Fürstenkinder 70 - Adelsroman - Frecher Spatz

Fürstenkinder 70 - Adelsroman - Frecher Spatz

von: Gloria von Felseneck

Martin Kelter Verlag, 2022

ISBN: 9783987570261 , 100 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 1,99 EUR

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Fürstenkinder 70 - Adelsroman - Frecher Spatz


 

Der Neujahrsempfang auf Schloss Hubertusholm war in der ehemaligen Residenzstadt gleichen Namens stets das größte gesellschaftliche Ereignis des ganzen Jahres, zu dem die Verwandten und die Geschäftspartner der fürstlichen Familie geladen worden waren.

Für diese Herrschaften war der Ball nichts Neues mehr. Diejenigen aber, die zum ersten Mal eine Einladung bekommen hatten, fühlten sich ganz besonders geehrt, die prunkvolle Empfangshalle und den Silbernen Saal betreten zu dürfen. O ja, es war schon eine Auszeichnung, über das wundervolle Parkett zu gehen und die Kostbarkeiten zu bestaunen, die im Laufe der Jahrhunderte von den Fürsten Tharingen zusammengetragen worden waren. Umgeben vom festlichen Glanz der Kronleuchter, von vergoldeten Ornamenten, wertvollen Wandgemälden und zahlreichen Blumenarrangements schien man plötzlich in eine Märchenwelt versetzt worden zu sein. In eine Welt, in der die feenhafte Prinzessin und der romantische Prinz selbstverständlich nicht fehlten.

»Prinzessin Angelina und Prinz Wieland Alexander sind so ein schönes Paar und offensichtlich sehr verliebt ineinander«, flüsterte eben eine ältere Dame ihrer Freundin zu. »Ich kann kaum glauben, dass sie eine heftige Ehekrise hinter sich haben.«

»Es soll so gewesen sein, aber etwas Genaues weiß man nicht«, erwiderte die andere leise.

»Doch ich denke, dass nach der Geburt von Prinz Markus alles wieder in Ordnung gekommen ist.«

»Bei den beiden schon. Aber Prinzessin Alicia scheint ihr Glück immer noch nicht gefunden zu haben. Sie ist inzwischen schon über dreißig, immer noch unverheiratet und verlobt auch nicht. Das verstehe ich nicht, sie ist so eine hübsche und intelligente Frau. Und mutig ist sie auch. Sie soll sogar den kleinen Prinzen gerettet haben, als man ihn entführen wollte. Die Männer müssen blind und dumm sein …«

Leise miteinander plaudernd, gingen die beiden Damen weiter. Sie hatten die Frau im rubinroten Abendkleid gar nicht bemerkt, die für einige Augenblicke hinter ihnen gestanden und das Gespräch gehört hatte.

Die alten Tanten haben recht, dachte Alicia von Tharingen miss­mutig. Die Männer sind blind und dumm, einer ganz besonders. Ich sollte verreisen, damit ich ihn vergesse.

Doch dann lächelte sie traurig. Sie wusste ganz genau, dass sie ihn so schnell nicht vergessen würde. Und manchmal träumte sie von ihm wie ein junges Mädchen, träumte, dass aus dem arroganten und reservierten Verwalter von Buchenau ein zärtlicher und umgänglicher Mann werden würde, ein Mann, der sie liebte und heiraten wollte.

»Darf ich um den nächsten Tanz bitten, liebe Cousine?« Frederic von Berlitz, ein großer, stattlicher Mann Ende der Dreißig, verneigte sich vor ihr.

»Natürlich, Freddy.« Sie lächelte ihm zu und ließ sich anschließend von ihm in einem schwungvollen Walzer über das Parkett führen.

»Die beiden sind ein schönes Paar«, stellte auch Erbprinzessin Angelina fest, die neben ihrem Mann stand und an einem Glas Champagner nippte.

