Das Märchen der 1001. Nacht

Das Märchen der 1001. Nacht

von: Teresa Southwick

CORA Verlag, 2021

ISBN: 9783751513258 , 144 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 2,49 EUR

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Das Märchen der 1001. Nacht


 

1. KAPITEL

Alina Bethia Farrah war ein durch und durch wahrheitsliebender Mensch. Und genau aus dem Grund glich ihr Innenleben momentan einer Achterbahn der Gefühle. Sie hasste es, sich zu verstellen, und verabscheute sich für das, was sie vorhatte. Aber ihr blieb keine andere Wahl. Schließlich hatte sie ihrer Zwillingsschwester Adina versprochen, für kurze Zeit die Rollen zu tauschen und sich an Adinas Stelle mit Malik Hourani, dem Kronprinzen von Bha’Khar, zu treffen.

Noch nie hatte sie ihrer Schwester eine Bitte abgeschlagen. Adina war der einzige Mensch, auf den Beth sich verlassen konnte und der sie liebte.

Doch als sie jetzt in der überaus prunkvollen Suite des Palastes saß und darauf wartete, den Prinzen kennenzulernen, wurde ihr bewusst, wie ungeheuerlich ihr Vorhaben war. Während sie ihre Koffer betrachtete, die auf dem wunderschönen Marmorfußboden aufgereiht waren, war ihr völlig klar, dass die Entscheidung falsch war, die sie aus sicherer Entfernung in ihrem Apartment in Los Angeles getroffen hatte.

Adina wollte den Scheich nicht heiraten, zumindest noch nicht. Sie brauchte noch etwas Zeit, um sich darüber klar zu werden, was sie wirklich wollte. Deshalb war Beth hier in Bha’Khar und gab sich für ihre Schwester aus.

Addie war genau zwei Minuten vor Beth zur Welt gekommen, und ihr Vater, der Botschafter seines Landes in den Vereinigten Staaten, hatte mit dem König von Bha’Khar vereinbart, dass seine erstgeborene Tochter eines Tages den Kronprinzen heiraten sollte. Addie war jedoch hin- und hergerissen und konnte sich nicht entscheiden, ob sie sich ihrem Vater, den sie sehr liebte, widersetzen oder einen Mann heiraten sollte, den sie gar nicht kannte. Beide Möglichkeiten machten ihr Angst, und dass sie vor Kurzem einen Mann kennengelernt hatte, den sie sehr gernhatte, kam erschwerend hinzu und machte alles noch komplizierter.

Seit ihrer Volljährigkeit vor einigen Jahren hoffte sie, der Scheich hätte die Vereinbarung vergessen oder ignoriere sie. Doch vor wenigen Wochen war er darauf zurückgekommen und hatte sie gebeten, nach Bha’Khar zu kommen, um die Hochzeit vorzubereiten. Völlig hilflos und ratlos hatte sie Beth angefleht, ihr zu helfen und die Sache für sie zu regeln.

Beth war eine sehr lebhafte, kontaktfreudige und ausgesprochen ehrliche junge Frau. Schon als Kind hatte sie sich oft für ihre zurückhaltende und introvertierte Zwillingsschwester ausgegeben, um sie zu behüten und zu beschützen, wenn diese etwas angestellt und Angst vor der Strafe hatte. Doch jetzt ging es um etwas sehr viel Wichtigeres, und es konnte schwerwiegende Folgen haben, wenn der Schwindel aufflog.

