß die alten Erfahrungsträger der Firma nicht mehr zur Verfügung standen, und daß man sich durch das Arbeitsamt gezwungen sah, auf mich zurückzugreifen. Das alles war wenig einladend und machte mich äußerst mißtrauisch. Ich verabschiedete mich, und schickte den nächsten Bewerber in das Besprechungszimmer.

So ein Einstellungsgespräch hatte ich bisher noch nie erlebt. Da ich nicht wußte, was ich davon halten sollte, rief ich die zuständige Arbeitsvermittlerin im Arbeitsamt an. Ich schilderte ihr meine Eindrücke und wollte ihre Meinung dazu hören. Sie machte mir Mut und meinte, daß ich das eine Jahr schon überstehen würde. Die ABM-Gruppen würden immer sehr gut zusammenhalten. Das beruhigte mich, und ich sah der Zukunft wieder gelassen und optimistisch entgegen.

Zum Besichtigungstermin traf ich mich pünktlich mit Herrn Müller in der Firma. Von dort aus fuhren wir mit unseren Autos zu meiner künftigen Baustelle. Ich stellte dort mein Auto ab und stieg in das Auto meines neuen Chefs um. Er fuhr mich von hier aus erst zu einem anderen Sportplatz. Dort wurde mir der verantwortliche Leiter des Bauherrn vorgestellt. Bei Fragen über die konstruktive Gestaltung der Anlage konnte ich mich später an ihn wenden.

Was mir auf meiner künftigen Baustelle gezeigt wurde, kannte ich ja schon. Es hatte sich in den letzten dreißig Jahren kaum etwas geändert.

Allerdings hatte die Natur inzwischen ihre eigenen Vorstellungen deutlich zum Ausdruck gebracht. Als Unterkünfte dienten ein neu gestrichener Bauwagen für die Männer und ein Umkleideraum für die Frauen. Der Umkleideraum für die Frauen befand sich in einem großen Heizhaus. In diesem Raum konnten sich die Frauen auch in den Pausen aufhalten. In einem kleinen Nebenraum befand sich ein Tisch mit vier Stühlen. Die Bewegungsfreiheit in diesem Raum war aber sehr eingeschränkt, zumal auch noch zwei Kleiderschränke hineingezwängt worden waren. Dieses Zimmer konnte von mir und meinem künftigen Leitungsteam als Beratungsraum genutzt werden.

Nachdem mir Herr Müller die Schlüssel für den Bauwagen übergeben hatte, verabschiedeten wir uns. Ich konnte von meiner künftigen Baustelle aus gleich nach Hause fahren.

An meinem ersten Arbeitstag stieg ich in mein Auto, um zur Arbeitsstelle zu fahren. Als ich den Niederschlag auf meiner Windschutzscheibe beseitigen wollte, stellte ich fest, daß der Scheibenwischer fehlte. Ich überlegte, wer dies getan haben könnte. Ich konnte mir nicht vorstellen, wer mir mit dieser Beschädigung seine Abneigung zeigen wollte. Zum Ärgern hatte ich wenig Zeit, weil ich pünktlich in der Firma sein wollte. Ich wischte das Wasser schnell mit einem Lappen ab, und fuhr in die Firma. Ich setzte mich zu den anderen in einem großen Versammlungsraum. Die Firma war ein großes Unternehmen, das ausschließlich Arbeitsbeschaffungs-Maßnahmen durchführte.

Zunächst wurde die Anwesenheit überprüft. Ein vom Arbeitsamt zugewiesener Sanierungsarbeiter war für die Arbeiten auf meiner Baustelle offensichtlich überhaupt nicht geeignet. Er war schwerbeschädigt, und konnte somit auf meiner Baustelle für ihn nicht eingesetzt werden. Für ihn musste Ersatz beschafft werden.

Herr Krieger stellte mich als Projektleiter vor. Zu meiner Unterstützung bekam ich einen Arbeitsvorbereiter und zwei Vorarbeiter. Herr Krieger machte uns mit den Gepflogenheiten in der Firma bekannt und führte die Erstbelehrung für den Arbeitsschutz durch. Ich erhielt von ihm ein Notizbuch und andere Büromaterialien. Damit notierte ich die wichtigen...