»Ja, äußerlich schon«, gab Wieland Alexander ihr recht. »Aber charakterlich passen sie gar nicht zusammen. Alicia würde mit dem guten Frederic machen, was sie will. Und dabei würden weder sie noch er glücklich werden. Er braucht eine sanfte Frau und sie einen Mann, der ihr Temperament in die richtigen Bahnen lenkt.«

»Das wird schwierig. Ich kenne keinen Mann, der standesgemäß ist und …« Die Prinzessin verstummte verlegen. Dafür sprach ihr Mann das aus, was sie eigentlich hatte sagen wollen: »… der sie übers Knie legt, wenn sie mal wieder zu frech wird. Das meinst du doch, oder nicht?«

»Ja, so ungefähr. Aber so einen Mann findet man nicht so leicht. Wahrscheinlich gibt es so einen auch gar nicht.«

»Nein, aber Papa und Mama sind mittlerweile so weit, dass sie sogar einen bürgerlichen Schwiegersohn akzeptieren würden, wenn er nur ein ordentlicher Kerl ist und in guten Verhältnissen lebt. Und möglichst weit weg soll er auch wohnen. Alicia ist mitunter recht anstrengend, wie wir beide aus Erfahrung wissen.«

Angelina von Tharingen seufzte leise. Sie hatte die Intrige noch nicht vergessen, die ihre Schwägerin seinerzeit gesponnen hatte, um sie und Wieland zu trennen. Aber sie hatte ihr verziehen, weil sie Markus gerettet hatte. Und sie wünschte ihr, dass sie glücklich wurde.

»Aber sie hat Markus sehr gern«, antwortete sie schließlich. »Es wäre gut, wenn sie ein eigenes Kind hätte.«

»Na, ich weiß nicht …« Der Erbprinz konnte sich seine Schwes­ter nicht als Mutter vorstellen. Und es interessierte ihn auch nicht sehr, was sich Alicia für die Zukunft vorgenommen hatte. Ihm genügte es, wenn sie ihn und seine kleine Familie in Ruhe ließ.

»Komm, lass uns tanzen, mein Schatz«, schlug er nun seiner Liebs­ten vor. »Um Alicia brauchen wir uns nicht zu sorgen. Die weiß genau, was sie will.«

Angelina nickte nur, lächelte ihm innig zu und legte dann ihre Hand auf seinen Arm.

Fürstin Isolde bemerkte diesen Blick. Und sie, die anfangs von der Schwiegertochter gar nicht begeis­tert gewesen war, freute sich nun doch und sagte leise zu ihrem Mann: »Ich glaube, Angelina und Wieland sind sehr glücklich miteinander.«

»Das sind sie«, bestätigte er zufrieden. »Aber Alicia gefällt mir nicht so recht. Sie ist so unstet, so fahrig und hat sich irgendwie verändert.«

»Das liegt an Markus. Sie hat den Kleinen gern und befürchtet wahrscheinlich, dass du sie bald wieder nach Buchenau schickst.«

»Aber nicht doch«, wehrte er ab. »Ich finde, sie hat aus ihren Fehlern gelernt und kann daher hierbleiben, so lange sie will. Sie wird sicher Spaß dran haben, die Karnevalssaison mitzumachen. Sie kann auch zum Skilaufen nach St. Moritz fahren. Schau mal, jetzt tanzt sie schon wieder mit Frederic. Was meinst du, ob aus den beiden was wird?«

Fürstin Isolde schüttelte den Kopf. »Schön wäre es ja, aber ich glaube es nicht. Ich würde mich auch freuen, wenn sie Gerfried heiraten würde. Den kennt sie schließlich schon lange.«

»Kein schlechter Gedanke«, versetzte er und überlegte bereits, wann man den späteren Herzog von Seveningen einladen könnte.

