Vom Geist des Heilens:Die Rückkehr der Ganzheit - Die Rückkehr der Ganzheit

Vom Geist des Heilens:Die Rückkehr der Ganzheit - Die Rückkehr der Ganzheit

von: Dr.med Wolfgang Bittscheidt

Scorpio Verlag, 2022

ISBN: 9783958035041 , 240 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 7,99 EUR

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Vom Geist des Heilens:Die Rückkehr der Ganzheit - Die Rückkehr der Ganzheit


 

KAPITEL 2
NATUR, MEDIZIN, MODERNE


Gewinn und Verlust


Paracelsus hat uns im 16. Jahrhundert ein philosophischmedizinisches Lehrgebäude hinterlassen, das auf der Erkenntnis natürlicher und übernatürlicher Phänomene aufbaut. Dieses Lehrgebäude ist in jeder Richtung offen für die weitere geistige Entwicklung der Menschen, für die Integration wissenschaftlicher Erkenntnisse in die Medizin und auch für ein Therapiesystem, das es dem Einzelnen möglich macht, durch sein Bewusstsein und seine Innerlichkeit auf Krankheit und Heilung, Selbstheilungskräfte und Wohlbefinden Einfluss zu nehmen.

In dieses Lehrgebäude hätte auch jene Definition von Gesundheit gepasst, die in der Verfassung der Weltgesundheitsorganisation (WHO), unterzeichnet am 22. Juli 1946, formuliert wurde: »Gesundheit ist ein Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens und nicht nur das Fehlen von Krankheit und Gebrechen.«1

1986, also rund 450 Jahre nach Paracelsus, wurde dies in der Ottawa-Charta der Weltgesundheitsorganisation (WHO) noch weiter ausgeführt: »Gesundheitsförderung zielt auf einen Prozess, allen Menschen ein höheres Maß an Selbstbestimmung über ihre Gesundheit zu ermöglichen und sie damit zur Stärkung ihrer Gesundheit zu befähigen. Um ein umfassendes körperliches, seelisches und soziales Wohlbefinden zu erlangen, ist es notwendig, dass sowohl einzelne als auch Gruppen ihre Bedürfnisse befriedigen, ihre Wünsche und Hoffnungen wahrnehmen und verwirklichen sowie ihre Umwelt meistern bzw. verändern können. In diesem Sinne ist die Gesundheit als ein wesentlicher Bestandteil des alltäglichen Lebens zu verstehen und nicht als vorrangiges Lebensziel.«2

Der Griff nach den Sternen


Zu Beginn der Neuzeit wurde das Wissen um die Natur und die Ordnung von Mikro- und Makrokosmos, also das Wissen über den Menschen und seinen Lebensraum bis in die kosmischen Dimensionen enorm erweitert. Beispielhaft dafür steht Nikolaus Kopernikus (1473–1543), welcher der Öffentlichkeit 1543 ein Buch vorstellte, dessen Hauptaussage war, nicht die Erde, sondern die Sonne sei der Mittelpunkt des Universums. Giordano Bruno (1548–1600) bestätigte Kopernikus’ Berechnungen und vermutete darüber hinaus, das Universum enthalte nicht nur ein einziges System gleich unserer Sonne mit ihren Planeten, sondern viele Systeme dieser Art. Schließlich gesellte sich ein dritter Wissenschaftler hinzu: Galileo Galilei (1564–1642), ein bekannter Physiker und Astronom. Er hatte ein Fernrohr entwickelt, das viel weitergehende Beobachtungen zuließ, als bisher möglich gewesen waren. Er revolutionierte das damals bestehende Bild vom Universum, indem er den Erdmond und die Jupitermonde beobachtete und die Aussagen von Johannes Kepler (siehe unten) bestätigte, vor allem dessen Entwurf eines heliozentrischen Weltbildes. Damit entkräftete er das geozentrische Weltbild (Erde im Mittelpunkt des Universums), das den Lehren der antiken Philosophen Aristoteles und Ptolemäus entsprach und von der Kirche vertreten wurde.

Ein weiterer berühmter Astronom wurde geboren, als Galilei sieben Jahre alt war. Friedrich Johannes Kepler (1571–1630) war Naturphilosoph, Mathematiker, Astronom, Optiker und Theologe und brachte alle Voraussetzungen mit, um es in der damaligen Zeit des wissenschaftlichen Aufbruchs zu Ruhm und Ehre zu bringen – solange er sich nicht mit der mächtigen Inquisition anlegte.

1621 erschien der Abriss der kopernikanischen Astronomie, in dem Kepler seine Entdeckungen zusammenfasste. Es war das erste Lehrbuch, in dem das heliozentrische Weltbild ausführlich dargelegt wurde. Damit, dass er dieses Weltbild vor der gesamten wissenschaftlichen Öffentlichkeit der damaligen Zeit als physikalische Tatsache darstellte, stieß Kepler sowohl bei der katholischen Kirche als auch bei führenden Persönlichkeiten der erstarkenden protestantischen Seite auf spürbaren Widerstand. Die geistige Atmosphäre war auf Seiten der Kirche von so viel Unsicherheit, Angst und Intoleranz geprägt, dass sich Kepler und seine Familie mehrmals durch Flucht vor Verfolgung retten mussten. Aber bevor ihn die Inquisition verhaften konnte, starb er eines natürlichen Todes.

