INFLUENCE - Wie man (andere) überzeugt. Nützliche Erkenntnisse der Psychologie - Der weltweite Millionenbestseller | Über die Psychologie des Überzeugens | Praxistipps zur Persönlichkeitsentwicklung

INFLUENCE - Wie man (andere) überzeugt. Nützliche Erkenntnisse der Psychologie - Der weltweite Millionenbestseller | Über die Psychologie des Überzeugens | Praxistipps zur Persönlichkeitsentwicklung

von: Robert B. Cialdini

HarperCollins, 2023

ISBN: 9783749904938 , 624 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

Mac OSX,Windows PC für alle DRM-fähigen eReader Apple iPad, Android Tablet PC's Apple iPod touch, iPhone und Android Smartphones

Preis: 4,99 EUR

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Mehr zum Inhalt

INFLUENCE - Wie man (andere) überzeugt. Nützliche Erkenntnisse der Psychologie - Der weltweite Millionenbestseller | Über die Psychologie des Überzeugens | Praxistipps zur Persönlichkeitsentwicklung


 

1

EINFLUSSHEBEL

Unser Handwerkszeug

Die Zivilisation schreitet in ihrer Entwicklung voran, indem sie diejenigen Operationen vermehrt, die wir ohne Denken ausführen können.

– Alfred North Whitehead

Einfachheit ist die höchste Stufe der Vollendung.

– Leonardo da Vinci

In diesem Buch stelle ich Ihnen immer wieder Forschungsergebnisse vor, die uns zunächst verblüffen, die sich aber ganz einfach erklären lassen, wenn wir unsere natürlichen menschlichen Eigenheiten verstehen. Neulich las ich zum Beispiel von einem Experiment, dessen Teilnehmer einen Energydrink erhielten, der angeblich ihre geistige Leistungsfähigkeit steigern sollte. Einige der Teilnehmer sollten für das Getränk den vollen Ladenpreis von 1,89 Dollar bezahlen, und den anderen teilten die Wissenschaftler mit, sie hätten einen Mengenrabatt bekommen und könnten ihnen das Getränk für 0,89 Dollar verkaufen. Dann erhielten die Teilnehmer eine halbe Stunde Zeit, in der sie so viele Denksportaufgaben wie möglich lösen sollten. Ich wäre davon ausgegangen, dass sich die zweite Gruppe, die den Preisnachlass bekommen hatte, besonders ins Zeug legen und mehr Aufgaben lösen würde. Doch das Gegenteil war der Fall. 1

Dieses Ergebnis erinnerte mich an eine Bekannte, die mich vor einigen Jahren aufgeregt anrief, um mir eine Geschichte zu erzählen. Sie hatte in Arizona einen Laden für indigenen Schmuck eröffnet. Dort war ihr etwas Merkwürdiges passiert, und nun hoffte sie, dass ich als Psychologe es ihr erklären könnte. Sie hatte eine Schmuckkollektion aus Türkis im Angebot, die wie Blei im Laden lag. Es war Hochsaison, die Touristen gaben sich die Klinke in die Hand, die Schmuckstücke waren von guter Qualität, der Preis war in Ordnung, doch die Sachen verkauften sich einfach nicht. Meine Bekannte hatte es mit einigen der üblichen Tricks versucht und sie zum Beispiel sichtbarer platziert, aber ohne Erfolg. Sie hatte ihren Verkäuferinnen sogar eingeschärft, die Kunden ausdrücklich auf die Schmuckstücke aufmerksam zu machen, doch auch das hatte nicht gefruchtet.

Eines Tages musste sie verreisen, um neue Ware für ihren Laden zu kaufen. Am Abend zuvor kritzelte sie ihrer Verkäuferin eine verzweifelte Notiz auf einen Zettel: »Alles in diesem Schaukasten: Preis × ½«. Sie hoffte, dass sie die Stücke auf diese Weise losschlagen könnte, auch wenn sie dabei Verlust machte. Als sie einige Tage später zurückkam, wunderte sie sich nicht, dass die Kollektion bis auf das letzte Stück verkauft war. Umso verblüffter war sie jedoch, als sie erfuhr, dass ihre Angestellte ihre hingeschmierte Notiz falsch entziffert hatte: Statt ½ hatte sie 2 gelesen und die gesamte Kollektion zum doppelten Preis verkauft.