*

Warum bin ich eigentlich noch hier?, dachte Alicia missmutig, als sie an diesem Abend allein in ihrem Salon vor dem Fernsehapparat saß. Hier ist es langweilig, weil ich keine wirkliche Aufgabe habe. Und ich habe auch keine Lust mehr, mit Mama zu irgendwelchen Ausstellungen und Veranstaltungen zu fahren und mich dort zu zeigen. Mehr wird ja von mir nicht verlangt. Ich sollte nach Buchenau zurückkehren. Außerdem war ich lange genug hier – mehr als vier Monate. Das reicht vollkommen.

Durch diesen spontanen Entschluss besserte sich ihre Stimmung augenblicklich. Sie schaltete den Fernseher aus und eilte zu ihrem Vater, der wie meist um diese Zeit noch in seinem Arbeitszimmer weilte.

»Nanu, was willst du denn hier?«, erkundigte er sich verblüfft und legte den Kugelschreiber zur Seite. »Ich habe angenommen, du bist auf der Party von Graf Liebendorf.«

»Ach, das ist doch immer dasselbe«, winkte Alicia ab, während sie sich auf einen der Polsterstühle setzte. »Laute Musik, dumme Sprüche, Häppchen und Alkohol. Echt, Papa, ich mag das nicht mehr. Hast du was dagegen, wenn ich wieder nach Buchenau zurückfahre?«

Der Fürst lehnte sich zurück und musterte seine Tochter mit schmalen Augen.

»Nach Buchenau?«, wiederholte er gedehnt und musterte sie mit schmalen Augen. »Da wolltest du doch nie hin – in dieses Nest am Ende der Welt, das von allen guten Geistern verlassen und vom Fortschritt noch nie erreicht worden ist. Aber erzähle mir jetzt nicht das Märchen von der schönen Landschaft und den netten Leuten. Dir spukt der Verwalter im Kopf he­rum. Streite es nicht ab!«

»Und wenn es so wäre?«, erwiderte sie trotzig. »Wenn er mir gefallen würde wie noch kein anderer zuvor? Dann hältst du mir wahrscheinlich gleich einen Vortrag über gutes Benehmen und erklärst mir, dass man mit dem Personal keine Liebschaft anfangen soll.«

Der Fürst antwortete nicht sofort. Er starrte grübelnd vor sich hin und entgegnete schließlich: »Ich werde dich nicht belehren, ich warne dich nur. Derrick von Vehlan ist kein Mann, mit dem du spielen kannst. Den kannst du auch nicht manipulieren.«

»Das weiß ich doch längst, aber es geht mir wirklich nicht nur um den Verwalter. Auf dem Gut und im Dorf gibt es so viel zu tun. Ich könnte helfen und käme mir nicht so nutzlos vor – wie hier.«

»Arbeiten? Helfen?« Fürst Leonhard war einige Sekunden fassungslos, worauf Alicia spöttisch fragte: »Ach, du nimmst wohl an, dass ich während meiner Verbannung den ganzen Tag auf dem Sofa gelegen habe? Das ist auf dem Gut gar nicht möglich. Da hat man nicht so viele Angestellte wie hier und muss sich fast alles allein machen.«

»Und das gefällt dir?«

»Na ja … am Anfang fand ich es sehr unbequem«, gab sie kleinlaut zu. »Aber inzwischen macht es mir Spaß, die Frau vom Gut zu sein. Und Mamsell Mareike ist wirklich nett. Die sagt zwar nie ›Durchlaucht‹ zu mir, sondern bloß Prinzessin, aber sie versteht mich besser als Mama.«

»Nun, wenn du meinst, dort gebraucht zu werden, dann kannst du selbstverständlich dort wohnen. Du kannst meinetwegen auch den Verwalter heiraten, wenn er dich haben will.«

»Du hast schon mal bessere Witze gemacht, Papa.« Alicia erhob sich und zwang sich zu einem unbekümmerten Lachen. Danach eilte sie hinaus.

In dieser Nacht schlief sie so gut wie schon lange nicht mehr. Und als sie sich zwei Tage später von ihrer Familie verabschiedete, tat sie es gern. Sie streichelte nur Baby Markus über...