Obwohl Beth Lügen verabscheute, musste sie ihrer Schwester in dieser schwierigen Situation helfen. Der Scheich war ein mächtiger, einflussreicher Mann, und sie konnte sich gut vorstellen, dass er nach seinen eigenen Regeln lebte und auf nichts und niemanden Rücksicht nahm. Während ihres Studiums war Beth mit einem Kommilitonen befreundet gewesen, den sie sehr gerngehabt hatte. Er stammte aus einer einflussreichen Politikerfamilie und hatte schließlich eine junge Frau aus einer befreundeten Familie geheiratet, weil er sich davon Vorteile versprach. Auch er hatte geglaubt, sich alles erlauben zu können, und Beth nach seiner Hochzeit vorgeschlagen, seine Geliebte zu werden. Natürlich hatte sie das Ansinnen empört zurückgewiesen. Um ihrer Schwester eine ähnlich schmerzliche Erfahrung zu ersparen, wollte Beth ihr helfen. Außerdem hielt sie nichts von einer arrangierten Ehe. Sie war der Meinung, Eltern hätten nicht das Recht, ihren Kindern vorzuschreiben, wen sie heiraten sollten.

Beth stand auf und sah sich in der Suite um. Das lichtdurchflutete Wohnzimmer war sehr geräumig und luxuriös eingerichtet. Interessiert betrachtete sie die vielen Kunstgegenstände, die wertvollen Gemälde und die Figuren aus Glas. Breite, hohe Türen führten auf den Balkon, von dem man einen herrlichen Blick auf das Arabische Meer hatte. Als sie eine der Türen weit öffnete, spürte sie, wie die leichte Brise, die an diesem sonnigen Tag im Juli vom Meer her wehte, ihre erhitzten Wangen kühlte.

Ja, ich schaffe es, mich für Addie auszugeben. Meine Schwester und ich sind uns zum Verwechseln ähnlich, nicht einmal unser Vater kann uns auseinanderhalten, überlegte Beth. Es war sicher nicht schwierig, einen Mann zu täuschen, dem weder sie noch ihre Schwester jemals vorgestellt worden waren.

Als es klopfte, zuckte sie zusammen, obwohl sie mit dem Besuch des Kronprinzen gerechnet hatte. Sie atmete tief durch, öffnete die Tür und war sekundenlang sprachlos. Vor ihr stand der attraktivste Mann, dem sie jemals begegnet war. Er war groß, hatte dunkles Haar und strahlte Macht und Autorität aus.

Schließlich nahm sie sich zusammen. „Hallo“, begrüßte sie ihn.

„Ich bin Malik Hourani“, stellte er sich vor und verbeugte sich respektvoll.

„Es freut mich, Sie kennenzulernen.“

„Ganz meinerseits.“ Er ließ den Blick über ihre schlanke Gestalt gleiten. Ihm schien zu gefallen, was er sah, denn in seinen dunklen Augen leuchtete es bewundernd auf. „Es tut mir leid, dass ich Sie nicht selbst abholen konnte. Ihr Flugzeug ist pünktlich gelandet.“

„Um genau zu sein, war es Ihr Flugzeug, in dem ich gekommen bin.“

„Stimmt“, antwortete er mit ernster Miene. „Ich hätte Sie gern gleich nach Ihrer Ankunft begrüßt, war jedoch leider verhindert.“

„Das macht nichts.“ Sie war sogar erleichtert gewesen, dass er nicht da gewesen war. „Man hat mir erklärt, Sie seien bis heute Abend wegen dringender Staatsgeschäfte unabkömmlich.“

„Wir waren früher fertig, als wir gedacht haben. Glücklicherweise, möchte ich sagen, denn ich konnte es kaum erwarten, Sie kennenzulernen. Herzlich willkommen in Bha’Khar, Adina Farrah.“

Die erste Hürde war genommen, Malik Hourani hielt sie für Addie. Beth bekam Herzklopfen, als sie den ungemein gut aussehenden Mann betrachtete. Sein eleganter dunkler Designeranzug saß perfekt und ließ ahnen, dass sich darunter ein athletischer Körper verbarg. Er hatte ein markantes Gesicht, eine gerade Nase und sinnliche, fein geschwungene Lippen, die Zärtlichkeit und Leidenschaft zu versprechen schienen.

