Sophienlust - Die nächste Generation 70 - Familienroman - Wenn aus Freundschaft Liebe wird ...

Sophienlust - Die nächste Generation 70 - Familienroman - Wenn aus Freundschaft Liebe wird ...

von: Carina Lind

Martin Kelter Verlag, 2022

ISBN: 9783959794305 , 100 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 1,99 EUR

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Sophienlust - Die nächste Generation 70 - Familienroman - Wenn aus Freundschaft Liebe wird ...


 

Wie jeden Morgen wollte Silke Conradi ihre Wohnung pünktlich um halb acht Uhr verlassen. Im Hausflur stellte sie sich noch einmal kurz vor den Spiegel, um ihr Aussehen zu überprüfen. Gestern war sie beim Friseur gewesen und hatte sich eine fesche Kurzhaarfrisur schneiden lassen. Silke zupfte noch ein wenig an den Fransen, dann war sie zufrieden. Leichtfüßig lief sie durch das Treppenhaus und hinaus auf die Straße. Es war nur ein kurzes Stück von ihrer Wohnung bis zum Maibacher Gymnasium, wo sie als Hausmeisterin arbeitete. Die ersten Schulkinder strömten bereits in das Gebäude, als Silke dort ankam.

In der Eingangshalle wurde sie sofort von allen Seiten umringt. Silke war sehr beliebt bei den Kindern und auch bei den Lehrerinnen und Lehrern. Fast jeder hatte irgendein Anliegen an sie. Freundlich lächelnd versuchte sie, auf alle Bedürfnisse einzugehen, bis es zur ersten Stunde klingelte. Mit einem Mal war die Eingangshalle wie leergefegt. Silke eilte zu der Treppe, die ins Souterrain führte, wo sich ihr Arbeitsraum befand.

Auf der Werkbank lag ein großer Bilderrahmen. Der war gestern im Zeichensaal von der Wand gefallen, Silke hatte ihn wieder zusammengesetzt und fachmännisch verleimt. Sehr genau prüfte sie, ob der Rahmen wieder vollkommen in Ordnung war, dann setzte sie sich an ihren Schreibtisch und schaltete den Computer ein. Zuerst bestellte sie eine neue Glasscheibe für den Bilderrahmen, dann etliche Liter ›Bodenblank‹ für die Reinigungskräfte. Zwischendurch blickte Silke immer wieder auf ihre Uhr. Um neun Uhr dreißig erwartete sie zwei Handwerker, welche die Bühne in der Aula reparieren sollten.

Als Silke dann ihren Arbeitsraum verließ, um zur Aula zu gehen, war sie nicht mehr ganz so fröhlich wie noch am Morgen. Die Handwerker waren bereits vor einigen Tagen in der Aula gewesen, um sich die Schäden anzusehen. Die Begegnung war für Silkes Geschmack ziemlich unerfreulich gewesen. Die Herren hatten sich nämlich für starke Kerle gehalten, die es nicht nötig hatten, eine Frau als Hausmeisterin für voll zu nehmen. Ziemlich respektlos hatten sie sich eingebildet, alles besser zu wissen, nicht ahnend, dass Silke vor ihrem Hausmeister-Job auch eine Ausbildung zur Schreinerin absolviert hatte. Dementsprechend gut kannte sie sich aus.

Auf dem langen Flur, der im Erdgeschoss zur Aula führte, beschloss Silke, sich mit Frechheit zu wappnen. Noch einmal wollte sie sich die dumm-dreisten Sprüche nicht gefallen lassen, die sie sich hatte anhören müssen.

Als sich Silke der Aula näherte, standen die beiden Handwerker bereits vor der Tür. Mit grinsenden Gesichtern taxierten sie Silke schon von Weitem. Silke konnte die begehrlichen Blicke förmlich auf ihrem Körper spüren, was extrem unangenehm war. Noch unangenehmer war das Pfeifen, welches sich der Jüngere nicht verkneifen konnte. Als Silke die Handwerker begrüßte, musste sie direkt an sich halten, um freundlich zu bleiben.