Das wollte sie mir unbedingt erzählen. Ich ahnte den Grund, doch um es ihr zu erklären, musste ich etwas weiter ausholen und ihr eine andere Geschichte erzählen. Diese Geschichte handelt von Truthennen und stammt aus der Verhaltensforschung, die Tiere in freier Wildbahn beobachtet. Truthennen sind gute Mütter – fürsorglich, wachsam und wehrhaft. Sie verbringen viel Zeit damit, ihre Küken zu umsorgen, zu wärmen, zu putzen und unter ihrem Gefieder zu scharen, doch ihre Methode ist ein wenig sonderbar. Ihr mütterliches Verhalten wird fast ausschließlich durch ein einziges Signal angestoßen, nämlich das »Tschiip-tschiip« ihrer Küken. Andere Eigenschaften ihres Nachwuchses, etwa Geruch, Berührungen oder Aussehen, scheinen lediglich eine Nebenrolle zu spielen. Wenn ein Küken »tschiip-tschiip« ruft, dann kümmert sich die Truthenne darum, und wenn nicht, dann ignoriert sie es, und manchmal tötet sie es sogar.

Wie sehr sich Truthennen auf diesen Ruf verlassen, zeigte sich in einem Experiment mit einem ausgestopften Iltis. Da der Iltis ein natürlicher Feind ist, begrüßt ihn die Truthenne in der Regel mit wildem Gekreisch und attackiert ihn mit Schnabel und Klauen. Auch einen ausgestopften Iltis, der an einer Schnur gezogen wurde, griff die Henne sofort wutentbrannt an. Doch als diese Attrappe mit einem kleinen Rekorder ausgestattet wurde, der das »Tschiip-tschiip« der Küken abspielte, duldete die Henne die Annäherung des Feindes nicht nur, sondern sie nahm ihn sogar unter ihr Federkleid. Als der Rekorder abgestellt wurde, nahm die Henne ihre wütenden Angriffe auf die Iltisattrappe wieder auf.

KLICK & AB

Das Verhalten der Truthenne scheint vollkommen absurd: Einen natürlichen Feind nimmt sie auf, nur weil er »tschiip-tschiip« ruft, und eines ihrer eigenen Küken tötet sie, nur weil es das nicht tut. Sie wirkt wie ein Automat, dessen Mutterinstinkte von einem einzigen Signal ein- und ausgeschaltet werden. Die Truthenne ist jedoch kein Einzelfall: Verhaltensforscher haben diese regelmäßigen und blind mechanischen Verhaltensmuster bei zahlreichen Arten beobachtet.

Instinktverhalten wie dieses kann aus komplexen Abfolgen von Verhaltensweisen bestehen, zum Beispiel ganzen Balz- und Paarungsritualen. Diese Verhaltensmuster zeichnen sich dadurch aus, dass sie fast immer auf dieselbe Art und in derselben Reihenfolge ablaufen. Es wirkt, als wäre das Muster wie ein Programm in den Tieren abgespeichert. Wenn eine Situation Balz verlangt, dann wird das Balzprogramm abgespult, und wenn eine Situation Brutpflege erfordert, dann läuft das Mutterprogramm ab. Klick – wird das passende Programm aktiviert – & ab läuft die Standardabfolge von Verhaltensweisen.

Das Interessanteste daran ist, wie diese Programme aktiviert werden. Wenn ein Tier beispielsweise sein Revier verteidigt, dann aktiviert das Auftauchen eines Artgenossen das Programm zur Verteidigung des Reviers, das mit Wachsamkeit, Drohgebärden und nötigenfalls einem Angriff einhergeht. Das System hat allerdings eine Besonderheit. Es ist nicht der Rivale als solcher, der das Programm auslöst, sondern eine ganz besondere Eigenschaft: der sogenannte Schlüsselreiz. Dieser Schlüsselreiz ist oft nur ein winziger Aspekt des Eindringlings, zum Beispiel ein bestimmter Farbton. Verhaltensforscher beobachteten beispielsweise, dass ein männliches Rotkehlchen auch ein Büschel roter Brustfedern angreift, ganz so als handelte es sich um einen eindringenden Rivalen. Ein ausgestopftes Rotkehlchen ohne die roten Brustfedern ignoriert es dagegen. Beim Blaukehlchen wurden ähnliche Beobachtungen gemacht, hier wird das Revierverhalten durch den Blauton des Brustgefieders aktiviert. 2