Noch nie zuvor war sie einem Mann begegnet, der auf den ersten Blick den Wunsch in ihr weckte, herauszufinden, wie sich seine Lippen auf ihren anfühlen mochten. Jetzt aber war es so weit, sie konnte sich der faszinierenden Ausstrahlung dieses Mannes nicht entziehen. Das verwirrte sie und lenkte sie ab, was sie ganz und gar nicht gebrauchen konnte. Sie musste einen klaren Kopf bewahren und sich eine gute Erklärung dafür einfallen lassen, warum er sie mit einem anderen Namen anreden sollte.

„Kaum jemand nennt mich Adina“, begann sie.

„Wie denn?“, fragte er erstaunt.

„Beth“, antwortete sie wahrheitsgemäß. „Das ist die Abkürzung von Bethia, meinem zweiten Vornamen. Meine Eltern haben meiner Schwester und mir sehr ähnlich klingende Namen gegeben: Adina und Alina.“ Sie zuckte die Schultern.

„Sie sind Zwillinge, stimmt’s?“

„Ja.“ Mit heftig klopfendem Herzen wartete sie darauf, dass er den Schwindel durchschaute, obwohl er eigentlich gar keinen Grund hatte, Verdacht zu schöpfen. Als er sie jedoch nur erwartungsvoll ansah, fuhr sie erleichtert fort: „Sie können sich sicher vorstellen, dass es immer wieder zu Verwechslungen geführt hat. Deshalb wurde ich schließlich Beth genannt.“

„Soll ich Sie auch so anreden?“

„Ja bitte.“

Er nickte. „Gut, abgemacht.“

„Vielen Dank, Königliche Hoheit.“

„Nennen Sie mich bitte Malik. Das klingt nicht so förmlich und hilft Ihnen, Ihre Befangenheit abzulegen.“

Offenbar spürt er, wie nervös ich bin, dachte sie. Doch welche Frau wäre das in dieser Situation nicht? „Als Tochter eines Botschafters bin ich daran gewöhnt, hochgestellte Persönlichkeiten mit dem Titel anzureden. Es ist schwierig für mich, diese Gewohnheit zu ändern.“

„Das ist verständlich. Sehen Sie es aber einmal so: Manchmal werde ich mit ‚Königliche Hoheit‘ angeredet, manchmal mit ‚Sir‘. Doch im privaten Bereich bin ich einfach nur Malik.“ Als er lächelte, blitzten seine weißen Zähne und bildeten einen interessanten Kontrast zu seiner gebräunten Haut.

Bildete sie es sich nur ein, oder hatte seine Stimme bei den Worten „im privaten Bereich“ etwas tiefer und seltsam sinnlich geklungen? Sie hatte das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen, und hätte am liebsten tief durchgeatmet.

„Okay, dann nenne ich Sie Malik“, erwiderte sie und versuchte, sich zu entspannen.

„Fein.“ Er reichte ihr die Hand.

Sie ergriff seine, und seine langen, schlanken Finger fühlten sich warm und stark an. Plötzlich kribbelte ihr die Haut, und dieses Kribbeln setzte sich fort über den ganzen Arm bis in ihre Brüste, so als hätte Malik sie berührt. Seine Augen schienen plötzlich ganz dunkel zu werden, während er Beth durchdringend ansah. War es möglich, dass er so ähnlich auf die Berührung reagierte wie sie?

„Okay, jetzt haben wir uns lange genug vorgestellt“, erklärte sie schließlich und entzog ihm die Hand. Ihre Reaktion auf diesen Mann verwirrte sie, und sie konnte kaum noch einen klaren Gedanken fassen.

„Stimmt.“ Mit einer Kopfbewegung wies er zum Wohnzimmer. „Wir sollten uns hinsetzen, uns entspannen und anfangen, uns besser kennenzulernen.“

„Ja.“ Beth drehte sich um, ging ihm voraus und nahm auf dem Sofa Platz. Zu ihrer Erleichterung schaffte sie...