Silke schloss die Tür auf und ließ die Handwerker in die Aula hinein. Während sie mit den beiden durch den Saal ging, leckte sich der Ältere über die Lippen. »Schicke Frisur, die du plötzlich hast, Mädel«, sagte er.

Deine Frisur ist auch nicht übel, dachte Silke, mit deinem Haarkranz und der dicken Nase siehst du aus wie ein Clown. Natürlich war sie viel zu höflich, um diese Gedanken auszusprechen. Stattdessen tat sie so, als hätte sie nichts gehört.

An der Bühne beratschlagten die Handwerker, wie sie nun weiter vorgehen sollten. Es dauerte ziemlich lange. Allmählich wurde Silke ungeduldig. »Fangen Sie nun bitte endlich an«, sagte sie genervt. »Ich kann nicht ewig hier warten. Ich habe Ihnen bereits alles erklärt. Sie können Ihre Arbeit auch ohne mich machen.«

»Wenn man etwas erklärt haben will, muss man einen Mann fragen«, grinste der Jüngere. »Wenn Arbeit ansteht, muss es eine Frau machen.« Der Ältere brach in schallendes Gelächter aus. Silke drehte sich auf dem Absatz um, mit einem Kopfschütteln verließ sie den Saal.

Silke war noch immer ziemlich aufgebracht, als sie in ihre Werkstatt zurückkehrte. Vor allem ärgerte sie sich über sich selbst, weil ihr wieder keine passende Antwort auf den dummen Spruch eingefallen war, den sie sich hatte anhören müssen. Um sich von ihrem Ärger abzulenken, drehte sie das Radio voll auf, dann sägte sie einige Kanthölzer zurecht, die für den Werkunterricht gebraucht wurden. Anschließend reparierte sie den Durchlauferhitzer für die Schulküche, was ziemlich schwierig war. Nachdem es endlich geschafft war, kehrte Silke noch einmal in die Aula zurück, um sich zu vergewissern, dass dort alles so gemacht wurde, wie sie es angeordnet hatte.

Inzwischen hatten die Handwerker die hölzerne Bühnenverkleidung abgenommen. Gerade waren sie damit beschäftigt, die neue Verkleidung anzubringen. Besser gesagt, der Jüngere war damit beschäftigt. Der Ältere stand daneben und schaute zu.

Als Silke die neue Verkleidung sah, war sie geschockt. »Ich hatte Tannenholz bestellt«, stellte sie klar.

»Das ist Tanne«, meinte der Jüngere und fuhr sich mit der Hand durch sein rotes Haar.

»Keineswegs, es ist …«, begann Silke, doch der Ältere schnitt ihr das Wort ab:

»Was weißt denn du schon davon, Mädel«, grinste er.

»Es ist Fichte«, sagte Silke mit fester Stimme. »Die Schulleitung wünscht aber Tannenholz, und das habe ich auch bestellt.«

»Da gibt es doch gar keinen Unterschied«, knurrte der Ältere, wobei sich seine Miene verfinsterte.

»Tannenholz ist wesentlich feuchtigkeitsbeständiger«, erklärte Silke. »Bei Tanne kann auch kein Harz austreten, bei Fichte aber schon. Außerdem wirkt Tanne bei einer sichtbaren Konstruktion wie einer Bühnenverkleidung wesentlich hochwertiger.«

»Sichtbare Konstruktion!«, äffte der Rothaarige Silke nach. »Jetzt soll ich wohl wieder alles abnehmen und noch mal von vorne anfangen, wie?«

»Selbstverständlich!«, forderte Silke. »Und das ein bisschen plötzlich, wenn ich bitten darf!«

Als Silke die Aula verließ, konnte sie wieder die Blicke der Handwerker auf ihrem Rücken spüren. Diesmal waren es böse Blicke.

*

Der Ärger mit den Handwerkern hatte Silke den letzten Nerv geraubt. Deshalb war sie ziemlich erschöpft, als sie am späten Nachmittag endlich Feierabend hatte. In ihrer Wohnung kochte sie sich einen Tee und bestrich sich ein paar Butterbrote. Damit wollte sie es sich vor dem Fernseher so richtig gemütlich machen und nichts weiter tun, als abzuschalten.