Ehe wir uns nun darüber amüsieren, mit welcher Leichtigkeit man Tiere allein durch Schlüsselreize zu absurden Verhaltensweisen animieren kann, sollten wir uns zweierlei klarmachen. Erstens zeitigt das Instinktverhalten der Tiere in den allermeisten Fällen die gewünschte Wirkung. Da nur gesunde Küken das typische »Tschiip-tschiip« von sich geben, ist es sinnvoll, dass Truthennen mit mütterlichem Verhalten auf den Ruf reagieren. Mit ihrer Reaktion auf diesen einen Reiz liegen sie fast immer richtig – es muss schon ein Wissenschaftler mit seinen Taschenspielertricks daherkommen, um die Reaktion ins Absurde zu führen. Und zweitens haben auch wir Menschen unsere Instinktprogramme. Auch diese funktionieren in aller Regel zu unserem Vorteil, doch auch unsere Schlüsselreize lassen sich mit Tricks hinters Licht führen, die uns dazu bringen, ein Programm zum falschen Zeitpunkt abzuspulen.

In einem Experiment demonstrierte die Sozialpsychologin Ellen Langer, wie diese Automatismen bei uns Menschen funktionieren. Es ist bekannt, dass wir einer Bitte eher nachkommen, wenn uns der Bittsteller einen Grund nennt. Wir wissen einfach gern, warum wir etwas tun sollen. Langer belegte das, indem sie die Wartenden vor einem Fotokopierer in der Bibliothek um einen Gefallen bat: »Entschuldigung, ich habe nur fünf Seiten zu kopieren. Könnten Sie mich bitte vorlassen, weil ich es eilig habe?« Die Bitte in Kombination mit einer Begründung war fast immer erfolgreich: 94 Prozent der Gefragten ließen sie vor. Anders, als sie keine Begründung anführte: »Entschuldigung, ich habe nur fünf Seiten zu kopieren. Könnten Sie mich bitte vorlassen?« In diesem Fall stimmten nur 60 Prozent zu. Auf den ersten Blick macht die zusätzliche Information im Halbsatz »weil ich es eilig habe« den Unterschied.

Doch eine dritte Formulierung der Bitte zeigte, dass das gar nicht der Fall war. Nicht der ganze Halbsatz war entscheidend, sondern nur das einleitende Wörtchen »weil«. In ihrer dritten Variante der Bitte gab Langer keinen Grund an, sondern verwendete nur das Wörtchen »weil« und wiederholte dann das Offensichtliche: »Entschuldigung, ich habe nur fünf Seiten zu kopieren. Könnten Sie mich bitte vorlassen, weil ich ein paar Kopien machen muss?« Diesmal wurde sie in 93 Prozent der Fälle vorgelassen, obwohl sie gar keinen Grund genannt hatte. Wie das »Tschiip-tschiip« das mütterliche Verhalten der Truthenne auslöste, selbst wenn es von einem ausgestopften Iltis kam, löste Langers »weil« eine automatische Zustimmung aus, selbst wenn darauf gar keine Begründung folgte. Klick & ab. 3

In weiteren Untersuchungen zeigte Langer zwar, dass wir in vielen Situationen keineswegs mechanisch reagieren, doch sie und viele andere Verhaltensforscher sind überzeugt, dass wir das in den meisten Fällen eben doch tun. Nehmen wir nur das sonderbare Verhalten der Kunden, die sich auf den Türkisschmuck stürzten, nachdem der Preis fälschlicherweise verdoppelt worden war. Dieses Verhalten ist nur dann verständlich, wenn wir es als einen Fall von Klick & ab verstehen.

Die Kunden meiner Bekannten aus dem Schmuckladen, überwiegend...