Ebenso wie Kepler war auch Galilei ein tief gläubiger Mensch, dem darüber hinaus das Wohl seiner Kirche am Herzen lag. Und dennoch war er in einer tragischen Situation. Er hoffte, mit seinen Erkenntnissen die Kirche als damals beherrschende Macht vor einem schweren Irrtum bewahren zu können, aber dieses Bemühen wurde ihm nicht gedankt. Die Inquisition klagte ihn wegen Ketzerei an und unter Androhung der Folter widerrief Galilei seine Lehren. Er wurde begnadigt und für den Rest seines Lebens zu Hausarrest in einem kleinen Ort bei Florenz verurteilt. Einige der zuständigen Kardinäle hatten sich geweigert, das Todesurteil gegen ihn zu unterschreiben, darunter ein Neffe des damaligen Papstes Urban VIII (der 1623 den Papstthron bestiegen hatte und Galilei nicht nur persönlich kannte, sondern ihn auch als Wissenschaftler schätzte).

Die christliche Kirche beherrschte zu dieser Zeit in vielen Ländern Europas Religion, Kultur, Kunst und Wissenschaft. Sie hatte maßgeblichen Einfluss auf die Ernennung von Fürsten, war Großgrundbesitzer, Wächter über Forschung und Wissenschaft und absolut bestimmend in allen Fragen der Lehre und Ausübung des christlichen Glaubens. Die berüchtigte Inquisition, die im Namen der Kirche Menschen folterte und auf dem Scheiterhaufen verbrannte, wachte darüber, dass in Religion, Kultur, Kunst und Wissenschaft nicht vom »rechten Glauben« abgewichen wurde. Freies Denken hatte unter der Inquisition keine gute Konjunktur. Giordano Bruno wurde wegen seiner Lehren über das Universum angeklagt, inhaftiert und gefoltert. Und weil er sich weigerte, seine Lehre zu widerrufen, wurde er verurteilt und auf dem Scheiterhaufen verbrannt.

Dennoch gibt es heute Anzeichen dafür, dass sich schon damals ein Wandel in der Haltung der Kirche anzukündigen begann. Die Meinung zur neuesten Naturwissenschaft scheint damals in den obersten Rängen der Kirchenhierarchie durchaus nicht einheitlich negativ gewesen zu sein. Einflussreiche und mächtige Kirchenleute waren der Überzeugung, man müsse bei der Auslegung der Bibel vorsichtig vorgehen, wenn ein wirklicher Beweis für das heliozentrische Weltbild vorläge. Die Auffassung, Glaube und Wissenschaft seien getrennte Bereiche, fand langsam Anhänger in diesen Kreisen. Denn auch für höchste »Würdenträger«, unter ihnen der Papst selbst, sprach vieles dafür, dass die neuen Wissenschaften die Wahrheit verkündeten.

Die Welt drehte sich weiter (um die Sonne) und die Entwicklung und Verbreitung wissenschaftlicher Erkenntnisse ließ sich auf Dauer nicht mehr unterdrücken. Das 17. Jahrhundert brachte den Menschen in ganz Europa zwar furchtbare Kriege und enorme politische Umwälzungen (etwa durch den Dreißigjährigen Krieg 1618–1648), aber in den Naturwissenschaften und in der Medizin wurden dennoch große Entdeckungen gemacht.

Um 1595 erfand Hans Janssen das Lichtmikroskop. 1616 beschrieb William Harvey den Blutkreislauf. 1676 bestimmte Ole Rømer die Lichtgeschwindigkeit. Mitte des 17. Jahrhunderts erkannte Isaac Newton die Grundlagen der Mechanik. Außerdem machten von sich reden: der Mathematiker und Philosoph René Descartes (1596–1650) und der Philosoph Francis Bacon (1561–1626), dem die Naturwissenschaft eine grundlegende Systematik von Experiment und Beobachtung verdankt.

Der kulturelle Rahmen entsprach zu Beginn der Neuzeit zunächst noch dem, was wir zuvor die umfassende Ganzheit genannt haben. Körper, Geist, Seele und der Glaube an einen göttlichen Urgrund sowie an eine vom Geist durchdrungene und geprägte Natur bildeten ein allumfassendes System für das Leben des Menschen und seine geistigen Grundlagen. Welche Entwicklung, welches neue Paradigma im westlichen Kulturkreis kann stark genug gewesen sein, um diese umfassende Ganzheit schließlich zu demontieren?

Das neue Weltbild


Der Philosoph, Mathematiker und Naturwissenschaftler Rene Descartes (1596–1650) und der Physiker, Mathematiker, Astronom, Alchemist und Philosoph Isaac Newton (1642–1727) sollten für den Einschnitt in die umfassende Ganzheit als Grundlage aller Kultur von entscheidender Bedeutung sein.

Descartes formulierte den Grundsatz: Im Körper ist nichts, was zum Geist gehört und im Geist nichts, was zum Körper gehört. Für ihn gab es zwei »Substanzen«, die ohne jeden Bezug nebeneinander existieren, nämlich Geist und Materie (heutiger Begriff für dieses Prinzip = Cartesianischer Dualismus), sowie eine sichere, absolute Wahrheit. Er lehrte: »Alle Wissenschaft ist sicheres, evidentes Wissen. Wir lehnen alles Wissen ab, das nur wahrscheinlich ist und meinen, dass nur die Dinge geglaubt werden sollten, die vollständig bekannt sind und über die es keinen...