Kaum hatte sie sich den Tee eingeschenkt, kaum hatte sie nach der Fernbedienung gegriffen, da schrillte das Telefon. Silke hatte überhaupt keine Lust, einen Anruf entgegenzunehmen, dennoch blickte sie kurz auf das Display. Es war Philipp, ihr Bruder. Sie liebte ihn sehr. Seufzend nahm sie den Hörer ab.

Mit den Worten: »Philipp, du bist der Einzige, der mich jetzt noch stören darf«, begrüßte sie ihn.

»Tut mir leid, Schwesterherz, wenn ich dich nach getaner Arbeit noch aufscheuche, aber ich habe ein Problem«, sagte er.

»Was ist denn los, Philipp?«, fragte Silke. »Deine Stimme klingt irgendwie komisch.«

Ohne auf ihren Einwurf einzugehen, begann Philipp, sehr ausführlich von seiner Arbeit zu erzählen, die er und seine Frau Lisa für eine Hilfsorganisation leisteten. »Du weißt, wie wichtig unsere Aktivitäten sind«, erklärte er. »Jetzt werden sie sogar bis nach Afrika ausgeweitet. Unsere Organisation will in Mali ein Waisenhaus aufbauen, genauer gesagt, man hat bereits damit angefangen. Doch es sind zu wenige Hilfskräfte vor Ort. Deshalb sind Lisa und ich nach Mali beordert worden und ...«

»Ihr müsst nach Mali?«, unterbrach Silke ihren Bruder. »Ja, wann denn?«

»So schnell wie möglich, am besten sofort. Die Not dort unten ist immens. Es gibt so viele Waisenkinder! Und die sind oft auch noch krank und unterernährt. Lisa und ich werden dringend benötigt.«

»Und was ist mit Cindy?«, fragte Silke.

»Ja, Cindy«, seufzte Philipp. »Wir können unsere Tochter natürlich nicht mitnehmen. Cindy muss irgendwie betreut werden, wenn Lisa und ich in Mali sind … Deshalb habe ich ein Attentat auf dich vor …«

»Ein Attentat?« Silke ahnte bereits, was nun folgen würde.

»Könntest du Cindy so lange bei dir aufnehmen?«, fragte Philipp rundheraus.

»Wie lange seid ihr denn fort?«, wollte Silke wissen.

»Geplant sind vier Wochen. Eventuell könnte unser Aufenthalt aber auch verlängert werden. Das kann man jetzt noch nicht so genau sagen. Die Verhältnisse dort sind ziemlich unsicher.«

»Wenn Cindy bei mir ist, muss sie natürlich auch zur Schule gehen«, sagte Silke.

»Ganz genau. – Du bist doch Hausmeisterin am Gymnasium in Maibach. Lisa und ich dachten, dass Cindy vorübergehend dort die Schule besuchen könnte.«

Obwohl sich Silke ziemlich überrumpelt fühlte, blieb ihr nichts anderes übrig, als zuzusagen. Sie tat es sogar gern, sie mochte ihre Nichte nämlich sehr. »Allerdings gibt es noch ein Problem«, sagte sie zu ihrem Bruder.

»Und das wäre?«

»Nach Schulschluss ist mein Arbeitstag natürlich noch nicht beendet. Manchmal dauert er sogar bis in den späten Nachmittag, zum Beispiel wenn Konferenzen stattfinden. Oder wenn der Maibacher Sportverein in die Turnhalle kommt. Nachmittags kann Cindy aber nicht bei mir in der Schule bleiben. Das ist aus versicherungstechnischen Gründen nicht möglich. Ich halte es aber für keine gute Idee, das Kind dann stundenlang sich selbst zu überlassen.«

»Ja, was machen wir denn da?«

»Vielleicht gibt es eine Möglichkeit«, überlegte Silke. »Cindy könnte nach Schulschluss in Sophienlust...